Skip to main content
In der Landesausstellung in Bad Schussenried können die Besucher einen Blick auf das Original der Chronik werfen. Dort werden auch Abt Jacob Murer und Stefan Rahl, Leibeigener des Klosters Weißenau und Anführer der Weißenauer Bauern, von KI generiert für die Besucher lebendig. Foto: Andrea Reck

Biberach – Die Weißenauer Bauernkriegschronik, eine einzigartige Bildquelle zur Geschichte des Bauernkriegs, ist zentrales Ausstellungsobjekt der Landesausstellung in Bad Schussenried, das Dr. Peter Eitel, der ehemalige Ravensburger Stadtarchivar und Verfasser der Geschichte Oberschwabens, im Biberacher Museum vorstellte. Das historische Kunstwerk ist normalerweise unter Verschluss, derzeit aber Star der Landesausstellung „Uffrur!“.  

Detailliert schildern die elf Federzeichnungen Ereignisse, die sich von Februar bis April 1525 in Oberschwaben abspielten. Geschildert aus Sicht von Jacob Murer, von 1523 bis zu seinem Tod 1533 Abt des Klosters Weißenau südlich von Ravensburg. Im Mittelpunkt steht das Geschehen rings um Weißenau und in den Dörfern, die im Herrschaftsbereich des Klosters lagen, wie etwa Ummendorf. 

ANZEIGE

Kein oberschwäbisches Dorf wird  in der Weißenauer Chronik schließlich so genau dargestellt wie Ummendorf mit seinen heutigen Ortsteilen Fischbach und Horn. Außerdem ist auch die wohl einzige abgebildete Frau des gesamten Werkes Ummendorferin: „Eine Frau mit Zöpfen. Sie wehrt sich mit einem Prügel gegen einen Landsknecht“, wie Eitel erläutert. Der Historiker stellt den Auftraggeber der Chronik, Abt Jacob Murer, als eine der interessantesten Gestalten im Drama des Bauernkriegs vor. Im Frühjahr 1525 mussten die Prämonstratenser ihr Kloster den plündernden Bauern preisgeben. Eitel: „Murer reagierte ungewöhnlich. Nach dem Ende des Bauernkrieges brachte er seine traumatischen Erlebnisse zu Papier.“ Die Chronik gelangte zum Fürsten von Waldburg-Zeil. Normalerweise liegt sie in einem Banktresor, derzeit ist sie das Glanzstück der Großen Landesausstellung. „Kein Bauernkrieg-Museum kommt aus ohne Bilder der Weißenburger Chronik“, betont Eitel. „Wie in einem Film rollt das Geschehen vor unseren Augen ab. In der Chronik erwähnt sind Orte zwischen Baltringen und Riedlingen im Norden, Bregenz im Süden, Markdorf im Westen sowie Isny im Osten. Konzentriert sind sie um Ummendorf und um Weißenau. 

Fliehende Mönche

Eitel erläuterte nacheinander die elf an die Wand projizierten Ansichten. Auf dem ersten, einer Art geographischer Übersicht rund um Kloster Weißenau, sind einzelne Bauern zu sehen, die dem Kloster zustreben. Auf Blatt zwei sieht man die Ummendorfer Kirche, von einer Mauer umgeben. Hinter Kirche und Schloss verläuft die Umlach, am linken Bildrand ist das Biberacher Spitaltor zu erkennen samt Martinskirche. Am unteren Bildrand fließt die Riß. Neben dem Ummendorfer Schloss steht Abt Murer, der mit den Bauern redet. Sie haben die Hände zum Schwur erhoben. Alle huldigen dem Abt, außer Klaus, dem Müller von der Obermühle. In der Bildmitte werden Bauern mit Wein und Brot bewirtet, auf der linken Seite laufen Bauern mit geschulterten Spießen aber trotzdem doch zum Baltringer Haufen. Auf Blatt drei eine Ansicht des noch romanischen Klosters Weingarten. Altdorfer Bauern ziehen Richtung Rappertsweiler. Manche Bauern tragen Brustharnische, haben Hiebwaffen und Schwerter dabei. Auf Blatt vier redet Bauernführer Stefan Rahl vor einem Tor von Kloster Weißenau, während unweit davon Mönche Richtung Ravensburg fliehen. Auch auf diesem Blatt sind zeitlich versetzte Vorgänge gleichzeitig dargestellt. Das nächste Blatt zeigt eine Gesamtanlage des Klosters, von dem Bauern das Vieh wegtreiben. Blatt sechs präsentiert eine Nahaufnahme des Klosters mit der Freitreppe. Kulissenhaft hat der Zeichner wohl auf Weisung von Abt Murer das Gebäude geöffnet: Der Blick in den Speiseraum mit Butzenscheiben ist frei. Mönche versuchen, die Bauern zu beschwichtigen. Draußen sieht man, wie die Bauern hausen, sie schleppen Wein und Mehlsäcke weg. Neben verletzten Bauern ist auch einer zu sehen, der wohl zu viel getrunken hat und sich übergeben muss. Auf Blatt sieben ist geografisch ungenau Ummendorf mit der Oberen Mühle zu sehen, der Müller liegt in seinem Blut, sowie Plünderer, die von Schloss Horn Richtung Ochsenhausen ziehen. Aber auch Winterstettenstadt, Schloss Ingoldingen und die Wasserburg Linden sind skizziert. Auch das nächste Blatt zeigt Ummendorf, diesmal sieht das Schloss mit dreigiebligem Dach ganz anders aus. Von der Anhöhe herunter kommen von Ulm her die Bundestruppen, das Heer des Schwäbischen Bundes, angeführt von Truchsess Jörg von Waldburg. Die Truppen des Schwäbischen Bundes metzelten am 4. April die Bauern des Leipheimer Haufens nieder. Daneben zu entdecken: die älteste Ansicht des Jordanbades mit Badewannen und Badenden im Freien davor. Am rechten Bildrand ein am Baum aufgehängter Bauer, der wohl einen Kelch gestohlen hatte. Im Vordergrund Bauern, die ihre Waffen abgeben müssen. Blatt neun zeigt Weingarten, Altdorf und Ravensburg mit Hirschgraben. Im Schussen-Tal stießen zwischen dem 14. und 17. April die Truppen der Bauern (mittlerweile besser bewaffnet und durch den „Seehaufen“ verstärkt) kampflos mit den Bundestruppen zusammen. Auf dem nächsten Blatt steht das mittlerweile von Bauern geräumte Kloster Weißenau im Zentrum, ganz links der in Brand gesteckte Hof des Bauernführers Stefan Rahl. 

ANZEIGE

Auf dem letzten Blatt liest vermutlich der neben Abt Jacob Murer stehende Notar den im Hof befindlichen unbewaffneten, die Hand zum Schwur erhobenen Bauern den Weingartener Vertrag vor. In Oberschwaben ist der Bauernkrieg zu Ende. „Wir wissen nicht, von wem die Federzeichnungen stammen“, erklärt abschließend Peter Eitel. „Murer, der für das Anliegen der Bauern keinerlei Verständnis hatte, und meinte die ‚Lutherei‘ verderbe die Menschen, hat präzise Anweisungen gegeben.“ Der Abt schrieb sich in den zur gezeichneten Chronik gehörenden Texten von der Seele, was ihn belastete, resümiert der Historiker.

Autor: Andrea Reck



NEUESTE BLIX-BEITRÄGE

BLIX Editorial Dezember 2025

Liebe Leserinnen, liebe Leser, es ist nun doch geschehen, was ich für absolut falsch halte: das Aus für das Biosphärengebiet in Oberschwaben. Das muss ich und alle Befürworter eines solchen Gebiets akzeptieren. Die GemeinderätInnen in Bad Wurzach und Bad Waldsee haben in großer Mehrheit dagegen gestimmt und damit die Initiatoren des Projekts zum Aufgeben gezwungen. 

„Oh, mein Gott, ein Gringo“

Rom / Immenried – Nachdem am frühen Abend des 8. Mai 2025 im Vatikan weißer Rauch aufgestiegen war, lag eine unglaubliche Spannung über dem Petersplatz. Hunderte Fernsehteams und tausende Gläubige warteten darauf, dass der nach nur 24 Stunden Konklave neu gewählte Papst endlich auf der Loggia des Petersdoms erscheint. Wen hatten die in der Sixtinischen Kapelle versammelten Kardinäle so rasch zum Nachfolger des wenige Tage zuvor in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore beigesetzten Papst…

Ein Nachruf: Vom Paulus zum Saulus

„A scheene Leich“ ist, wenn Angehörige, Verwandt-schaft, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Bekannte, darunter auch Kontrahenten, die den Verstorbenen liebten und wertschätzten und ihm die letzte Ehre erweisen, indem sie an seinem Grab zusammenkommen und ihm beim anschließendem Leichenschmaus gedenken: auf dass er unvergessen in ihrer Mitte bleibt und in seinem Erbe fortlebt. Das ist beim vorzeitigen Tod des Biosphärengebietes Oberschwaben nicht der Fall. Es wurde abgewürgt und in die Gruft gest…

500 Jahre Bauernkrieg: Was bleibt?

Das Jahr des Erinnerns an die Geschehnisse vor 500 Jahren, als die Bauern in Oberschwaben und vielerorts gewaltsam gegen ihre Unterdrückung rebellierten, geht zu Ende. Die Große Landesausstellung 2025 „Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ in Bad Schussenried wurde von rund 36.000 Besucherinnen und Besuchern gesehen. BLIX sprach mit dem Historiker und ehemaligen Archivar im Landkreis Sigmaringen Dr. Edwin Ernst Weber über das außergewöhnliche Gedenkjahr. Weber ist vielfacher A…

Kult(ur)gebäck

Weihnachtsgebäck hat eine jahrhundertealte Geschichte. Schon seit dem Mittelalter gibt es in Europa allerlei Leckereien zur Weihnachtszeit. Damals waren es vor allem Gewürzgebäck und einfache Brote, die mit Honig und Nüssen verfeinert wurden. Heute gibt es eine riesige Vielfalt – oft generationenübergreifend. 

„Die Meisten wollen Nachschlag“

Biberach – Zusammen einen Teller Suppe löffeln und dabei Gemeinschaft erleben, lässt sich während des Winterhalbjahrs im Stadtteilhaus Gaisental. Die Aktion „Suppenglück“ wärmt bereits im fünften Jahr Herz und Magen. 

„Ich wollte diese schrägen Vögel“

Biberach – Kunst der 1970er Jahre in Oberschwaben präsentiert das Museum Biberach seit dem 21. November in der Ausstellung „Time is on my side“. Höchst überraschend und sehr sehenswert. 

Leitung mit Leidenschaft

Biberach – In den vergangenen Jahren erlebten die Biberacher Filmfestspiele mehr Tiefen als Höhen. Seit dem letzten Jahr erfährt das Festival aber eine positive Weiterentwicklung. Ein gelungener Auftakt für die neue Vorsitzende Carolin Bock.

Im Alter online

Senioren können mit digitalen Medien nicht umgehen? Das stimmt nicht generell, wie eine neue Studie belegt. Zudem gibt es Unterstützung von vielen Seiten. Nicht nur von den Enkeln.

Nur noch neun Monate

Na endlich. Geht doch. Schwanger! Juhu! Sie haben einen positiven Schwangerschaftstest? Es darf gefeiert werden. Natürlich ohne Alkohol. Rauchen ist ebenso tabu. Die Gefühle schlagen Purzelbäume und Frau darf sich erst mal freuen. Und dann, was ist zu erledigen?

Wenig Licht macht dick

Sobald die Tage kürzer werden, können Dunkelheit und Kälte ganz schön auf die Stimmung drücken. Spezielle Tageslichtlampen und Lichttherapien sollen dabei helfen, aus dem Winterblues wieder heraus zu kommen.

Leserbriefe BLIX Dezember 2025

Auch im November erreichten uns wieder viele Leserbriefe. Vor allem das Thema Biosphärengebiet stand bei den zahlreichen Zuschriften im Fokus.

Neu im Kino: Avatar: Fire And Ash

Ganze 16 Jahre ist es her, dass James Cameron uns zum ersten Mal nach Pandora entführt hat. Die faszinierende Welt der Na’vi begeisterte damals Millionen Menschen rund um den Globus und löste eine Renaissance des 3D Kinos aus. Am 17. Dezember startet nun mit „Avatar: Fire And Ash“ bereits der dritte Teil der erfolgreichsten Sci-Fi-Saga des 21. Jahrhunderts in den deutschen Kinos.

Making Of: Spaceballs 2 (2027)

Für welchen heiss erwarteten Blockbuster haben die Dreharbeiten gerade begonnen? Wurde eine berühmte Comicbook-Figur mit einem neuem Schauspieler umbesetzt? In unserer neuen Kino-Rubrik “Making Of” verraten wir worauf sich Cineasten und Superhelden-Fans gleichermaßen freuen dürfen. Wir blicken hinter die Kulissen der kommenden Kassenschlager und wagen eine Erfolgs-Prognose.

Filmpreview: Stromberg – Wieder alles wie immer

Vor 20 Jahren lernte Deutschland Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) und sein Team von der Schadensregulierung der CAPITOL-Versicherung kennen. Damals gab es noch nichts Veganes in der Kantine, Mobbing war Breitensport im Büro und Bernd Stromberg sagte: „Ich respektiere Frauen… in der Regel“. Seither hat sich die Arbeitswelt enorm verändert. Bernd Stromberg auch?

ANZEIGEN

BLIX-NEWSLETTER

VERANSTALTUNGEN

ALLGÄU-OBERSCHWABEN

Leutkirch  – Am Samstag, 6. Dezember, gastiert das Landestheater Schwaben um 19.30 Uhr mit der musikalischen Komödie …
Bad Wurzach – Der Kreistag hat am 4. Dezember beschlossen, dass die Bahn und das Land gemeinsam mit finanzieller Unte…
Ravensburg – Für die Ravensburg Towerstars stehen am kommenden Wochenende zwei anspruchsvolle Bewährungsproben auf de…
Wolfegg – Drei Tage lang lädt das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben in Wolfegg zum Adventsmarkt ein. Auch dieses …
Wolfegg – Es sind Momente, die selbst in der langen Geschichte der Sozialdemokratie äußerst selten sind: Ein Mitglied…