Skip to main content
Symptomatisch: Der Wegweiser „Zur Burgschänke“ in der Bachritterburg ist mit einer Plastikplane wetterfest verhüllt. Aber ohne Speiß & Trank fehlen die Besucher und ohne Besucher findet sich kein Wirt. Foto: Reck

Kanzach – Die Zielgruppe ist da trotz zeifelhafter Wetterlage. Viele Kinder, die auf dem Spielplatz toben, und ihre Eltern, die selbstgemachte Leckereien aufgetischt haben. Ein Familienevent am Samstagnachmittag, direkt neben der Bachritterburg. Die verschlossen ist: das Holztor ist verriegelt, die Holzpalisaden sind spitz und abwehrend. Dahinter verbirgt sich ein historisches Kleinod aus dem Mittelalter, das vor über 20 Jahren als Kulturangebot und Ausflugsziel für die ganze Familie errichtet wurde und heute meist nur noch Wind und Wetter ausgesetzt ist. Es droht der Verfall – nicht schon morgen, aber wie es weitergehen soll, weiß niemand. Auf der Suche nach Rettung.

Die Bachritterburg, ein Replik einer Holzburg des niederen Adels im 14. Jahrhundert. Das Original soll einst Brandstiftern aus Buchau zum Opfer gefallen sein. Jahrhunderte später kam die EU und bot viel Geld, um im ländlichen Raum Leuchttürme zu schaffen. Und in Kanzach, dem 500-Seelen-Nest, nutzte man den Geldsegen und baute mit zwei Millionen und großer Akribie die alte Burg neu. Das Rieddach war kaum gedeckt, titelte der SPIEGEL im weit entfernten Hamburg „Tödliche Küsse“ und beschied im Juni 2005 gleich zu Beginn: „Es gibt viele Möglichkeiten, eine kleine Gemeinde in die roten Zahlen zu treiben – aber kaum eine originellere Methode als im baden-württembergischen Kanzach. Im vergangenen Jahr stellte die Kommune eine neue Ritterburg fertig, 50 Meter lang, 16 Meter hoch, über zwei Millionen Euro teuer. Es ist eine Rekonstruktion aus Holz, die Freizeitritter locken soll.“ Und für Bürgermeister Rudolf Obert klang es wie Spott, wenn die Journaille aus dem Norden feststellte. „Das Problem mit dem Geldsegen: Die 15 Prozent, die die Gemeinde selbst beisteuern musste, brachten dem einst schuldenfreien Dorf rund 300 000 Euro Miese.“ Das hätte sich vielleicht noch meistern lassen, wenn der Betrieb sich gerechnet und die Besucherzahlen gepasst hätten. Die lagen aber immer unterm Limit – mal mehr, mal weniger –, räumt der schon längst im Ruhestand befindliche Bürgermeister gegenüber BLIX ein. Der ehrenamtliche Bürgermeister war mit viel Herzblut dabei, und als er aus dem Amt schied, übernahm er den Vorsitz des Fördervereins der Freunde der Bachritterburg, die hoch motiviert Leben in die Burg brachten: mit Speiß & Trank von den Landfrauen und Living-Historie-Gruppen aus nah und fern, die daraus für sich einen „Hotspot“ machten. Die Bachritterburg war nicht Disney, sondern „wissenschaftlich ambitioniert“, auch das bemerkte der SPIEGEL, „nur leider völlig abgelegen“. Nun ja, von Kanzach, zwischen Bad Buchau und Riedlingen gelegen und betrachtet, ist Hamburg auch „völlig abgelegen“. Aber Fakt ist: Was vor der Seuche nicht zum Überlegen reichte, ist nach der Seuche vom Tod bedroht. Corona alleine ist nicht Schuld daran. Es wechselte der Bürgermeister, Rudolf Obert, der Vater des Kindes, verabschiedete sich endgültig, aber das Dilemma blieb, und die Ratlosigkeit zehrte am Engagement.

ANZEIGE

Das Familienevent hätte ja auch in der Bachritterburg stattfinden können, doch die ist während der Saison nur an einem Wochenende im Monat geöffnet und selbst dann wird kein Eintritt genommen – es fehlt schlicht am (ehrenamtlichen) Personal. „Manpower“ ist auch bei der dringenden Reparatur der Rieddächer gefragt, aber das ist Arbeit für Profis, die von der Ostsee anreisen. Der Auftrag sei vergeben, lässt Klaus Schultheiß, der Bürgermeister, wissen. Kostenpunkt: rund 20.000 Euro, davon steuere die Hälfte der Förderverein bei, lässt dessen Vorsitzende Helmut Wuttge wissen, der ob der Situation deprimiert klingt. Die Burg aus dem Mittelalter kostet die kleine Gemeinde ohne viel Gewerbesteuereinnahmen 40.000 Euro Abmangel jährlich, erklärt der Schultes widerwillig und verweist bei Fragen nach Ideen und Konzepte auf seine Teilzeit-Mitarbeiterin aus dem Federseemuseum in Bad Buchau. Aber dort hat man genug eigene Probleme und für Rezepturen für die siechen Nachbarn fühlt man sich auch nicht zuständig.

Nicht anders im Landratsamt Biberach, wo Jürgen Kniep, promovierter Historiker, das Kreiskulturamt und Kreisarchiv leitet. Er winkt ab bei der Frage nach Knete. 512 Euro erhalten die Burgherren aus dem Kreissäckel und keinen Euro mehr. Es ist pure Symbolik und keine Hilfe, daran ändert auch sein Hohelied auf die „kommunale Familie“ nichts, die nach familiärer Hilfe klingt, aber davon hält der Kreistag nichts, denn wo anfangen und wo aufhören? Jedes Museum habe finanzielle Schwierigkeiten, weiß Kniep: „Kultur kostet unsagbar viel Geld.“

ANZEIGE

Es gibt, so scheint es, am Ende drei Optionen:

1. Man findet einen emsigen Gastronomen, der die Burgschänke wieder anfeuert und Unterhaltung bietet, um die Besucher zu locken, dafür Geld auszugeben und auch wiederzukommen. Denn ohne Fress und Suff läuft nichts, darin ist man sich einig. Aber dieser Wirtsteufel wurde bisher nicht gefunden, trotz unermüdlicher Suche, behauptet der Schultes. Immerhin!

2. Wenn kein Wirt und auch keine Wirtin zu finden sind, dann vielleicht ein Käufer, der seine Schatzkiste mitbringt, um die sagenhafte historische Kulisse mit Ideen und Leben zu füllen, ganz nach seinen eigenen Interessen und finanziellen Absichten. Als Geschäft hätte der Gemeindekämmerer jährlich 40.000 Euro weniger Schulden zu beklagen. Immerhin! 

3. Oder es geht weiter wie bisher. Die Burg dämmert weiter im Dornröschenschlaf, wird darüber älter und baufälliger und schließlich zu Staub. Rudolf Obert, der Burgvater, mag sich das nicht vorstellen. Mit trotzigem Humor verweist er auf die Qualität der Burg, die sei aus Eichenholz und das halte noch 500 Jahre, dann gedenkt man wieder dem mittelalterlichen Bauernkrieg, und vielleicht erinnert man sich dann auch rechtzeitig an die mittelalterliche Bachritterburg im Unterschied zum 500-jährigen Gedenken, als über diese Historie nur in BLIX zu lesen war. Immerhin!

Autor: Roland Reck



NEUESTE BLIX-BEITRÄGE

BLIX Editorial Dezember 2025

Liebe Leserinnen, liebe Leser, es ist nun doch geschehen, was ich für absolut falsch halte: das Aus für das Biosphärengebiet in Oberschwaben. Das muss ich und alle Befürworter eines solchen Gebiets akzeptieren. Die GemeinderätInnen in Bad Wurzach und Bad Waldsee haben in großer Mehrheit dagegen gestimmt und damit die Initiatoren des Projekts zum Aufgeben gezwungen. 

„Oh, mein Gott, ein Gringo“

Rom / Immenried – Nachdem am frühen Abend des 8. Mai 2025 im Vatikan weißer Rauch aufgestiegen war, lag eine unglaubliche Spannung über dem Petersplatz. Hunderte Fernsehteams und tausende Gläubige warteten darauf, dass der nach nur 24 Stunden Konklave neu gewählte Papst endlich auf der Loggia des Petersdoms erscheint. Wen hatten die in der Sixtinischen Kapelle versammelten Kardinäle so rasch zum Nachfolger des wenige Tage zuvor in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore beigesetzten Papst…

Ein Nachruf: Vom Paulus zum Saulus

„A scheene Leich“ ist, wenn Angehörige, Verwandt-schaft, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Bekannte, darunter auch Kontrahenten, die den Verstorbenen liebten und wertschätzten und ihm die letzte Ehre erweisen, indem sie an seinem Grab zusammenkommen und ihm beim anschließendem Leichenschmaus gedenken: auf dass er unvergessen in ihrer Mitte bleibt und in seinem Erbe fortlebt. Das ist beim vorzeitigen Tod des Biosphärengebietes Oberschwaben nicht der Fall. Es wurde abgewürgt und in die Gruft gest…

500 Jahre Bauernkrieg: Was bleibt?

Das Jahr des Erinnerns an die Geschehnisse vor 500 Jahren, als die Bauern in Oberschwaben und vielerorts gewaltsam gegen ihre Unterdrückung rebellierten, geht zu Ende. Die Große Landesausstellung 2025 „Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ in Bad Schussenried wurde von rund 36.000 Besucherinnen und Besuchern gesehen. BLIX sprach mit dem Historiker und ehemaligen Archivar im Landkreis Sigmaringen Dr. Edwin Ernst Weber über das außergewöhnliche Gedenkjahr. Weber ist vielfacher A…

Kult(ur)gebäck

Weihnachtsgebäck hat eine jahrhundertealte Geschichte. Schon seit dem Mittelalter gibt es in Europa allerlei Leckereien zur Weihnachtszeit. Damals waren es vor allem Gewürzgebäck und einfache Brote, die mit Honig und Nüssen verfeinert wurden. Heute gibt es eine riesige Vielfalt – oft generationenübergreifend. 

„Die Meisten wollen Nachschlag“

Biberach – Zusammen einen Teller Suppe löffeln und dabei Gemeinschaft erleben, lässt sich während des Winterhalbjahrs im Stadtteilhaus Gaisental. Die Aktion „Suppenglück“ wärmt bereits im fünften Jahr Herz und Magen. 

„Ich wollte diese schrägen Vögel“

Biberach – Kunst der 1970er Jahre in Oberschwaben präsentiert das Museum Biberach seit dem 21. November in der Ausstellung „Time is on my side“. Höchst überraschend und sehr sehenswert. 

Leitung mit Leidenschaft

Biberach – In den vergangenen Jahren erlebten die Biberacher Filmfestspiele mehr Tiefen als Höhen. Seit dem letzten Jahr erfährt das Festival aber eine positive Weiterentwicklung. Ein gelungener Auftakt für die neue Vorsitzende Carolin Bock.

Im Alter online

Senioren können mit digitalen Medien nicht umgehen? Das stimmt nicht generell, wie eine neue Studie belegt. Zudem gibt es Unterstützung von vielen Seiten. Nicht nur von den Enkeln.

Nur noch neun Monate

Na endlich. Geht doch. Schwanger! Juhu! Sie haben einen positiven Schwangerschaftstest? Es darf gefeiert werden. Natürlich ohne Alkohol. Rauchen ist ebenso tabu. Die Gefühle schlagen Purzelbäume und Frau darf sich erst mal freuen. Und dann, was ist zu erledigen?

Wenig Licht macht dick

Sobald die Tage kürzer werden, können Dunkelheit und Kälte ganz schön auf die Stimmung drücken. Spezielle Tageslichtlampen und Lichttherapien sollen dabei helfen, aus dem Winterblues wieder heraus zu kommen.

Leserbriefe BLIX Dezember 2025

Auch im November erreichten uns wieder viele Leserbriefe. Vor allem das Thema Biosphärengebiet stand bei den zahlreichen Zuschriften im Fokus.

Neu im Kino: Avatar: Fire And Ash

Ganze 16 Jahre ist es her, dass James Cameron uns zum ersten Mal nach Pandora entführt hat. Die faszinierende Welt der Na’vi begeisterte damals Millionen Menschen rund um den Globus und löste eine Renaissance des 3D Kinos aus. Am 17. Dezember startet nun mit „Avatar: Fire And Ash“ bereits der dritte Teil der erfolgreichsten Sci-Fi-Saga des 21. Jahrhunderts in den deutschen Kinos.

Making Of: Spaceballs 2 (2027)

Für welchen heiss erwarteten Blockbuster haben die Dreharbeiten gerade begonnen? Wurde eine berühmte Comicbook-Figur mit einem neuem Schauspieler umbesetzt? In unserer neuen Kino-Rubrik “Making Of” verraten wir worauf sich Cineasten und Superhelden-Fans gleichermaßen freuen dürfen. Wir blicken hinter die Kulissen der kommenden Kassenschlager und wagen eine Erfolgs-Prognose.

Filmpreview: Stromberg – Wieder alles wie immer

Vor 20 Jahren lernte Deutschland Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) und sein Team von der Schadensregulierung der CAPITOL-Versicherung kennen. Damals gab es noch nichts Veganes in der Kantine, Mobbing war Breitensport im Büro und Bernd Stromberg sagte: „Ich respektiere Frauen… in der Regel“. Seither hat sich die Arbeitswelt enorm verändert. Bernd Stromberg auch?

ANZEIGEN

BLIX-NEWSLETTER

VERANSTALTUNGEN

ALLGÄU-OBERSCHWABEN

Steinhausen a. d. Rottum – Unser Reporter Hans Reichert hat bei einer Treibjagd mitgemacht. Als Treiber, nicht als Jä…
Ravensburg – Unter allen bisherigen Niederlagen in dieser Saison dürfte diese am Freitagabend in Weißwasser die wohl …
Augsburg / Leutkirch (rei) – Große Ehre und Anerkennung für Erwin Roth: Der in Ausnang lebende Künstler und Restaurat…
Bad Waldsee – Am 2. Dezember wurde in Bad Waldsee der Kreisverband der WerteUnion Biberach/Ravensburg gegründet. Nach…
Mitteilung der Grünen Fraktion im Kreistag

Kritik an der Absenkung der Wohnraum-Bemessungsgrenze

Die Grüne Fraktion im Kreistag des Landkreis Ravensburg kritisiert den mehrheitlichen Beschluss des Sozialausschusses…