Mittelbiberach – Bei einheimischen Genießern ist das „Esszimmer“ in Mittelbiberach längst kein Geheimtipp mehr. Nun haben Sarah und Simon Kaiser eine besondere Auszeichnung von Michelin bekommen: den Bib-Gourmand-Award.
Der Bib-Gourmand ist eine Auszeichnung des Guide Michelin, die Restaurants für ihr hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis prämiert. Im Gegensatz zu den Michelin-Sternen, die für außergewöhnliche Kochkunst stehen, ist der Bib Gourmand ein Zeichen für gutes, bodenständiges Essen, das für jeden Geldbeutel erschwinglich ist. In der Begründung heißt es, dass das „Esszimmer“ Wert lege auf Nachhaltigkeit und der Fokus liege auf „Sharing“: „Man bietet viele kleine Gerichte im Tapas-Style, die in der Mitte des Tisches stehen und zum Teilen gedacht sind. So können Sie sich Vegetarisches, Fleisch und Fisch selbst zusammenstellen. Machen Ihnen z. B. ‚Arancini, gefüllt mit Burrata & Pilzen‘ oder ‚Samosa mit Reh aus heimischer Jagd, Mais, Minz-Lassi‘ Appetit? Unbedingt probieren sollte man das tolle Dinkel-Fladenbrot mit einem der leckeren Dips! Auch an Desserts ist gedacht: Aus der Patisserie kommen Tapas in Süß, zum Beispiel als ‚Salzkaramell Crème Brûlée‘.“

BLIX sprach mit dem gebürtigen Riedlinger Simon Kaiser, der das Kochhandwerk nach einem abgeschlossenen Informatikstudium bei Rolf Straubinger auf Burg Staufeneck (1 Stern Michelin) erlernte. Nach Stationen in der Saulgauer Kleber Post, auf Sylt, im Salzburger Land und in München, kam er nach Mittelbiberach, wo er nun seine eigene Genusswerkstatt betreibt in den Räumen der Sportfabrik, die seinem Bruder gehört. Seine Frau Sarah, studierte Kunsttherapeutin, verantwortet zusammen mit ihrem Team den Service und schafft mit ihrem künstlerischen Einfluss eine wohlige Atmosphäre. „Vor zwei Jahren sind wir weg von der Menü-Schiene“, erzählt Simon Kaiser, „und seither machen wir mit unserem Sharing-Konzept, also kleinen Portionen auf dem Tisch für alle, gute Erfahrungen. Das Teilen sorgt automatisch für viel Kommunikation und ist sehr lebendig. Und zwar sowohl bei Familien als auch bei Geschäftsessen. Wir haben wirklich ein total gemischtes Publikum, vom Kindergeburtstag bis zum 70. Geburtstag, und bieten für jeden Geldbeutel etwas an.“ Kaiser kommt nicht aus einer Gastronomen-Familie, hat aber auch während des Studiums schon viel gekocht. Mit 24 Jahren entschloss er sich zu einer Kochlehre und ist überzeugt, die richtige Laufbahn eingeschlagen zu haben.
Seit drei Jahren gibt es auch den „Freisitz“ einen Biergarten mit Burgern, Wurstsalat und vielen Bio-Produkten. Und während der Koch die asiatische Küche besonders schätzt, stellt er fest, dass im Restaurant der Zwiebelrostbraten sehr gefragt ist. „Bei den Tapas gibt es alles, von koreanisch bis zu den französischen Klassikern. Eine Spezialität ist unser trocken gereiftes Rindfleisch“, erklärt der Küchenchef und lässt wissen, dass am letzten September-Wochenende und den ersten drei Oktober-Wochenenden das „Esszimmer“ seine ausgezeichnete Küche in der leerstehenden alten Biberwirtschaft in Biberach anbieten wird. An Fantasie und Kreativität fehlt es dem Esszimmer-Team nicht.

„Ein bunter Haufen“
Moritz liebäugelte mit einem Studium der Sozialen Arbeit, studierte dann aber Ökotrophologie in Gießen. „Die Grundidee war eigentlich Ernährungsberater“, lacht der schlanke Neunundzwanzigjährige. Statt einen Master zu machen, wollte er nach dem Studium lieber in die Praxis, und entschloss sich zu einer Kochausbildung. Lange war er Vegetarier, lernte aber im gutbürgerlichen Restaurant in Gießen viele regionale Gerichte auch mit Fleisch schätzen. „Ich mochte es schon immer gerne deftig Schwäbisch.“ Nach zwei Jahren kam Moritz als fertiger Koch aus Hessen zurück und half aus familiären Gründen zunächst seinem Bruder Max auf dem Bauernhof. Daneben hat er im Bistro des Demeter-Hofes der Familie ausgeholfen. Nun arbeitet er drei Tage in der Woche im Esszimmer und hat nebenher einen Minijob bei seinem Bruder Fabian im Hofladen. Dieses Modell lässt sich gut mit den Arbeitszeiten seiner Freundin koordinieren, was in der Gastronomie ja nicht selbstverständlich ist.

Pickeln finde ich richtig lecker
Seit Februar arbeitet er im Esszimmer. Und was lernt er nun dazu? „Für mich ist zum Beispiel das Pickeln neu, das Einlegen von Gemüse. Wir verwenden hier generell keine Convenience-Produkte, sondern schlagen auch die Mayo selbst auf. In der Lehre war ich nicht so viel auf dem Fleisch- und Saucen-Posten, Simon lernt mich hier super ein. Wir helfen uns gegenseitig und meistern als Team auch stressige Situationen gut. Unsere drei Azubis machen eine interessante Zusatzqualifikation, da bekomme ich einiges mit. Generell helfen mir auch die Grundlagen aus dem Studium, das ergänzt sich alles gut. Schön ist, dass wir hier auch ein Feedback von den Gästen erhalten. Kürzlich hatten wir ein Küchenfest. Jeder von uns verantwortete einen Gang mit Stationen im Lokal, wo wir alles angerichtet haben. Ein tolles interaktives Kochevent.“
Moritz arbeitet gerne hier. „Wir sind ein bunter Haufen mit spannenden und vielfältigen Lebenswegen.“ Alle drei Auszubildenden im Esszimmer haben auf ungewöhnlichen Pfaden zu ihrem jetzigen Berufsweg gefunden. Vanessa, die sich derzeit im ersten Lehrjahr befindet, hat zuvor eine Ausbildung zur Grafikdesignerin abgeschlossen. Joshua, Auszubildender im zweiten Lehrjahr, hat Soziale Arbeit studiert und war mehrere Jahre als Sozialarbeiter tätig. Linus steckt gerade mitten in seiner praktischen Abschlussprüfung und wird sein zuvor begonnenes Chemiestudium fortsetzen. Dasselbe Muster zeigt sich auch bei den Servicekräften sowie Sarah und Simon, die verschiedenste Dinge gelernt haben und das Esszimmer nun mit breiter Expertise bereichern. Alle drei Auszubildenden machen eine Ausbildung mit Zusatzqualifikation, bei der neben dem handwerklichen Können auch Themen wie Nachhaltigkeit, Teamarbeit, moderne Ernährungskonzepte und betriebswirtschaftliches Denken im Fokus stehen.
Aurorin: Andrea Reck
Fotos: Andy Brüstl
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