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Plakatmotiv der Landesausstellung. KI generierte Darstellungen von Margarethe Renner und Götz von Berlichingen.

Allgäu / Oberschwaben / Stuttgart – Vor 500 Jahren geschah im Allgäu und in Oberschwaben Unerhörtes. Wie in vielen anderen Regionen des Reiches erhoben sich auch zwischen Donau und Bodensee die Bauern gegen die Obrigkeit. Unter Berufung auf die Bibel forderten sie (Menschen-)Rechte ein. Heute gelten der Bauernkrieg und die „Zwölf Artikel“ als bedeutende Wegmarken zu einer demokratischen Gesellschaft. Überall in Deutschland, aber gerade auch in unserer Region, wird daher in diesem Jahr mit einer Vielzahl von Veranstaltungen an die damaligen Ereignisse erinnert.

Große Landesausstellungen in vier Bundesländern

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Allein vier Bundesländer organisieren große Landesausstellungen. In Memmingen zeigt seit Mitte März das Haus der Bayerischen Geschichte die Bayernausstellung „Projekt Freiheit – Memmingen 1525“. Einen guten Monat später eröffnet in Bad Schussenried die Große Landesausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“, die den Höhepunkt eines mehrteiligen Projektes des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart darstellt. In Mühlhausen und Bad Frankenhausen präsentiert das Land Thüringen „Freiheyt 1525. 500 Jahre Bauernkrieg“. Dezentral ist dagegen die Landesausstellung „Gerechtigkeyt 1525. Thomas Müntzer & 500 Jahre Bauernkrieg“ in Sachsen-Anhalt angelegt. Dezentral geht es auch in Rheinland-Pfalz zu, wo das Programm von der Landeszentrale für politische Bildung koordiniert wird. Ein Angebot also, das selbst vom Geschichtsinteressierten kaum zu überblicken oder gar zu bewältigen ist.

Viele Veranstaltungen in unserer Region

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Auch im BLIX-Land warten viele Städte und andere Veranstalter mit einem breiten Angebot auf. Das verwundert nicht: War doch unsere Region damals eines der Zentren der Erhebung. Besonders eindrucksvoll ist, was Memmingen, die „Stadt der Freiheitsrechte“, wo im März 1525 die „Zwölf Artikel“ verfasst wurden, in diesem Jahr alles auf die Beine stellt.

Landsknechte im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach. Foto: Landratsamt Biberach, Christoph Ulrich

Rückblick auf das Jubiläumsjahr 1975

Blickt man zurück auf das 450. Jubiläum im Jahr 1975, so wird einem die vollkommen veränderte Sicht auf die historischen Ereignisse bewusst. Damals war es vor allem das andere Deutschland, die DDR, die den Bauernkrieg als „frühbürgerliche Revolution“ feierte. In der Bundesrepublik wurde das Jubiläum dagegen eher zögerlich thematisiert. Es waren vor allem Vertreter der Linken, gerade auch Künstler, die sich für ein Erinnern stark machten. Hier im Südwesten war es vor allem der Reutlinger Holzschneider HAP Grieshaber, der das Thema in Kunstwerken und Veranstaltungen aufgriff. In der engeren Region lud zum Beispiel das Literarische Forum Oberschwaben zu einer „Feier der 12 Artikel“ ein. Aufführungen von Yaak Karsunkes „Bauernoper“ durch das Landestheater Tübingen sorgten damals im Oberland für Unruhe.

Der Bauernkrieg – von Bundespräsidenten gewürdigt

Eine wichtige Rolle bei der allmählichen Neubewertung des Bauernkrieges in den vergangenen Jahrzehnten kam auch den jeweiligen Bundespräsidenten zu. Für Gustav Heinemann etwa war das demokratische Erbe ein Herzensanliegen. 1974, kurz vor Ende seiner Amtszeit, eröffnete auf seine Initiative in Rastatt die „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“. Dort geht es natürlich vor allem um die Revolution von 1848, aber eben auch um den Bauernkrieg. Im Jahr 2000, zum 475. Jubiläum, hielt dann Johannes Rau in der proppenvollen Martinskirche in Memmingen eine vielbeachtete Rede. Darin würdigte er den Bauernkrieg und feierte die „Zwölf Artikel“ der Bauern als ein „Monument der Freiheitsgeschichte“, das in unserem Grundgesetz ein „fernes Echo“ finde. Heute sind sich Geschichtswissenschaft und öffentliche Meinung in dieser Einschätzung einig. Insofern ist es nur folgerichtig, wenn auch zum 500-Jahr-Jubiläum wieder ein Bundespräsident anreist: Am 15. März sprach Frank-Walter Steinmeier im Beisein des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zur Eröffnung der Memminger Ausstellung.

Christoph Amberger, Georg Truchsess von Waldburg, der „Bauernjörg“, 1527/36 (Detail). Foto: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart

Mit viel KI Geschichten erzählen

Objekte, die aus der Zeit des Bauernkriegs stammen und die man präsentieren kann, sind rar. Natürlich gibt es Gemälde und Druckgrafik mit Porträts etwa von Georg Truchsess von Waldburg, dem „Bauernjörg“, der die Bauern schließlich besiegte, oder von Christoph Schappeler, dem einflussreichen Memminger Pfarrer. Aber diejenigen, die den Aufstand trugen, die Bauern, haben kaum ausstellbare Spuren hinterlassen. So wird oft, vor allem auch in den verschiedenen Projekten des Landesmuseums Württemberg, auf Künstliche Intelligenz (KI) gesetzt. Daher begegnet man dort überall KI-generierten historischen Figuren.

Die Bayernausstellung in Memmingen

In Memmingen wird die vom Haus der Bayerischen Geschichte organisierte Landesausstellung im Dietrich-Bonhoeffer-Haus und in der Zunftstube des Kramerzunfthauses gezeigt. Dabei dreht sich alles um die berühmten „Zwölf Artikel“ der Bauern. Als im März 1525 dort die 50 Delegierten der drei großen regionalen Vereinigungen – Baltringer, Allgäuer und Bodensee- Haufen – zusammentraten, tagte so etwas wie das erste deutsche Volksparlament. Das Ergebnis ihrer Verhandlungen waren die berühmten „Zwölf Artikel“, eine Mischung aus Beschwerdeschrift, Reformprogramm und politischem Manifest. Die Schrift wurde sofort in Augsburg veröffentlicht, dann in Windeseile im ganzen Reich nachgedruckt und sorgte überall für Furore. Der Clou der Ausstellung, zu der der Eintritt übrigens frei ist, ist natürlich, dass sie dort stattfindet, wo damals die Bauern zusammensaßen und verhandelten: in der Zunftstube der Kramer.

Große Landesausstellung in Bad Schussenried

Zur Eröffnung der großen Ausstellung „UFFRUR!“ in Bad Schussenried am 25. April spricht dann zwar nicht mehr der Bundespräsident, aber immerhin Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Mit einem Etat von rund 7,5 Millionen Euro ist das Projekt, nebenbei bemerkt, die kostspieligste Landesausstellung, die sich Baden-Württemberg bisher geleistet hat. Einige Teile des Projektes laufen schon länger, etwa die Instagram-Aktion „LAUTseit1525. Eine Geschichte der Möglichkeiten“. Im Landesmuseum im Stuttgarter Alten Schloss gibt es bereits seit Herbst zwei Präsentationen, die „Erlebnisausstellung“ „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ und im Kindermuseum Junges Schloss die „Mitmachaustellung für Kinder und Familien“ mit dem Titel „ZOFF!“. In der Kinderausstellung werden Gefühle wie etwa Aufregung, Angst oder Wut in Spielstationen unterhaltsam thematisiert. So gibt es zum Beispiel eine „Schimpfwort-Palme“ und gleich daneben liegen Kissen für eine Kissenschlacht bereit.

Die Ausstellung „PROTEST!“ nimmt nur spärlich Bezug auf den Bauernkrieg, so etwa in den KI-Auftritten der Stuttgarterin Magdalena Schäfer. Aber eigentlich geht es vor allem um Protestformen in der jüngeren Geschichte und in der Gegenwart. Das Spektrum der zum Teil in großen Film-Projektionen vorgestellten Ereignissen und Bewegungen reicht von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung über die Menschenkette gegen den NATO-Doppelbeschluss bis zu den Demonstrationen gegen Stuttgart 21 oder die Coronamaßnahmen. Auch hier warten Mitmachangebote auf die Besucher. Man kann sich zum Beispiel in eine Menschenkette für Kinderrechte einreihen oder sich zu der Frage äußern „Wann würdest du eine Revolution starten?“. In der Abteilung „WUT“ kommt man allerdings darüber ins Grübeln, ob es hier die Organisatoren mit der Mitmacherei nicht doch übertreiben. Hier stehen für die Besucher Baseball-Schläger bereit, mit denen sie auf einen silbergrauen PKW einprügeln können – ein Angebot, von dem Erwachsene und Kinder denn auch regen Gebrauch machen.

Das Landesmuseum ist mit der Ausstellung „UFFRUR!“ im Neuen Kloster in Bad Schussenried zu Gast. Foto: Tourist-Infomation Bad Schussenried, Ingo Rack

Klassische Kunstausstellungen

Wem die überall, auch dann in Bad Schussenried, zum Einsatz kommende Künstliche Intelligenz zu viel werden sollte, dem sei das Projekt „Rebellion des gemeinen Mannes“ in der Kunsthalle Vogelmann Heilbronn empfohlen, die dort bis zum 25. Mai läuft. Das ist eine klassische Kunstausstellung, die Werke von der Bauernkriegszeit bis in die Gegenwart umfasst. Kernstück der Schau ist der Barbara-Altar des Malers Jerg Ratgeb, der aus der Stadtkirche in Schwaigern ausgeliehen werden konnte. Ratgeb war 1525 von den Bauern zum Kanzler gewählt worden, wurde deswegen später zum Tode verurteilt und hingerichtet. Daher darf in der Ausstellung natürlich Grieshabers Ratgeb-Triptychon nicht fehlen, in dessen Mittelstück er die Vierteilung des Malers auf dem Pforzheimer Marktplatz zeigt. In der Ausstellung sind neben Grieshaber aus dem 20. Jahrhundert auch Käthe Kollwitz und Alfred Hrdlicka zu sehen. Mehr von Käthe Kollwitz gibt es ab 12. April in einer großen Einzelausstellung der Künstlerin in Schloss Achberg zu sehen, natürlich auch ihren berühmten Bauernkriegszyklus.

Die Statue von Gerold Jäggle auf dem Dorfplatz in Baltringen soll an den Freiheitskampf der Bauern vor 500 Jahren erinnern. Foto: Klaus Singer

Theater und Musik

Fünfter Teil des Großprojekts des Landesmuseums Württemberg ist das mobile Theater­spektakel „UFFRUR!… on the road“, das ab dem 1. Mai im ganzen Land unterwegs sein wird. Auch andere Theaterprojekte unterschiedlicher Ensembles kann man diesen Sommer überall im Allgäu und in Oberschwaben erleben. Die Allgäuer Freilichtbühne in Altusried etwa zeigt ab dem 14. Juni in einer aufwändigen Inszenierung das Stück „1525 – Bauernkrieg. Frei sind wir und frei wollen wir sein!“. Ein Ensemble engagierter Laien wird ab Mai Yaak Karsunkes „Bauernoper“ nach 50 Jahren wieder einstudieren und in der Region präsentieren mit Aufführungen in Baienfurt, Wangen und Wolfegg. Das Theater Lindenhof gastiert mit seinem Bauernkriegsstück ebenfalls in Wolfegg und in Herdwangen. Aber auch die Musik kommt nicht zu kurz. Die Gesellschaft Oberschwaben unterstützt eine Konzertreihe mit Musik aus dem Bauernkrieg mit Veranstaltungen in Schloss Achberg (Ensemble Sospiratem, Leipzig, 24. Mai, 19 Uhr) und Bad Schussenried (Ensemble Cantus, München, 27. September, 19 Uhr).

Kommunale „Zeitreisen“

Auch sonst werfen sich Kommunen und Institutionen in unserer Region im Jubiläumsjahr schwer ins Zeug. Vielversprechend auch die „Zeitreise“, die den Besuchern im Bauernhaus-Museum in Wolfegg seit 22. März die Welt der Bauern vor 500 Jahren näher bringt. Auch die Stadt Bad Wurzach, wo an Karfreitag 1525 die aufständischen Bauern eine blutige Niederlage erlitten, bietet ein vielseitiges Programm mit Führungen, Vorträgen und Konzerten. Am 8. April hält Stadtarchivar Michael Tassilo Wild einen Vortrag mit dem neugierig machenden Titel „Wenn Nachbarn kämpfen: Wurzach im Bauernkrieg“. Wenige Tage später, am 14. April, wird am Leprosenhaus eine Gedenktafel enthüllt. Unter dem Leprosenberg war nämlich das Schlachtfeld, wo die Truppen des Bauernjörgs die vom Aichstettener Pfarrer Florian Greisel angeführten Bauern vernichtend schlugen.

In Wolfegg erwarten die Besucher aktuelle Fragen. Foto: Roland Reck

Ein umstrittener Friedensvertrag

Von dort zog der Bauernjörg mit 8000 Landsknechten nach Weingarten, wo vor Ostern bereits 12.000 Bauern vom Seehaufen Stellung bezogen hatten. Aber es kam nicht zur Schlacht. Stattdessen unterschrieben die Bauern an Ostern einen Friedensvertrag, der zwar vielen von ihnen das Leben rettete, aber nur wenige ihrer Forderungen erfüllte. Der Vertrag ist bis heute umstritten, aber unbestritten ist er ein historisches Unikat, das von der Stadt in einem Denkmal gewürdigt wird. Ein Zitat aus dem Vertrag, als ringförmiges Mosaik eingelassen in das Pflaster auf dem Münsterplatz, wird im Rahmen der Erlebnistage am 9. Mai der Öffentlichkeit präsentiert. Bereits am 7. Mai öffnet die Ausstellung „1525 Weingartener Vertrag“ im neu errichteten Pavillion am Schlössle. Sie spürt besonders den Weingartener Ereignissen im Bauernkrieg nach, wobei der titelgebende Weingartener Vertrag unter verschiedenen Aspekten und Diskussionspunkten beleuchtet wird.

Namhafte Künstler

Auch die Leutkircher haben sich für das Jubiläum Spannendes überlegt. Der Galeriekreis und die Heimatpflege wollen die Bedeutung des Bauernkriegs in einer großen Kunstausstellung beleuchten. Namhafte Künstlerinnen und Künstler aus Süddeutschland wurden eingeladen, sich mit ihren Werken an dem Projekt zu beteiligen. Die ausgewählten Werke werden dann ab dem 24. Mai im Gotischen Haus, im Museum im Bock und im Kornhaus zu sehen sein.

Die in diesem Text genannten Veranstaltungen stellen nur eine Auswahl in Baden-Württemberg mit besonderem Blick auf unsere Region dar. Alleine die Vielzahl der Veranstaltungen scheint dem Journalisten Heribert Prantl, 2022 ausgezeichnet mit dem Freiheitspreis der Stadt Memmingen, Recht zu geben, der den Kampf der Bauern vor 500 Jahren als die ersten demokratischen Anstrengungen in Deutschland bewertete.

Weitere Informationen, auch zu den besprochenen Projekten, finden sich unter den folgenden Adressen:

www.landesmuseum-stuttgart.de
www.uffrur.de
www.stadt-der-freiheitsrechte.de
www.gesellschaft-oberschwaben.de

Autor: Herbert Eichhorn



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