Wolfegg / Bad Schussenried – An dem Thema kommt man in diesem Jahr nicht vorbei: 500 Jahre Bauernkrieg. Also war klar, das Shooting mit Roland Roth, den viele als Role kennen, der das Wetter macht, muss diese Historie einfangen. Das Bauernhausmuseum in Wolfegg bietet dafür die ideale Location, schließlich gibt es dort in der Zehntscheuer eine aktuelle Ausstellung zum blutigen Geschehen anno 1525, und das imponierende Gebäude aus Stein und Fachwerk ist selbst Zeitzeugin. Die Scheuer befand sich vor 500 Jahren noch im Kloster Weißenau und diente den Mönchen als Speicher für das Getreide, das sie von den Bauern als Zehnten eintrieben. Nun findet sich dort eine Ausstellung, die den Fokus auf das Leben der Bauern vor 500 Jahren richtet und der Frage nachgeht, was die Landmänner bewegt hat, Hof und Familie zu verlassen, um in den Kampf gegen ihre Grundherren zu ziehen, von denen sie sich immer mehr ausgebeutet gefühlt haben. Es war Gerechtigkeit und Freiheit, die sie mit der Bibel in der Hand einforderten. Und scheiterten. Roland Roth verkörpert beim Fotoshooting einen Bauern, der mit seiner Hellebarde in den Kampf zieht. Die annähernd originalgetreue Kleidung und Waffe erhielt der Wetterexperte aus dem Fundus des Vereins Baltringer Haufen, der sich in dem historischen Ort und seinem Museum intensiv um das Andenken an die Bauern vor 500 Jahren bemüht. Vielen Dank!
Herr Roth, beginnen wir positiv: Ihre Herzensangelegenheit, die Eintracht Frankfurt, startet hinter Bayern und Leverkusen vom 3. Platz in die neue Saison und spielt damit auch europäisch in der Königsklasse. Und Toppmöller bleibt Tainer. Also beste Aussichten? Was erwarten Sie von Ihrer Eintracht?
Erstmals in der Vereinsgeschichte die direkte Qualifikation für die Champions League, vor dem BVB, wow! Hätte ich nicht gedacht, erst recht nicht nach dem Abgang von Omar Marmoush zur Winterpause. Habe darauf auch einige Wetten abgeschlossen und allesamt verloren. Schee! Obwohl ich von Trainer Toppmöller nicht so angetan bin, muss ich konstatieren, dass er auf jeden Fall erfolgreiche Arbeit leistet und gute Ergebnisse abliefert.
Bleiben wir bei den Herzensangelegenheiten. Der Umbau und die deutliche Erweiterung der Wetterzentrale in Bad Schussenried ist abgeschlossen. Was hat sich verändert und verbessert?
Finanziell haben wir uns ja seit jeher am Abgrund bewegt. Nach dem kostenintensiven Um- und Ausbau der Wetterzentrale sind wir aber einen Schritt weiter. Deshalb haben wir ja auch vor längerer Zeit einen Spende-Button auf unserer Internetpräsenz (7 Millionen User/Jahr) eingerichtet und hoffen, dass der noch mehr genutzt wird. Allerbesten Dank an all die Unterstützer! Und es gibt auch Firmen, welche mit ihrer Werbepartnerschaft unsere Arbeit wertschätzen und einen erheblichen Beitrag zum Fortbestand unserer Wetterorganisation leisten. Ohne die und meine Vortragstätigkeit, die einen größeren Teil unseres Abmangels ausgleicht, hätten wir den Betrieb wohl längst einstellen müssen.
Mit Achim Dempel und Florian Glückler haben wir tatkräftige, zuverlässige und kompetente Unterstützung für unser Vorhersage-Team erhalten und mit Karin Cieslikowski, der ersten weiblichen Mitarbeiterin seit Zita Békés, bekommen wir demnächst weitere Verstärkung im Vorhersagedienst der Wetterwarte Süd. Dafür großen Dank auch an Karl Neher, und unseren Webmaster Harry Werner für deren Einarbeitung und den technischen Support. Wir suchen allerdings immer noch eine ‚Wetterfachkraft‘, die vor allem tagsüber ‚freischaffend‘ einspringen kann.
Sie können jetzt das Wettergeschehen aus Ihrem Dachstudio direkt am Himmel verfolgen. Was sehen Sie nun besser? Und können Sie überhaupt mehr sehen, als der Experte Computer schon weiß?
Durch diese Beobachtungsplattform erhofften wir uns eine Feinjustierung und Präzisierung der kurzfristigen Vorhersagen und Warnungen, was besonders den Organisatoren der im Sommerhalbjahr zahlreich stattfindenden Freiluftveranstaltungen zugutekommen sollte. Wir haben von dort oben die Möglichkeit, das Echtzeitwetter, den Aufzug und die Entwicklung der Wetterfronten und Cumulonimben (Gewitter) detailgenau zu verfolgen und mit den Radarbildern und computergenerierten Informationen zu vergleichen. Wir erwarteten damit eine Präzisierung unserer Prognosen um zehn bis zwanzig Prozent. Und dies hat sich nach den ersten zwei Jahren seit Inbetriebnahme des Höhenstudios bestätigt. Aber ob damit auch das Wetter besser wird, sei dahingestellt.

Die Wettervorhersagen basieren auf viele, viele Daten. Ideales Futter für die KI, die Künstliche Intelligenz. Wird ‚das Superhirn‘ Ihr Nachfolger? Und ist es womöglich schon jetzt Ihr genialer Assistent im Hintergrund?
Für uns ist die KI (noch) kein Thema. Trotz des ganzen, teils unbedachten und unreflektierten Hypes um sie, kann sie den menschlichen ‚Input‘ und die Erfahrung der Wetterfachleute derzeit nicht ersetzen. Selbst die recht ‚ausgereiften‘ Wettermodelle kommen mit der Energie des Klimawandels nicht klar. Er zeigt diesen Computerberechnungen und damit auch uns Wetterkundlern öfters mal die Grenzen auf.
Und gestatten Sie mir noch eine ganz persönliche Anmerkung. Wetter ist per se chaotisch und grenzenlos, hin und wieder überbordend und zügellos, gewürzt mit einer Brise Anarchie. Für jemanden wie mich faszinierend und liebenswert. Damit sind Prognosen allerdings nicht selten der zwar ehrenwerte, doch vergebliche Versuch, etwas ausgesprochen Unberechenbares vorhersagbar zu machen. Wetter lehrt Demut.
Dann lassen Sie uns endlich über das Wetter reden. Wie lautet Ihre Zusammenfassung der ersten beiden Quartale? Wie lautet Ihr Fazit zur Jahreshälfte?
Auf einen Winter, der keiner war, folgte ein überwiegend warmes, auffallend trockenes und ausgesprochen sonnenscheinreiches Frühjahr. Anfang Mai zeichnete sich ab, dass uns ein energiegeladener Sommer bevorstehen würde, denn die Wassertemperaturen der Meere lagen um die drei Grad über den sonst üblichen Werten. Damit gab es mehr Wasserdampf und Energie in der Atmosphäre. Die ‚eingefahrene‘ Großwetterlage in diesem Frühjahr und Frühsommer ist kein zufälliges Ereignis. Der Jetstream, Motor und Antriebskraft unseres Wettergeschehens, gerät durch den Klimawandel häufiger ins Stottern oder stellt mitunter vollkommen ab. Damit können sich Hochs, aber auch Tiefs über längere Zeit hinweg einnisten. Das fehlende Nass von oben war ein Grund für die Trockenheit, doch auch die intensive Sonnenscheinstrahlung, die trockene Luft und der beinahe permanent wehende Wind haben zu der Dürre beigetragen. Lange Zeit lag der Bodenseepegel nur noch wenige Zentimeter über den historischen Tiefstständen für diese Jahreszeit. Bäche und Flüsse führten extremes Niedrigwasser, weshalb zahlreiche Landkreise ein Wasserentnahmeverbot für öffentliche Gewässer aussprechen mussten. Erst in der letzten Juli-Dekade sorgten kräftige Regengüsse für eine Entspannung der ‚Wassernot‘ und Nordseeluft für moderate Temperaturen. Wobei es manchen schon wieder zu kühl war.

Wie passt Ihre Bilanz zum Klimageschehen?
Im Vergleich zur Referenzperiode 1991 bis 2020 war dieser Juni dreieinhalb Grad zu warm, selbst in Zeiten des Klimawandels eine ganz beachtliche Abweichung. Man hat sich, jüngere Menschen ohnehin, zwar an solche Sommer mit subtropischen Phasen gewöhnt, doch für mitteleuropäische Verhältnisse sind sie völlig untypisch. Früher einmal waren sie den deutschen Mittelmeerdestinationen vorbehalten. Mittlerweile prägen sie zunehmend auch die Klimabedingungen hierzulande. So schön solche sein mögen, Hitze und Trockenheit werden vermehrt zum Problem. Nicht immer, aber immer öfters. 2025 wird voraussichtlich das dritte Jahr in Folge, in dem wir das Ziel des Pariser Klimaabkommens reißen werden, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Und im Alpenvorland nähern wir uns sogar bereits der Drei-Grad-Marke und dies innerhalb von lediglich 50 Jahren. In der Nacheiszeit hat die Natur dafür 5000 Jahre benötigt.
Am meisten Sorgen bereiten mir die dadurch hervorgerufenen Kipppunkte (Points of no return), also Veränderungen, die vom Menschen angestoßen wurden und sich nach dem Dominoeffekt ohne weiteres Zutun verstärken. Am Rückgang der Eisbedeckung lässt sich dieser Selbstverstärkungsprozess am besten veranschaulichen. Eis reflektiert die Wärmeeinstrahlung. Verschwindet es, kommt nacktes Gestein oder dunkler Boden zum Vorschein, der die Wärme aufnimmt und damit das Abschmelzen des Eises verstärkt.
Die Klimakrise, so scheint es, interessiert kaum mehr. Die neue Regierung ignoriert sie, die Milliarden fließen in die ‚Kriegstüchtigkeit‘ nicht in den Klimaschutz und niemand regt sich auf. Sie halten viele Vorträge übers Wetter und das Klima vor ganz unterschiedlichem Publikum. Welche Erfahrungen machen Sie dabei?

Die Autos werden immer breiter, das Interesse am Klimawandel immer geringer. Alle sind für den Schutz des Klimas, doch im konkreten Handeln sieht es mau aus, sei es aus Gedankenlosigkeit oder reiner Bequemlichkeit. Zu meinen Vorträgen kommen überwiegend Menschen, welche sich der Problematik bewusst sind und auch entsprechend handeln. Eine klimafreundliche Lebensweise ist ein Genuss mit Mehrwert. Man müsste aber die Leute erreichen, welche nach dem Motto leben: ‚Nach mir die Sintflut‘. Vielen Menschen, allen voran den Klimaschwurblern, scheint nicht bewusst zu sein, wie weit die Klimaveränderung bereits fortgeschritten ist und welche Dynamik er in den letzten Jahren entwickelt hat. Ganz offensichtlich auch unserem Bundeskanzler nicht, wie seine jüngsten Ausführungen dazu gezeigt haben. Der Klimawandel ist schneller als jede Planung. Beispiel: Wolfentaldamm bei Biberach, der im Vorjahr, kurz nach seiner Fertigstellung, die Stadt vor massiven Überflutungen geschützt hat. Geplant für ein 100-jährliches Hochwasser plus Klimazuschlag kam er bei seiner ersten Bewährungsprobe bereits an seine Grenzen.
Nachdem ich nun seit beinahe fünfzig Jahren weit mehr als 1000 Vorträge gehalten habe, zu dieser für mich neben der kriegerischen und atomaren Bedrohung größten Herausforderung der Menschheitsgeschichte, überlege ich mir ernsthaft, meine Vortragstätigkeit zum Klimawandel einzustellen und nur noch das Programm ‚Der tägliche Wetterbericht am Himmel‘ – eine informativ-unterhaltsame, vergnüglich-heitere Reise durch die Wetterwelt anzubieten. Die Menschen wollen nicht mit besorgniserregenden Fakten konfrontiert werden, die Leute wollen bespaßt werden. Doch der Klimawandel duldet keinen seicht-billigen Mainstream. Phrasen wie ‚Das Problem werden wir technisch irgendwie lösen‘ oder ‚Das gab es schon immer‘ sind ein Blankoscheck fürs Nichtstun und werden dessen Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit nicht gerecht.
Machen wir einen Zeitsprung ins ausgehende Mittelalter. Im Frühjahr vor 500 Jahren tobte der Bauernkrieg hierzulande. Die Bauern lehnten sich gegen ihre Grundherren auf und forderten Gerechtigkeit. Vergeblich. Die Große Landesausstellung in Bad Schussenried und die im Bauernhausmuseum in Wolfegg würdigen die Historie. Eine zentrale Frage lautet: Warum rebellierten die Bauern massenhaft im Frühjahr 1525?
Für Bauern ist das Wetter existenziell, klimatische Veränderungen betreffen sie besonders und zwingen sie zum Handeln. Wie muss man sich das Wetter und das Klima vor 500 Jahren vorstellen und wie hat sich Beides seitdem verändert?
Vor ca. 500 Jahren begann die ‚Kleine Eiszeit‘, eine deutliche Temperaturdelle, in der die Gletscher in den Alpen bis in die Talschaften vorstießen. 1529 wurden die Arbeiten am halbfertigen Ulmer Münster eingestellt, weil die Kirchenoberen einsehen mussten, dass sie aufgrund der sich verschlechternden Klimabedingungen von ihren hörigen Bauern nicht mehr die Fronarbeit in dem bislang gewohnten Umfang einfordern konnten. Wobei gewiss auch andere Faktoren ein Rolle spielten. Der Bauernkrieg war keine Hungerrevolte. Das Klima ist ständig im Wandel, entscheidend ist das Tempo. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts mussten Bauern in Fronarbeit am Feldberg, dem mit 1493 Meter höchsten Erhebung Baden-Württembergs, sommerliche Firnfelder abtragen, um eine Vergletscherung des Bergrückens zu verhindern. Damals hätte man im Hochsommer auf dem Firnschnee rodeln können. Heute ist dies in manchen Jahren im Hochwinter und selbst mit Unterstützung der Schneekanonen nicht mehr möglich.

Es ging vor 500 Jahren auch um die gerechte Nutzung von Ressourcen und deren Schutz. Und darum geht es immer noch. Das Biosphärenkonzept wird aktuell heftig diskutiert. Zentraler Inhalt: In einem Biosphärengebiet soll der Mensch im Einklang mit Natur und Umwelt leben – und wirtschaften! Ob Oberschwaben zum Biosphärengebiet wird, darüber entscheiden die GemeinderätInnen in jeder Gemeinde für sich, ganz demokratisch. Dagegen protestieren der Adel, darunter auch die Nachkommen des ‚Bauernjörg‘, der einst zig-tausende Bauern massakriert hat, und der Bauernverband: Seit‘ an Seit‘. Gemeinsam fürchten die Landeigentümer bürokratische Fremdbestimmung. Was sagen Sie als ‚Bauer ehrenhalber‘ dazu, gibt es dazu eine Bauernregel?
Freiheit ist das höchste Gut eines Menschen und die bürokratische Gängelung in diesem Land ist unerträglich, weshalb ich auch immer wieder liebend gerne und ganz bewusst gegen solche amtlichen ‚Vorgaben‘ verstoße. Doch wenn diese Argumente vor allem dem Eigennutz dienen, dann wird’s mir übel.
Zum guten Schluss: Herr Roth, wie wird das Wetter? Bitte für die nächsten sechs Wochen. Oder soll ich die KI fragen? Danke fürs Gespräch!
Fakt ist, die Tage werden für alle wahrnehmbar bereits wieder kürzer und damit lässt auch die Kraft der Sonneneinstrahlung nach. Die statistisch gesehen wärmste Zeit des Jahres, die Hundstage, welche wechselhaft und unterkühlt begonnen haben, endet erst am 23. August und bis dahin dürfte es noch richtig heiße Tage geben. Selbst im September hat man in den letzten Jahren des Öfteren Hitzetage mit 30 Grad und mehr verzeichnet, vor zwei Jahren sogar deren fünf! Der Sommer, der Ende Juli, zeitweilig auf Tauchstation ging und eine Pause eingelegt hat, nimmt sicher nochmals Fahrt auf. Aber schau‘n mer mal, hätte Franz, der Beckenbauer gesagt.
Autor: Roland Reck
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