Wilhelmsdorf – Ich wachse als Jüngste von vier Geschwistern in einer evangelischen Familie auf und kenne von klein an die Weihnachtsgeschichte. Und doch definiert sich Weihnachten nach meinem Empfinden durch mehr als das Geschehen an Heilig Abend. Ohne einen geschmückten Weihnachtsbaum zum Beispiel ist Weihnachten nicht dasselbe. Eine Dorftradition spielt sich bei uns in Wilhelmsdorf an St. Nikolaus ab.
Das Besondere ist dabei, dass der Nikolaus mit mehreren Knechten in einer Kutsche ans Rathaus vorgefahren kommt, wo schon die Kinder mit ihren Eltern auf ihn warten. Mit großer Aufregung tragen die Kinder dann Gedichte vor, singen, tanzen und musizieren und bekommen vom Nikolaus ein Säckchen voller Köstlichkeiten geschenkt. Nach einer Weile fangen manche Jugendliche an, die Ruprechte zu necken, so dass die Knechte ihnen hinterherrennen und sie mal leichter, mal härter ihre Ruten spüren lassen. Das ist sehr witzig anzusehen. Die Ruprechte sind immer sehr cool und witzig drauf, weswegen ich mich dort auch heute noch mit meinen Freunden treffe. Natürlich nicht aus den gleichen Gründen wie damals, sondern, um mit meinen Freunden dabei zu sein und Spaß zu haben, Punsch zu trinken und Waffeln zu essen. Zusätzlich wird ganz Wilhelmsdorf mit Lichterketten geschmückt, ein Weihnachtsbaum wird aufgestellt und es gibt einen Weihnachtsmarkt.
Als ich noch klein war, war eine weitere Vorweihnachtstradition meiner Familie der Adventsweg. Diesen haben wir jedes Jahr in unserem Wohnzimmer aufgebaut. Er bestand aus 24 Kerzen und Figuren wie den Hirten, den drei Königen und Maria und Joseph, die jeden Tag eine Kerze weitergewandert sind. Bei der letzten Kerze stand die Krippe, in die man am 24. Dezember das Jesuskind hineinlegte. Zu jedem Tag gehörte auch jeweils eine biblische Geschichte, die uns Kindern von meiner Mutter vorgelesen wurde, während wir Kekse gegessen haben und am Kaminfeuer saßen. Eine Tradition unter meinen Geschwistern und mir ist das Wichteln. Alle Namen werden in einen Topf geschmissen und jeder zieht einen. Dem, den man gezogen hat, kauft man ein Weihnachtsgeschenk – man darf sich aber gegenseitig nicht verraten, wen man gezogen hat.
Eine letzte Tradition, die sich bis heute erhalten hat, ist Lauchsuppe. Hört sich komisch an, ist aber eine besondere Tradition in meiner Familie. Immer am 24. Dezember zum Mittagessen gibt es Lauchsuppe, die mit der ganzen Familie gegessen wird. Danach gehen wir in den Gottesdienst, wo ein Krippenspiel aufgeführt wird, Lieder gesungen werden und eine Predigt gehalten wird. Wenn wir wieder zuhause sind, werden die Geschenke ausgepackt.
Ich finde, Weihnachten ist die schönste Zeit und das schönste Fest des Jahres, weil es sich von anderen Jahreszeiten und Festen unterscheidet. Mit dem Schnee, dem Geruch, den Traditionen und allem, was dazu gehört.
Doch mir ist auch klar, dass es Menschen gibt, denen es an Weihnachten und anderen Tagen nicht so gut geht wie mir wegen Krieg und vielen anderen Problemen. Zum Beispiel der Krieg in Gaza, bei dem jeden Tag viele Menschen sterben, verletzt werden und Familienmitglieder verlieren. Es ist furchtbar, dass Menschen sich töten, wo Jesus vor über 2000 Jahren zur Welt kam, um den Menschen Frieden zu verkünden.
Deswegen finde ich es gut, dass es Projekte gibt, bei denen man Päckchen packt und sie in arme Länder schickt. In meiner Schule unterstützen wir zum Beispiel jedes Jahr aufs Neue ein Projekt namens „Weihnachtstrucker“, für das wir Kartons mit vorgeschriebenen Sachen wie Mehl, Malsachen, Zucker, Öl und vielem anderem packen. Ich finde es wichtig, Menschen in schlechteren Verhältnissen etwas abzugeben, zumal jeder ein schönes Leben und auch ein schönes Weihnachten verdient hat.
Autorin: Jeanetta Bräuning