Oberschwaben – Ich bin gewarnt. Die „Allianz für Allgäu-Oberschwaben“ richtet einen „kritischen Appell an die regionale Wirtschaft … ganz unabhängig von der Größe oder Branche Ihres Betriebs“. Also auch an mich als Kleinunternehmer. In einem zweiseitigen Schreiben, das mich per Post noch vor den Sommerferien erreicht, werde ich vor einem „Biosphärenregime“ gewarnt, dessen „Entscheidungsgewalt … bei Behörden in Tübingen, Stuttgart, Berlin – und sogar in Paris“ liegt. Von dort drohen mir „Fesseln“, heißt es abschließend und ich werde sorgenvoll aufgefordert: „Seien Sie aufmerksam“! Das will ich wohl sein, schließlich bin ich nicht nur Verleger, sondern auch Journalist. Also: Spitz pass auf! Worum geht’s?
Warum schreiben mir Franz Schönberger, 1. Vorsitzender, und S.E. Erbgraf Ludwig zu Waldburg-Wolfegg-Waldsee, 2. Vorsitzender (und laut Poststempel auch Portobezahler), sowie Roswitha Geyer-Fässler, 3. Vorsitzende. Das ist der Vorstand der „Allianz“. Dem Erbgrafen zur Seite gestellt, sind die Vorsitzenden des Bauernverbandes Allgäu-Oberschwaben, die mich gemeinsam warnen. Vor was eigentlich?
Es geht um die Zukunft. Es geht um den Versuch, in Oberschwaben Mensch, Natur und Ökonomie in Einklang zu bringen. Es geht um Natur- und Ressourcenschutz im Rahmen eines Biosphärengebiets, das den Menschen in seiner Arbeit und Freizeit fördert ohne dabei die Lebensgrundlagen zu zerstören. Es geht letztlich um Natur- und Umweltschutz, der den Menschen nützt und Innovationen fördert. Es geht um ein Modell, das sich Biosphärenkonzept nennt und in Baden-Württemberg bereits im Südschwarzwald und seit 2008 auch auf der Schwäbischen Alb mit Erfolg umgesetzt wird (siehe „Mit Vernunft und Verstand“, Seite 9). In Deutschland sind es insgesamt 18 Biosphärengebiete, das neunzehnte will die „Allianz“ unbedingt verhindern, wie sie mich wissen lässt. Sie sieht darin „Fremdbestimmung“ und „keinen echten Mehrwert“, schreibt sie.
Die „Fremdbestimmung“ gründet wohl, mit den Augen der Kritiker betrachtet, im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung, die die einzigartige Moorlandschaft im Allgäu und Oberschwaben ökologisch und mit Blick auf den Klimaschutz für so bedeutsam hält, dass sie sich vornahm, die Schaffung eines Biosphärengebietes zu initiieren. Mehr nicht. Der Prozess läuft nun seit vier Jahren auf regionaler und kommunaler Ebene. Es wird informiert und beratschlagt. Es wird konzipiert und verworfen. Heraus kam ein Zonierungsentwurf, der fast um die Hälfte kleiner ausfällt als ursprünglich vorgesehen. Das württembergische Allgäu im Kreis Ravensburg ist raus. Denn es hat sich gezeigt, dass die notwendigen Kernzonen, die unter strengem Naturschutz stehen, nicht im Besitz der öffentlichen Hand sind, was aber so vorgesehen ist, um Konflikte zu vermeiden.
So verbleiben rund 70.000 Hektar, verteilt auf 43 Gemeinden, in denen jeder Gemeinderat darüber abstimmt, ob seine Kommune Teil des Biosphärengebiets sein wird. Mindestens 30.000 Hektar sollte ein Biosphärengebiet umfassen und mindestens drei Prozent der Gesamtfläche sollte als Kernzone gelten – wenn das Projekt schließlich Erfolg haben soll.
Darüber informiert das Prozessteam mit Lisa Polak und Franz Bühler mit Sitz in Bad Waldsee und betont, dass „die Bürger nicht überredet, sondern überzeugt sein müssen“, denn deren Engagement ist gefragt bei einem Konzept, das die Entwicklung von unten nach oben vorsieht. Und was Beiden ganz wichtig ist: „Es gibt immer auch eine Ausstiegsklausel.“
Von wegen Ausstieg! Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb kann sich nach 17 Jahren vor Zulauf gar nicht retten. Das Gebiet umfasst aktuell 85.000 Hektar und weitere 46 Kommunen hätten Interesse bekundet, ebenfalls Mitglied werden zu wollen, erklärt nicht ohne Stolz Münsingens Bürgermeister Mike Münzing. Bis 2027 soll sich das Biosphärengebiet um 40 Prozent auf dann 120.000 Hektar erweitern. Die Erklärung für diesen immensen Zuspruch liefert Gebhard Aierstock bei einer Tagung in Wilhelmsdorf. Der 65-Jährige ist Mitglied im Lenkungsausschuss des Biosphärengebiets auf der Schwäbischen Alb und von Anfang an dabei, weil der dortige Bauernverband, dessen Vorsitzender Aierstock ist, „Chancen gesehen“ habe und inzwischen hätten „viele registriert, dass die Biosphäre von Vorteil ist“, stellt der Milchviehbauer aus Zwiefalten nüchtern fest. „Wir haben sehr viele wirtschaftlich intensive Betriebe“, deshalb sei eine „ökonomische Betrachtung wichtig“.
Liebe „Allianz“: Seien Sie aufmerksam!
Beispielhaft: Mensch und Natur

Biosphärengebiete oder -reservate sind großräumige Kulturlandschaften mit reicher Naturausstattung, die im Bundesnaturschutzgesetz nach § 25 als „einheitlich zu schützende und zu entwickelnde Gebiete“ definiert sind. Biosphärenreservate sind Modellregionen mit hoher Aufenthalts- und Lebensqualität, in denen aufgezeigt wird, wie sich Aktivitäten im Bereich der Wirtschaft, der Siedlungstätigkeit und des Tourismus zusammen mit den Belangen von Natur und Umwelt gemeinsam innovativ fortentwickeln können.
In Deutschland sind es aktuell 16 UNESCO-Biosphärenreservate, darunter zwei in Baden-Württemberg, im Südschwarzwald rund um Schönau sowie auf der Schwäbischen Alb rund um den ehemaligen Truppenübungsplatz bei Münsingen.
• Das Biosphärenreservat muss in Kern-, Pflege- und Entwicklungszone gegliedert sein, wodurch nachhaltige Regionalentwicklung praxisnah möglich sein soll.
• Die Kernzone muss mindestens 3 Prozent der Gesamtfläche einnehmen.
• Die Pflegezone soll mindestens 10 Prozent der Gesamtfläche einnehmen.
• Kern- und Pflegezone sollen zusammen mindestens 20 Prozent der Gesamtfläche betragen.
• Die Entwicklungszone soll mindestens 50 Prozent der Gesamtfläche einnehmen.
Kernzone
Biosphärenreservate besitzen eine oder mehrerer Kernzonen, welche dem unbeeinflussten Naturzustand sehr nahe kommen sollen. Diese Flächen werden von jeglicher wirtschaftlicher Nutzung freigehalten. Hier geht es also vorrangig um den Schutz natürlicher und naturnaher Lebensräume und Lebensgemeinschaften.
Pflegezone
Das Credo der Pflegezone wird am besten mit „Schützen durch Nützen“ beschrieben. Für den Menschen kann dieser Bereich, unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte, zur Erholung, der Umwelterziehung oder der nachhaltigen Landbewirtschaftung dienen.
Entwicklungszone
In der Entwicklungszone schließlich steht der wirtschaftende Mensch im Vordergrund. In dieser Zone soll durch Förderprogramme die nachhaltige Entwicklung von Mensch und Natur gefördert werden, es soll versucht werden, die Wertschöpfung der Region auf eine umwelt- und ressourcenschonende Weise zu steigern. Es soll beispielhaft gezeigt werden, dass der Mensch die Biosphäre nutzen kann, ohne sie zu zerstören oder die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden. Die Entwicklungszone wird ausdrücklich als Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum der Bevölkerung verstanden. Es gelten daher keine besonderen rechtlichen Beschränkungen.
Quelle: www.biosphaerengebiet-alb.de/index.php/lebensraum-biosphaerengebiet/basisinformationen
Autor: Roland Reck
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