Skip to main content
Franz Liesch, Gründer und Leiter des Bauernkriegsmusems in Baltringen, führt Besucher durch die Historie, mit der er sich seit langem beschäftigt.

Baltringen – Es dauerte 460 Jahre bis das Gedenken an die Bauernrevolution von 1524/25 einen Ort in Baltringen fand. 1984 zog dort, wo bis dahin das „Leichenwägele“ im Rathaus untergestellt war, die „Erinnerungsstätte Baltringer Haufen“ ein. Schmunzelnd erinnert sich der pensionierte Geschichtslehrer Franz Liesch (76) an die Anfänge – und mit Stolz, denn es war das erste Museum in der alten Bundesrepublik, das sich der Geschichte des Bauernkriegs fortan widmete.

Es war weniger das Bewusstsein über die Bedeutung der besonderen Historie, als vielmehr kommunaler Wettstreit, dass der damalige Kreisarchivar in Biberach Kurt Diemer vor den Überlingern ein Bauernkriegsmuseum aus der Taufe heben wollte, erinnert sich der Gründer des Museums Franz Liesch und erinnert ebenfalls daran, dass das Museum in Überlingen nie entstanden ist. Anders in Baltringen, ein Teilort der Gemeinde Mietingen, wo das kleine Heimatmuseum inzwischen drei Räume im alten Rathaus in Anspruch nimmt, in dem spürbar das Herzblut der „Baltringer Haufen – Freunde der Heimatgeschichte e.V.“ fließt. Die Ausstellung konzentriert sich auf das Wirken des Schmieds und Bauernführers Huldrich (Ulrich) Schmid, der Wortführer des Baltringer Haufens war, und auf dessen Feldschreiber Sebastian Lotzer, Kürschner und Laienprediger in Memmingen, der maßgeblich die Zwölf Artikel verfasste.

ANZEIGE

Was für eine große Geschichte in einem kleinen Dorf. Der will man zum Jubiläum weiter gerecht werden, indem die Bauernrevolution vor 500 Jahren in einer vier Meter hohen Statue in Bronze gegossen auf dem Dorfplatz die gebührende Würdigung erfahren soll. Mit dem Titel „Oberschwaben erhebt sich“ will der Künstler Gerold Jäggle mit seiner „erzählerischen Skulptur“ und der zentralen Forderung nach „Freiheiyt“ den Bogen in die Gegenwart schlagen. Dabei soll die gewundene und spitz zulaufende Skulptur die Dynamik der Geschehnisses vor 500 Jahren zum Ausdruck bringen. Die Spitze schmücken die beiden Hauptakteure Ulrich Schmid und Sebastian Lotzer. Gemeinsam verkörpern sie die Forderungen der Bauern, die Lotzer gestützt auf die Beschwerdebriefe der Bauern und die Bibel zu den welthistorisch bedeutsamen Zwölf Artikeln zusammenfasste.

Jugendlich: Ulrich Schmid, wie ihn der Bildhauer Reinhard Böhling geschaffen hat, posiert seit 1994 in seinem Heimatort Sulmingen.

Wie schon vor 500 Jahren trennen die beiden Dörfer Baltringen und Sulmingen nur zwei Kilometer, ehedem gehörten sie zu unterschiedlichen Herrschaften und heute zu unterschiedlichen Gemeinden. Sulmingen, die Herkunft von Ulrich Schmid, ist Teilort der Gemeinde Maselheim, die bis vor kurzem noch den ersten grünen Bürgermeister der Republik vorweisen konnte. Elmar Braun sorgte schon bald nach seinem Amtsantritt 1991 dafür, dass der Schmied von Sulmingen zumindest als Skulptur, vom Bildhauer Reinhard Böhling geschaffen, ins dörfliche Bewusstsein rückte. Seit 1994 steht ein jugendlich wirkender Ulrich Schmid auf einem Amboss in der Sulminger Ortsmitte, und vermutlich zur Ermutigung stellte sich der grüne Bürgermeister ein Abguss des Schmieds vor sein Amtszimmer im Maselheimer Rathaus. Denn auch der inzwischen pensionierte grüne Bürgermeister Elmar Braun war mal jung und die Grünen hatten revolutionäres Potenzial. Aber auch das ist Geschichte. Stattdessen strich die grün-rote Landesregierung 2016 den Bauernkrieg aus dem Lehrplan, wogegen der Geschichtslehrer Franz Liesch im Namen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bauernkriegsmuseen protestierte und in seinem Schreiben an das Kultusministerium darlegte: „Gerade in Zeiten der Irrungen und Verwirrungen um den hohen Rang von Freiheit, Menschenrechte, Gleichberechtigung und Toleranz, wie wir sie heute erleben, ist das Ringen um eben diese Werte ein fundamentales Thema. Man kann dies nicht dem Thema ‚Französische Revolution‘ allein überlassen. In diesem Sinne darf das Thema Bauernkrieg, beziehungsweise Revolution von 1525, in keinem Bildungsplan fehlen.“ Was bis heute der Fall ist.

ANZEIGE
Zum Jubiläum: Im Auftrag des Baltringer Heimatvereins kreiert der Künstler Gerold Jäggle eine Skulptur mit dem Titel „Oberschwaben erhebt sich“.

Vor wenigen Tagen, am 16. November, tauchte Winfried Kretschmann überraschend zur Eröffnung der Ausstellung „Köpfe im Bauernkrieg 1525“ in der Gemeindehalle in Baltringen auf. Sein Freund Elmar Braun hatte den Ministerpräsidenten im Rahmen eines privaten Besuchs dazu überredet. Und ebenso spontan hielt der ehemalige Lehrer eine Ansprache zu den über 100 Besuchern. Er begann mit der überraschenden Feststellung, dass er sich bisher noch nicht intensiv mit dem Bauernkrieg beschäftigt hätte – trotz Großer Landesausstellung in Stuttgart und Bad Schussenried zum Thema: „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“. Aber um einen Philosophen nie verlegen, zitierte der Landesvater Odo Marquard und dessen Feststellung: „Zukunft braucht Herkunft.“ Franz Liesch stimmte dem zu und war als Gastgeber wohl zu höflich, um den Ministerpräsidenten auf den eklatanten Widerspruch zwischen Philosophie und seiner Politik hinzuweisen. Aber in seinem Protestschreiben zum Lehrplan ohne Bauernkrieg formulierte der Heimatforscher 2015 ganz im Sinne des Philosophen: „Die Revolution von 1525 ist ein gewichtiges Kapitel der Regionalgeschichte und kann das Selbstbewusstsein des Südwestens fördern. Nirgendwo ist die Dichte der Bauernkriegsmuseen so hoch wie im Südwesten. Man kann dabei ständig den Blick schweben lassen auf die Menschenrechte global und in der Menschheitsgeschichte.“ Zukunft braucht Herkunft – und Wissen. Das sollte auch ein Pauker außer Dienstes wissen.

Lesen Sie mehr zum Thema Bauernkrieg unter: https://www.diebildschirmzeitung.de/blix/aktuell/dass-wir-frei-sind-93041/

Autor: Roland Reck



NEUESTE BLIX-BEITRÄGE

BLIX Editorial Dezember 2025

Liebe Leserinnen, liebe Leser, es ist nun doch geschehen, was ich für absolut falsch halte: das Aus für das Biosphärengebiet in Oberschwaben. Das muss ich und alle Befürworter eines solchen Gebiets akzeptieren. Die GemeinderätInnen in Bad Wurzach und Bad Waldsee haben in großer Mehrheit dagegen gestimmt und damit die Initiatoren des Projekts zum Aufgeben gezwungen. 

„Oh, mein Gott, ein Gringo“

Rom / Immenried – Nachdem am frühen Abend des 8. Mai 2025 im Vatikan weißer Rauch aufgestiegen war, lag eine unglaubliche Spannung über dem Petersplatz. Hunderte Fernsehteams und tausende Gläubige warteten darauf, dass der nach nur 24 Stunden Konklave neu gewählte Papst endlich auf der Loggia des Petersdoms erscheint. Wen hatten die in der Sixtinischen Kapelle versammelten Kardinäle so rasch zum Nachfolger des wenige Tage zuvor in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore beigesetzten Papst…

Ein Nachruf: Vom Paulus zum Saulus

„A scheene Leich“ ist, wenn Angehörige, Verwandt-schaft, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Bekannte, darunter auch Kontrahenten, die den Verstorbenen liebten und wertschätzten und ihm die letzte Ehre erweisen, indem sie an seinem Grab zusammenkommen und ihm beim anschließendem Leichenschmaus gedenken: auf dass er unvergessen in ihrer Mitte bleibt und in seinem Erbe fortlebt. Das ist beim vorzeitigen Tod des Biosphärengebietes Oberschwaben nicht der Fall. Es wurde abgewürgt und in die Gruft gest…

500 Jahre Bauernkrieg: Was bleibt?

Das Jahr des Erinnerns an die Geschehnisse vor 500 Jahren, als die Bauern in Oberschwaben und vielerorts gewaltsam gegen ihre Unterdrückung rebellierten, geht zu Ende. Die Große Landesausstellung 2025 „Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ in Bad Schussenried wurde von rund 36.000 Besucherinnen und Besuchern gesehen. BLIX sprach mit dem Historiker und ehemaligen Archivar im Landkreis Sigmaringen Dr. Edwin Ernst Weber über das außergewöhnliche Gedenkjahr. Weber ist vielfacher A…

Kult(ur)gebäck

Weihnachtsgebäck hat eine jahrhundertealte Geschichte. Schon seit dem Mittelalter gibt es in Europa allerlei Leckereien zur Weihnachtszeit. Damals waren es vor allem Gewürzgebäck und einfache Brote, die mit Honig und Nüssen verfeinert wurden. Heute gibt es eine riesige Vielfalt – oft generationenübergreifend. 

„Die Meisten wollen Nachschlag“

Biberach – Zusammen einen Teller Suppe löffeln und dabei Gemeinschaft erleben, lässt sich während des Winterhalbjahrs im Stadtteilhaus Gaisental. Die Aktion „Suppenglück“ wärmt bereits im fünften Jahr Herz und Magen. 

„Ich wollte diese schrägen Vögel“

Biberach – Kunst der 1970er Jahre in Oberschwaben präsentiert das Museum Biberach seit dem 21. November in der Ausstellung „Time is on my side“. Höchst überraschend und sehr sehenswert. 

Leitung mit Leidenschaft

Biberach – In den vergangenen Jahren erlebten die Biberacher Filmfestspiele mehr Tiefen als Höhen. Seit dem letzten Jahr erfährt das Festival aber eine positive Weiterentwicklung. Ein gelungener Auftakt für die neue Vorsitzende Carolin Bock.

Im Alter online

Senioren können mit digitalen Medien nicht umgehen? Das stimmt nicht generell, wie eine neue Studie belegt. Zudem gibt es Unterstützung von vielen Seiten. Nicht nur von den Enkeln.

Nur noch neun Monate

Na endlich. Geht doch. Schwanger! Juhu! Sie haben einen positiven Schwangerschaftstest? Es darf gefeiert werden. Natürlich ohne Alkohol. Rauchen ist ebenso tabu. Die Gefühle schlagen Purzelbäume und Frau darf sich erst mal freuen. Und dann, was ist zu erledigen?

Wenig Licht macht dick

Sobald die Tage kürzer werden, können Dunkelheit und Kälte ganz schön auf die Stimmung drücken. Spezielle Tageslichtlampen und Lichttherapien sollen dabei helfen, aus dem Winterblues wieder heraus zu kommen.

Leserbriefe BLIX Dezember 2025

Auch im November erreichten uns wieder viele Leserbriefe. Vor allem das Thema Biosphärengebiet stand bei den zahlreichen Zuschriften im Fokus.

Neu im Kino: Avatar: Fire And Ash

Ganze 16 Jahre ist es her, dass James Cameron uns zum ersten Mal nach Pandora entführt hat. Die faszinierende Welt der Na’vi begeisterte damals Millionen Menschen rund um den Globus und löste eine Renaissance des 3D Kinos aus. Am 17. Dezember startet nun mit „Avatar: Fire And Ash“ bereits der dritte Teil der erfolgreichsten Sci-Fi-Saga des 21. Jahrhunderts in den deutschen Kinos.

Making Of: Spaceballs 2 (2027)

Für welchen heiss erwarteten Blockbuster haben die Dreharbeiten gerade begonnen? Wurde eine berühmte Comicbook-Figur mit einem neuem Schauspieler umbesetzt? In unserer neuen Kino-Rubrik “Making Of” verraten wir worauf sich Cineasten und Superhelden-Fans gleichermaßen freuen dürfen. Wir blicken hinter die Kulissen der kommenden Kassenschlager und wagen eine Erfolgs-Prognose.

Filmpreview: Stromberg – Wieder alles wie immer

Vor 20 Jahren lernte Deutschland Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) und sein Team von der Schadensregulierung der CAPITOL-Versicherung kennen. Damals gab es noch nichts Veganes in der Kantine, Mobbing war Breitensport im Büro und Bernd Stromberg sagte: „Ich respektiere Frauen… in der Regel“. Seither hat sich die Arbeitswelt enorm verändert. Bernd Stromberg auch?

ANZEIGEN

BLIX-NEWSLETTER

VERANSTALTUNGEN

ALLGÄU-OBERSCHWABEN

Leutkirch  – Am Samstag, 6. Dezember, gastiert das Landestheater Schwaben um 19.30 Uhr mit der musikalische…
Bad Wurzach – Der Kreistag hat am 4. Dezember beschlossen, dass die Bahn und das Land gemeinsam mit finanzieller Unte…
Ravensburg – Für die Ravensburg Towerstars stehen am kommenden Wochenende zwei anspruchsvolle Bewährungsproben auf de…
Wolfegg – Drei Tage lang lädt das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben in Wolfegg zum Adventsmarkt ein. Auch dieses …
Wolfegg – Es sind Momente, die selbst in der langen Geschichte der Sozialdemokratie äußerst selten sind: Ein Mitglied…