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Die Veranstaltung wurde live übertragen. Dabei blieben einige Plätze leer. Foto: Andrea Reck

Biberach – Auf Einladung von Oberbürgermeister Norbert Zeidler und Landrat Mario Glaser diskutierten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Innenminister Thomas Strobl in der Gigelberghalle über „politische Streitkultur“. Die Veranstaltung war massiv abgesichert, Störungen gab es keine. 

Schon am Nachmittag kreiste ein Hubschrauber über der Stadt, rund um die Gigelberghalle standen  Absperrgitter, viele Polizei-Mannschaftswagen, TWH-Fahrzeuge, Einsatzwagen des DRK. Schon auf der Zufahrt wurden die Eintrittskarten kontrolliert. Gut fünf Wochen nach dem völlig aus dem Ruder gelaufenen Politischen Aschermittwoch der Grünen vor der Stadthalle ging es am 22. März auf dem Gigelberg beim Politischen Abend um politische Streitkultur. Menschen warteten an zwei Absperrungen darauf, in die Halle gelassen zu werden. Sie wurden abgetastet, ihre Taschen kontrolliert. An der Garderode waren Taschen und Jacken abzugeben. Nicht alle, die die kostenlosen Karten abgeholt hatten, erschienen auch, einige Stühle blieben leer. Die Veranstaltung wurde zudem live gestreamt. 

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OB Zeidler schilderte die „Monate einer emotionalen und gesellschaftlichen Achterbahnfahrt der Stadt“. 2023 noch stolze Ausrichterin der Baden-Württembergischen Heimattage, am 27. Januar 2024 3000 Menschen auf dem Biberacher Marktplatz versammelt, um sich für Demokratie und gegen Rechtsradikalismus zu positionieren und dann kam der 14. Februar 2024, der Politische Aschermittwoch der Grünen. „Seitdem steht Biberach nolens volens weniger für die weltoffene, zugewandte, ehemalige paritätische, freie Reichsstadt, in der über hundert Nationen friedlich und wirtschaftlich sehr erfolgreich leben und arbeiten – seitdem steht der Name unserer Stadt sinnbildlich für ein neues Niveau undemokratischer Unkultur – der Verunmöglichung von politischer Begegnung, von Diskussion und von Diskurs.“ 

Noch immer täte ihm das körperlich weh, betonte der OB. „Wenn man die DNA der Menschen, die hier leben und ihre Stadt prägen, kennt, dann stehen die Ereignisse vom 14. Februar 2024 in krassem Gegensatz zum liberalen, toleranten Geist unseres Way of Life.“ Der Abend sollte auch den Blick nach vorne richten: Viel wichtiger als die weiße Weste unserer Stadt, sei jedoch die Art und Weise wie wir miteinander umgehen. Landrat Mario Glaser und er seien stolz darauf, dass die Landesspitze für diesen politischen Abend gewonnen wurde. Sein Gruß galt auch Polizeipräsident Bernhard Weber vom Polizeipräsidium Ulm. Zeidler konnte die Bundestagsabgeordneten Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Grüne) und Josef Rief (CDU) begrüßen sowie die grüne Landtagsabgeordnete Petra Krebs. 

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Winfried Kretschmann erinnerte daran, dass die zweitälteste Simultankirche Deutschlands in Biberach stehe. Gewaltsame Auseinandersetzungen stünden nicht für diese Stadt. Vor der Stadthalle seien Leute unterwegs gewesen, die „wollten nur ihre Wut rauslassen und andere zum Schweigen bringen.“ Da sei es nicht um zivilisierten Streit gegangen, der die Gesellschaft zusammenhält. Nicht hinnehmbar sei, dass der Ministerpräsident auf einer Traditionsveranstaltung nicht reden könne. Manche sagten auch, die Grünen seien selbst schuld. „Natürlich machen wir Fehler“, gestand er ein. „Natürlich bringen wir auch Leute auf die Palme. Meine Partei bringt mich manchmal sogar selber auf die Palme.“ Doch darum gehe es jetzt nicht. „Es geht um die Aggression oder gar den Hass derer, die ein anderes Land wollen und versuchen, die Wütenden vor ihren Karren zu spannen.“ Wenn alle sich kompromisslos begegneten, würde die Gesellschaft zwischen unversöhnlichen Fronten aufgerieben. Die Folgen illegitimer und gewaltsamer Proteste seien immer negativ. Kretschman räumte ein, seine Entscheidung, die Halle nicht anzufahren, nachdem die Veranstaltung definitiv abgesagt worden war, sei zu spontan gewesen. „Das würde ich heute so nicht mehr machen.“

Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU)  forderte, Gewalt dürfe niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Gewalt mit Worten gehe dabei oft der physischen Gewalt voraus. Er betonte, dass es im Land viele friedliche Bauernproteste gegeben habe, in Biberach sei das aber nicht mehr so gewesen. Dabei müsse man auch die Polizei fair behandeln. Sie schütze schließlich unsere Demokratie und verdiene Dank. Die 20-köpfige Ermittlungsgruppe der Ulmer Polizei arbeite derzeit die Ereignisse auf. 108 strafrechtliche Ermittlungsverfahren seien eingeleitet, 47 namentlich bekannte Verdächtige würden überprüft und 67 Straftaten verfolgt. 

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Das anschließende Podiums-Gespräch der Redner mit Polizeipräsident Bernhard Weber und Landrat Mario Glaser moderierte Gerd Mägerle, Leiter der Lokalredaktion Biberach der Schwäbischen Zeitung. Er stellte die Frage, ob es denn im Vorfeld der Veranstaltung in der Stadthalle keine Hinweise auf gewaltsame Proteste gegeben habe. Polizei Präsident Weber verneinte dies. Man sei überrascht gewesen von den zahlreichen Traktoren, die schon um drei in der Früh ankamen. Das Konzept der Chaoten sei es zudem gewesen, die 700 bis 800 Menschen vor der Stadthalle durch viel Lärm einzuschüchtern. Beim Seiteneingang musste die Polizei schließlich Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen, damit die Fahrzeuge der Veranstalter fahren konnten. Der Werfer des Meterstabes, der eine Autoscheibe durchschlagen habe, sei über den Besuch der Polizei im Nachhinein morgens um sechs sehr überrascht gewesen. 

Mägerles Frage, was solche Polizeieinsätze kosten, relativierte Strobel mit dem Hinweis auf die Kosten zur Absicherung etwa von Hochrisiko-Fußballspielen. Da frage keiner, was das koste. Weitere Fragen galten dem Zeitpunkt der Absage der Veranstaltung und ob man Proteste mit Traktoren nicht verbieten könne. Strobel betonte, dass Fahrzeugkorsos vom Grundgesetz geschützt seien. Wenn Straftaten begangen würden, gäbe es Konsequenzen. Bei Klimaklebern ebenso wie bei Traktoren-Demos.

Schließlich konnten Besucher im Saal Fragen stellen. Eine Frau, die sich als Grünen-Mitglied vorstellte, wollte wissen, wie die Diskussionskultur verbessert werden könnte. Glaser verwies auf Respekt, Toleranz und das Zulassen anderer Meinungen. „Wir schauen oft nicht mehr aus unserer Bubble heraus.“ Ein Frager wollte wissen, ob man jemand, der mit einer Kettensäge bedrohlich hantiere, diese nicht abnehmen könne. Weber antwortete: „Es war keine Kette aufgelegt, der wollte nur Krach machen.“ Ein Fragesteller kritisierte, es habe bei den Vorkommnissen beim Nebeneingang keine Warnung gegeben, ehe Pfefferspray zum Einsatz gekommen sei. Außerdem sei niemand im Fahrzeug gesessen, dessen Scheibe zu Bruch ging. Weber entgegnete, es seien drei Menschen im Fahrzeug gesessen und der unmittelbare Zwang sei zuvor angedroht worden.

Landrat Mario Glaser beendete den Abend. Er dankte den Anwesenden und schloss mit einem Zitat von Richard von Weizsäcker: „Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg. Deshalb gehört zu ihr der Respekt vor der Meinung des anderen.“

Autorin: Andrea Reck



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