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Rund 690.000 Geburten gibt es in Deutschland pro Jahr. Weniger als zwei Drittel der Frauen im Krankenhaus entbinden auf natürlichem Weg. Welches sind die Gründe

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden von 2023 lag die Kaiserschnittrate in Deutschland im Jahr 2021 bei 30,9 Prozent – doppelt so hoch wie 1991. Rund 237 000 Frauen haben im Jahr 2021 per Kaiserschnitt entbunden – damit ist fast jede dritte Geburt in einem Krankenhaus in Deutschland durch einen Kaiserschnitt erfolgt. Über die letzten 30 Jahre betrachtet hat sich der Anteil dieser operativen Eingriffe verdoppelt: Im Jahr 1991 brachten 15,3 Prozent der Frauen ihr Kind mit einer „Sectio caesarea“, wie der Kaiserschnitt im medizinischen Fachjargon genannt wird, auf die Welt. Neben dem Kaiserschnitt gibt es noch weitere, wenn auch seltener angewandte Methoden der Geburtshilfe: Eine Saugglocke wurde bei 6,3 Prozent der Entbindungen 2021 eingesetzt, eine Geburtszange bei 0,2 Prozent der Entbindungen. Insgesamt haben 2021 62,5 Prozent der Frauen im Krankenhaus auf natürlichem Weg entbunden. Dabei gibt es große regionale Unterschiede. Am höchsten war der Anteil der Entbindungen per Kaiserschnitt im Saarland (36,4 %). Baden-Württemberg rangierte auf Platz elf mit 30,3 Prozent .Es folgte Hamburg mit einer Kaiserschnittrate von 34,3 Prozent. Sachsen (26,1 %) hatte hingegen die niedrigste Kaiserschnittrate. 

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In der Biberacher Sana-Klinik kommen pro Jahr rund tausend kleine „Biber“ zur Welt. Wir haben nachgefragt, ob auch hier vermehrt Kaiserschnitte vorgenommen werden. Die Pressesprecherin Anja Wilhelm antwortete: „Tatsächlich können wir das nach Rücksprache mit PD Dr. Dominic Varga, Chefarzt unserer Frauenklinik mit Geburtshilfe, für das Geburtszentrum im Biberacher Klinikum so nicht bestätigen. Wir hatten in 2023 eine Sectiorate von 26,1 Prozent, dieses Jahr bewegen wir uns (Stand heute, 6. November) bei 24,4 Prozent. Damit liegen wir deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 32,6 Prozent in 2023 und verzeichnen auf diesem vergleichsweise niedrigen Niveau nach aktuellem Stand sogar einen leichten Rückgang bei den Kaiserschnitten. Grundsätzlich verfolgen wir im Biberacher Geburtszentrum die Philosophie einer natürlichen, selbstbestimmten und möglichst interventionsarmen Geburt. Die umfassende Unterstützung durch unser erfahrenes Hebammenteam stellt dabei ein besonderes Qualitätsmerkmal dar. So bieten wir neben der interprofessionellen Entbindung unter ärztlicher Leitung seit April dieses Jahres auch die Möglichkeit einer hebammenbegleiteten Geburt im Hebammenkreißsaal. Ergänzt wird dies durch das Konzept des sogenannten HypnoBirthings (vgl. Infokasten), welches seit September durch zertifizierte Hebammen angeboten wird. Als erstes klinisches HypnoBirthing-Zentrum in Deutschland nimmt die Geburtshilfe in Biberach dabei eine Vorreiterrolle ein. Natürlich immer im Hintergrund: Die Leistungen der modernen Medizin, ein eingespieltes Ärzteteam und die entsprechende Medizintechnik. Jede Frau erhält so individuell die für sie beste und sicherste Betreuung.“ 

Obwohl derzeit kein Anstieg der Kaiserschnitte mehr zu verzeichnen ist, übt der Deutsche Hebammenverband Kritik: „Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist lediglich eine Kaiserschnittrate von bis zu zehn Prozent medizinisch notwendig. Kaiserschnitte können Leben retten, aber sie sollten nur im Notfall angewendet werden, da sie Risiken für die Gesundheit von Mutter und Kind bergen. Sehr wenige Schwangere wünschen sich explizit einen Kaiserschnitt – manche Prominente vermitteln dabei medienwirksam die medizinisch nicht notwendige Operation als beste Lösung für Mutter, Kind und Figur. Bei Befragungen von Müttern, die sich freiwillig zu diesem Eingriff entschließen, sind zwei Gründe ausschlaggebend: die Angst vor Schmerzen und die Angst vor Kontrollverlust. Zudem ist der falsche Glaube, ein Kaiserschnitt sei sicherer für die Gebärende und das Kind, weit verbreitet. Zu den möglichen Folgen der Operation für die Mutter gehören jedoch unter anderem Infektionen, Gewebeverletzungen und Wundheilungsstörungen. Studien zeigen außerdem, dass Kinder, die mit einem Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind, ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Allergien und anderen Autoimmunerkrankungen haben.“

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Laut Hebammen-Verband ist in den Kreißsälen oft zu wenig Personal, um sich intensiv um jede Gebärende kümmern zu können. Genügend Zeit für eine individuelle Betreuung von Schwangeren würde jedoch die Angst vor Schmerzen und vor Kontrollverlust nehmen können. „Mittlerweile nimmt durch die hohe Anzahl von Kaiserschnittgeburten zudem das Wissen über die unterschiedlichen Verläufe einer normalen Geburt ab. Heute wird häufig schon bei der kleinsten Abweichung im Geburtsverlauf von Gynäkolog*innen eingegriffen. Es fehlen gültige Standards, wann ein Kaiserschnitt geboten ist. Die Entscheidung über seine Notwendigkeit ist deshalb in vielen Fällen subjektiv. Sie erfolgt auch aus Angst vor Fehlern und möglichen Geburtsschäden“, schreibt der Verband. Und weiter: „Nur weil der Kaiserschnitt als harmlos gilt, ist er dennoch einer normalen Geburt nicht gleichwertig. Er geht schneller und verursacht an einer Stelle Kosten, die man an anderer Stelle für eine bessere Betreuung der Schwangeren einsetzen könnte. Gesundheitlich bringt er in vielen Fällen jedenfalls keinen Nutzen. Ein nicht nötiger Kaiserschnitt birgt sogar mehr Risiken für Mutter und Kind als eine normale Geburt. Es ist nötig, viel zu wissen, um nichts zu tun. Abwarten und begleiten, erst handeln, wenn es geboten ist. Es gilt zu verstehen, dass eine Geburt nicht planbar, nicht normierbar ist und nicht in abgrenzbaren Zeitfenstern verläuft. In der heutigen Gesellschaft ist es für viele Menschen zunehmend schwierig Geschehnissen die Zeit zuzugestehen, welche sie naturgemäß benötigen. Hierzu zählt auch die Dauer der physiologischen Geburt: Der Körper der Frauen und das noch Ungeborene bestimmen den Geburtsvorgang. Manchmal langsam und gemächlich, mit Pausen, ein anderes Mal rasant und überraschend. Beides ist richtig, solange es Mutter und Kind gut dabei geht.“

INFO:

Unter HypnoBirthing versteht man ein Kurs-Konzept zur Vorbereitung auf eine Geburt, die möglichst entspannt, selbstbestimmt und angstfrei ablaufen soll. Frauen lernen mit speziellen Hypnose-Techniken, vor allem Entspannungs- und Atemübungen, sich in einen Zustand tiefer Entspannung zu versetzen. Laut der Gesellschaft für HypnoBirthing gab es 2020 bei Geburten, die mit dieser Methode unterstützt wurden, nur 16,1 Prozent Kaiserschnitte.
 www.hypnobirthing.eu 

Allgemeiner Buchtipp: Das große Gynbuch, Selbstbewusst für den eigenen Körper entscheiden. Sex, Zyklus, Wechseljahre aus weiblicher Sicht neu verstehen. Krankheiten erkennen und therapieren, von Prof. Dr. Mandy Mangler, 2024, 30 €. Die Gynäkologin betreibt auch den Tagesspiegel-Podcast „Gyncast“. 

Autorin: Andrea Reck



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