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Die Federzeichnung aus der Weißenauer Chronik ist ein zeigenössisches Dokument und zeigt die Heere des Schwäbischen Bundes und der aufständischen Bauern vor dem Kloster Weingarten im April 1525. Rechts im Bild ist die Stadt Ravensburg zu sehen, von wo Emissäre die Friedensverhandlungen begleiteten. Rechte: Waldburg-Zeil’sches Gesamtarchiv Schloß Zeil, Archivsignatur: ZAMs 54

Weingarten – Es geschah zu Ostern. In der Karwoche vor 500 Jahren brannte in Altdorf die Luft. 12.000 Bauern warteten gut positioniert auf den Hügeln hinter dem Klosterort, der heute Weingarten heißt, auf ihren Feind, den Truchsess Georg von Waldburg, Bauernjörg genannt. Der Feldherr des Schwäbischen Bundes, des Zusammenschlusses der adligen und kirchlichen Grundherren sowie der freien Reichsstädte mit Sitz in Ulm, zog von Bad Wurzach kommend, wo der Adelsmann über 2500 seiner eigenen Bauern massakriert und für deren Aufbegehren blutige Rache genommen hatte, den Bauern des Seehaufens entgegen. 

Mit 8000 Landsknechten war der Berseker von der Waldburg den Seebauern zahlenmäßig unterlegen, jedoch in der Bewaffnung mit Kanonen und Kavallerie den aufständischen Bauern überlegen. Aber in den Reihen der Bauern dienten auch viele Landsknechte, die kriegserfahren waren, zudem erwarteten die Bauern des Seehaufens Verstärkung, die Bauern des Allgäuer Haufens waren im Anmarsch. Höchste Zeit anzugreifen, doch der Feldherr zögerte und machte stattdessen ein Verhandlungsangebot, worauf sich die Anführer der Bauern einließen und just an Ostern, den 17. April, einen Vertrag unterzeichneten, den Weingartener Friedensvertrag.

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Dieser wird 500 Jahre und ein paar Tage später am 9. Mai 2025 mit der Enthüllung eines Denkmals gewürdigt. Ein Zitat aus dem Vertrags-text ziert dann kreisrund das Pflaster auf dem Münsterplatz: „Damit Frieden, Ruhe und Einigkeit dauerhaft bewahrt werden, sollen wir…“ wird dort zu lesen sein. Wer vorbeigeht, soll sich mit dem Satz aktiv auseinandersetzen. Das ist die Intention des österreichischen Künstlers Marbod Fritsch, die von einem Auswahlgremium und dem Gemeinderat für gut befunden wurde. Der Förderverein, der sich zur Finanzierung gründete und von Rudolf Bindig geführt wird, hat 60.000 Euro gesammelt und damit das Kunstwerk erst möglich gemacht. So weit, so gut. Aber Denkmäler sind nicht nur Erinnerungsstücke, sondern auch Stolpersteine. Und so gab und gibt es auch Kritik aus berufenem Munde.

Fahne der oberschwäbischen Bauern: ein weiß-rotes Andreaskreuz über ein rotweißes Feld. Es ist das einzige Wappensymbol für Oberschwaben und steht für dessen Freiheitsgeschichte.

Mit dem Historiker Dr. h.c. Elmar L. Kuhn, ehedem Archivar des Bodenseekreises und ausgewiesener Experte für den Bauernkrieg sprach BLIX bereits im Mai letzten Jahres. Sein Verdikt: „Das vom Künstler vorgeschlagene Zitat, das der Weingartener Stadtrat billigte, erinnert fatal an die preußische Aufforderung ‚Ruhe ist die erste Bürgerpflicht‘. Das ist das Interesse jeglicher Obrigkeit, aber kein Grundprinzip einer demokratischen Gesellschaft. Es bedarf bisweilen der ‚Unruhe‘, um ungerechte Zustände zu ändern.“ Und das sei die grundlegende Absicht der Bauern gewesen, weshalb Kuhn das Denkmal als „diffamierend“ bezeichnet.

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Vor der Einweihung der Erinnerungsstätte sprach BLIX nun mit dem Historiker Hans-Ulrich Rudolf, ebenfalls ausgewiesener Bauernkriegsexperte und langjähriger Professor an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten, wo Rudolf nicht nur wohnt, sondern sich auch sehr intensiv mit der Lokalgeschichte der Welfenstadt beschäftigt. Wie Kuhn ist Rudolf auch Mitglied der hochwohllöblichen Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur (GO), aber in seiner Betrachtung und Bewertung des Weingartener Friedensvertrags und dessen Denkmal kommt er zu anderen Schlüssen.

„Völlig unangebracht und ungerecht“

Der Historiker Hans-Ulrich Rudolf (82) war viele Jahre Professor an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten.

Herr Prof. Rudolf, warum und wie kam es zum Weingartener Friedensvertrag?

Im ausgehenden Mittelalter, also im 14. bis 16. Jahrhundert, kam es immer häufiger zu Unruhen und Aufständen der Bauern. Ausgelöst wurden diese in der Regel durch die nachhaltigen Versuche der Grundherren, ihre Untertanenverbände zu vereinheitlichen, indem sie alte Rechte ihrer Untertanen gewaltsam zu vereinheitlichen suchten und sie dabei brachen. So versuchte zum Beispiel der Fürstabt von Kempten im Stift Kempten zu seinem eigenen Vorteil aus FREIEN BAUERN minderberechtigte FREIZINSER zu machen und Freizinser in den noch minderberechtigten Stand von LEIBEIGENEN herabzudrücken. Natürlich versuchten sich die Betroffenen mit allen Kräften gegen diese Standesminderungen zu wehren.

Die Reformation brachte den Bauern neue Argumente. Insbesondere Luthers Schrift ‚Von der Freiheit eines Christenmenschen‘ (1520) und seine Übersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche versah die Leibeigenschaft mit schwerwiegenden Fragezeichen. Das in Memmingen ausformulierte Bauernprogramm der ‚Zwölf Artikel‘ war nicht mehr dem ‚Alten Recht‘ verpflichtet, sondern eher dem ‚Göttlichen Recht‘.

Welche wesentlichen Inhalte hat der Friedensvertrag zwischen dem Truchsess und den Bauern?

Die wesentlichen Inhalte des Weingartener Vertrags waren:
1. Straflosigkeit, also Generalpardon
2. Das Versprechen, dass über alle bäuerlichen Beschwerden neutral besetzte Schiedsgerichte beraten und abstimmen sollten.

War das im Wesentlichen alles, dann war es nicht viel gemessen an den Forderungen in den Zwölf Artikeln?

Der Friedensvertrag verstand sich nicht als Antwort auf die Zwölf Artikel.

Ist der Friedensvertrag das Ergebnis der Schwäche der Bauern?

Der Weingartener Vertrag war eindeutig das Ergebnis der Schwäche der Bauern. Hätten sie nicht die militärisch sichere Position auf den Höhen um das Kloster Weingarten eingenommen, wären sie in einer offenen Feldschlacht in der Ebene mit einiger Wahrscheinlichkeit unterlegen, wie in den vorherigen Gefechten bei Leipheim und bei Wurzach und weiteren Orten.

Welche Bedeutung hat der Vertrag im Kontext des Geschehens?

Mit dem Weingartener Vertrag schieden die Bodenseebauern, der militärisch wohl stärkste Teil der Bauernhaufen aus dem Heer der Aufständischen aus. Im Seehaufen standen viele Bauern, die schon als Landsknechte militärisch gedient hatten, und viele Bauern mit Feuerbüchsen.

Mit dem Vertrag war der blutige Konflikt in Oberschwaben beendet, der Krieg ging aber in anderen Regionen mit großer Härte weiter. Haben die Bauern des Seehaufens ihre Sache und ihre Mitstreiter andernorts verraten? 

Den Vorwurf des Verrats, wie ihn die demokratische (Zimmermann und Franz) und die marxistische Geschichtsschreibung (Engels) seit dem 19. Jahrhundert den Bauern machten, ist völlig unangebracht und ungerecht. Die Bauern haben nie überregional gedacht und geplant und deshalb auf entsprechende Bündnisse verzichtet. Sie hatten also keine Verpflichtungen gegenüber anderen.

Aber sie schlossen sich doch zusammen, wie es auch in Memmingen der Fall war? Und die Allgäuer Bauern waren auf dem Weg ebenso wie aus dem Schwarzwald, sie wollten den Seebauern in Weingarten zu Hilfe kommen.

Es war so, dass die Allgäuer Bauern über die „Christliche Vereinigung“ mit  dem Seehaufen und dem Baltringer  Haufen verbündet und zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet waren.

Obwohl der Vertrag eine historische Besonderheit einnimmt, bekommt er in der Geschichtsschreibung keine besondere Bedeutung. Warum?

Ja, das stimmt, der Weingartener Vertrag nimmt in der Geschichtsschreibung keine besondere Stellung ein. Sie war im 19. Jahrhundert überwiegend bürgerlich orientiert. Der Freiheitswille der Bauern und ihre Ziele wurden mit Sympathie begleitet. Aber der separate Weg der süddeutschen Bauern wurde eher als unsolidarisch gesehen und der Friedensschluss eher als Verrat an der gemeinen Sache.

Kritiker sehen in dem Vertrag einen Diktatfrieden des Bauernjörgs und kritisieren deshalb auch das Denkmal zum Bauernkrieg in Weingarten. Zurecht?

Die Zugeständnisse, die der Truchsess den Bauern des Seehaufens im Vertrag machte, waren allesamt vorher mit dem Schwäbischen Bund in Ulm abgeklärt worden. Darauf weisen die biographischen Notizen des ‚Schreibers des Truchsessen‘ hin. Von einem Diktatfrieden kann also überhaupt keine Rede sein.

Sie halten also das Denkmal in Form des Zitats aus dem Friedensvertrag für passend?

Ich persönlich halte das Zitat aus dem Vertrag nicht für die beste Lösung, sondern für eine plausible.

Welche Schlüsse lassen sich aus der Historie ziehen?

Meines Erachtens lassen sich aus der Geschichte nur schwer irgendwelche präzisen Schlüsse ziehen.

Autor: Roland Reck



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