Im neuen Netflix-Biopic „Maestro“ beleuchtet Bradley Cooper als Regisseur und Hauptdarsteller über 30 Jahre hinweg das Leben des legendären Komponisten Leonard Bernstein, sowie dessen Beziehung zu seiner Ehefrau Felicia Montealegre. Am 6. Dezember startet die bildgewaltige Charakterstudie in den deutschen Kinos.
Als der 25 Jahre alte Leonard Bernstein (Bradley Cooper) nach einem inzwischen sagenumwobenen Telefonanruf im Jahr 1943 kurzfristig für den erkrankten Bruno Walter einspringt und das New York Philharmonic Orchestra in der prestigeträchtigen Carnegie Hall dirigiert, scheint sein weiterer Karriereweg vorgezeichnet. Denn nach dem umjubelten und landesweit im Rundfunk übertragenen Konzert könnte er der erste amerikanische Dirigent von Weltrang werden – auch wenn er dafür womöglich seinen jüdischen Nachnamen aufgeben müsste.
Aber Bernstein denkt gar nicht daran, diesem Pfad zu folgen – zumindest nicht ausschließlich: Ermuntert von der aus Chile stammenden Schauspielerin Felicia Montealegre Cohn (Carey Mulligan), in die er sich so Hals über Kopf verliebt, dass er sogar seine bisherige homosexuelle Beziehung aufgibt, setzt er an, alle verschiedenste Bereiche der Musik zu erobern. Er will nicht nur dirigieren, er will auch spielen, lehren und vor allem komponieren – und das noch querbeet vom Bühnenmusical bis zum Kinoscore. Schon bald ist Bernstein ein Star, doch in der anfangs so harmonischen Ehe zeigen sich schnell Risse – vor allem da Leonard seine Affären mit jungen Männern immer weniger verheimlicht.
Seit Jahrzehnten hat Hollywood versucht, den berühmtesten aller US-amerikanischen Dirigenten mit einem opulenten Biopic ehren. Wohl auch, weil Leonard Bernstein als Komponist eben auch für die Traumfabrik selbst eine ganz wichtige Rolle spielt. Unter anderem mit seinem Musical „West Side Story“: Ursprünglich sollte Steven Spielberg ein Drehbuch von seinem Autor Josh Singer verfilmen, wobei seine Wahl für die Hauptrolle schnell auf „Hangover“-Star Bradley Cooper fiel. Doch aufgrund der zahlreichen anderen Projekte des vielbeschäftigten Regisseurs verzögerte sich das Biopic immer weiter – bis Spielberg schließlich Coopers umjubeltes Regiedebüt „A Star Is Born“ zu sehen bekam. Da der Schauspieler ohnehin bereits zahlreiche Ideen mit in das Projekt eingebracht hatte, war Spielberg schnell klar: Sein Hauptdarsteller muss den Film selbst inszenieren.
Mit Steven Spielberg und Martin Scorsese als Produzenten im Schlepptau wurde „Maestro“ schließlich von Netflix finanziert. Das strukturell eher klassische Biopic ist ein Ritt durch die verschiedenen Stationen in der Karriere des legendären Musikgenies. Aber als eigentliche Attraktion entpuppt sich dabei immer mehr dessen Frau Felicia, selbst eine gefeierte Schauspielerin.
Bradley Cooper inszeniert den Auftakt von „Maestro“ mit einer Wucht, die jener des Dirigenten Leonard Bernstein schon ziemlich nahekommt: Wenn der junge Musiker noch im Bett seines Partners den Anruf erhält, dass er als Dirigent einspringen soll, läuft er aufgelöst aus der Zimmertür und ist direkt in den Fluren der Carnegie Hall, wo er dann ohne sichtbaren Schnitt bald nicht mehr im Schlafanzug, sondern im Frack die Bühne betritt. So geht es weiter. Wo Felicia gerade noch in intimer Zweisamkeit die Textzeilen für ein neues Theaterstück mit Leonard probt, geht die Szene plötzlich vor jubelndem Publikum zu Ende. Sogar ihre Verbeugung gleitet nahtlos in eine des gefeierten Dirigenten über. Allen voran Carey Mulligan und Bradley Cooper liefern famose Performances die bei der Oscar-Nomininierungen im nächsten Jahr sicher bedacht werden. Selbiges gilt für das brillante Make-Up.
Autor: Christian Oita