Horstbaum unerlaubt gefällt?
Wolfegg-Bainders – Mittwoch, 14. Februar. Am südlichen Abhang von Bainders fällt ein hoher Baum. An sich nichts Außergewöhnliches. Wäre da nicht der örtliche Unternehmer Werner Haller. Noch im Motorsägen-Geheul der drei Waldarbeiter zeigt sich Nachbar Haller wutentbrannt bei ihnen. Warum? Weil sich oben auf dem beachtlichen Baum zwischen Wolfegg und Weißenbronnen ein Horst befunden habe. Also ein Nest für Greifvögel. Solch ein Gewächs ohne amtliche Genehmigung umzumachen, sei verboten, sagt Haller. Und hat deshalb prompt seinen Anwalt eingeschaltet. Außerdem sofort das Landratsamt Ravensburg. Der dort Zuständige habe sich noch am gleichen Tag an dem Baumfäll-Platz gezeigt – und bestätigt: Ohne Erlaubnis der Behörden sei so ein Forsthieb nicht erlaubt.
Werner Haller am Stumpf des gefällten Horstbaumes: von Morschsein keine Spur. Foto (26.2.): Julian Aicher
Was sagt die Eigentümerin des Geländes dazu? Also die Stiftung Liebenau? Wie äußert sich das Landratsamt Ravensburg offiziell zu dem Ganzen? Wie bewertet der renommierte Vogelkundler Georg Heine aus Wangen den Vorgang? Und: Könnte der Forsthieb gar mit dem geplanten Windfeld etwa ein Kilometer vom gefällten Horstbaum zu tun haben?
„Das stinkt doch zum Himmel“
Werner Haller wirkte Tage danach immer noch verärgert. „Das sieht doch ein Blinder mit einem Auge”, schimpft er am 26. Februar im Gespräch mit der Bildschirmzeitung. „Das“ – damit meint Haller den Horst oben im Baum, bevor dieser gefällt wurde. Der Horst falle in dem derzeit blattlosen Gewächs doch auf. Und zwar umso mehr, als die drei Holzfäller auf rund fünf Metern Höhe ein Winden-Seil an dem Stamm befestigt hatten. Haller, der selbst gelegentlich „ins Holz geht“, also Bäume fachmännisch zu fällen versteht, ergänzt: „Jeder Holzhauer schaut doch immer wieder nach oben, ob sich der angesägte Stamm neigt.“
Am ehemaligen Horstbaum berichtet Werner Haller der Bildschirmzeitung, er habe rasch nach der Baumfällung seinen Rechtsanwalt, das Umweltministerium in Stuttgart, das Landratsamt Ravensburg, die Stiftung Liebenau und Vogelkundler Georg Heine informiert. Außerdem filmte Haller den „Tatort“. Diese bewegten Bilder finden seither abertausende Klicks im Netz. Auf einem seiner bei Youtube (https://youtu.be/xpg-olR1vJo) veröffentlichten Videos sieht man einen Milan, der an der Stelle des abgegangenen Horstbaumes kreist.
Pikant an dem Vorgang: Wohl etwa ein Kilometer von dem gefallenen Horstbaum könnten künftig Windtürme aus dem Wald ragen. Hätte der so nahe Horstbaum womöglich aus naturschutzrechtlichen Gründen die Planungen für das Windfeld stören können? Oder gar verhindern? Zumindest seien die jungen Greifvögel aus dem Horst oft talabwärts und dann in etwa in Richtung geplante Windkraftwerke über die Laubbäume Richtung Weißenbronnen gesegelt, hat Haller beobachtet. Also näher an das mögliche Windfeld.
„Das weisen wir in aller Deutlichkeit zurück“
Liebenau-Pressesprecherin Susanne Droste-Gräff teilte der Bildschirmzeitung am Montag (26.2.) auf Anfrage mit, die drei Waldarbeiter und der zuständige, nahe Förster hätten den Horstbaum „ohne Absicht“ gefällt. Droste-Gräff: „Es war ein Missgeschick. Behauptungen, dass die Fällung bewusst im Zusammenhang mit geplanten Vorhaben regenerativer Energieerzeugung in der Region stehen, weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.”
Warum fiel der Baum (und einige andere drumrum)? Dazu schreibt die Liebenau-Sprecherin: „Die Hiebsmaßnahme war notwendig, da in diesem Bereich einige Eschen, die massiv vom Eschentriebsterben befallen waren und bedingt durch starke Wurzelnekrosen teilweise schon umgestürzt sind bzw. umsturzgefährdet waren.” Und ergänzt: „Zur zuständigen Naturschutzbehörde haben wir Kontakt aufgenommen.“
Baum-Nachbar Werner Haller zeigt den Stamm-Stapel, der seither neben der Fäll-Stelle liegt. Morsches Kernholz lasse sich da nicht finden. Ebenso wenig am Strunk des frisch gefällten Horstbaums. Hallers Gesicht sieht beinahe trauernd aus, wenn er davon erzählt, dass der dort nistende Greifvogel noch eine Zeitlang in den Lüften über dem gefällten Horstbaum gesegelt sei. Sieht Haller Zusammenhänge mit den in der Nähe angedachten Windtürmen? Über Ursachen dieses Fäll-Falls mochte sich Haller am Montagabend (26.2.) nicht äußern. Doch ein paarmal tönt von ihm der Satz: „Das stinkt doch zum Himmel.“
Was passiert im Wald, wenn ein Greifvogel sein Nest verliert? Vogelkundler Georg Heine aus Wangen sagte der Bildschirmzeitung (28.2.): „Wenn ein Vogel den Horst nicht mehr findet, baut er sich einen neuen.“ Könnte es doch Zusammenhänge mit dem geplanten Windfeld geben? Wie bewertet das ein Fachmann, der mit seinen Kenntnissen auch der Uni Konstanz dient? Da winkt Heine ab. „Dass die Motivation, den Horst zu zerstören, gering sein dürfte“, erkennt Heine daran, dass sich die Flugtiere künftig womöglich ein neues Nest viel näher am vorgesehenen Wind-Türme-Standort errichten könnten.
Liegt die Liebenau-Sprecherin also richtig, wenn sie betont, das Ganze habe absolut nichts mit den geplanten Windriesen zu tun? Dazu wollte Vogelfachmann Heine keine Einschätzung abgeben. Ohne vorherige Genehmigung der Fachbehörden sei es strikt verboten, solche Horstbäume umzusägen, betonte Heine, der von einem ähnlichen Fall im Kreis Ravensburg wusste: Dort sei es zu einer Horstbaum-Fällung nahe eines geplanten Windkraft-Standorts gekommen.
„Es ist verboten, diese zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören”
Und was sagt das Landratsamt Ravensburg zu der Bainderser Baumfällung? Manfred Schmid (LRA), der nach Angaben von Werner Haller noch am gleichen Tag zu dem Gelände gekommen sei, verweist auf die Pressestelle der Kreisverwaltung. Und Diana E. Raedler, die das Umweltamt derzeit leitet, kündigte der Bildschirmzeitung am Mittwoch (28. 2.) eine rasche Information an. Diese lieferte Susanne Birk von der Pressestelle am Freitag (1.3.) per Mail um 13.47 Uhr. Sie bestätigte darin, dass ihr Landratsamts-Kollege Manfred Schmid nach der Fällung des Horstbaums auf besagtem Gelände Wolfegg-Bainders war. Auf die Frage der Bildschirmzeitung, ob solch ein Umsägen vorab genehmigt werden müsse, schrieb Susanne Birk: „Bei Horstbäumen von Greifvögeln handelt es sich um geschützte Fortpflanzungsstätten i.S.v. § 44 Abs. 1 Ziffer 3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Danach ist es verboten, diese zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.” Zur sich daraus ergebenden Frage, ob vor Umsägen des Bainderser Horstbaums eine amtliche Erlaubnis vorlag, führte Susanne Birk aus: „Die Genehmigung einer Ausnahme für streng geschützte Arten nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erfolgt durch das Regierungspräsidium Tübingen.“ Wie geht es also weiter in dieser Sache? Antwort Susanne Birk von der Stabstelle des Landrats am 1. März: „Der Sachverhalt wird aktuell zusammengefasst und dem Regierungspräsidium Tübingen vorgelegt.”
Julian Aicher
Kurz vor dem Fall. Oben im blattlosen Geäst sieht man den Horst, das Nest der Greifvögel. Unten, rechts vom Arbeiter, kann man den schon vollzogenen Fällschnitt erkennen. Foto: Werner Haller
Der Horst im blattlosen Geäst. Um den Stamm des Horstbaums war in rund 5 Metern Höhe ein Winden-Seil gespannt. Nachbar Werner Haller schließt daraus, dass die Waldarbeiter beim Anbringen des Seils nach oben geschaut haben – und den Horst gesehen haben müssen. Foto: Werner Haller