„Ein Zauber der ganz besonderen Art”
Weingarten / Bad Schussenried – Heute, Freitag, 10. Mai, war der Blutritt in Weingarten. Europas größte Pferdeprozession. D e r regional-christliche Feiertag in Oberschwaben. Noch vor dem Heiligblutfest in Bad Wurzach. Zahlreiche Leute am Wegesrand stehen, uralter Tradition folgend, Spalier, wenn etwa 100 Reitergruppen und circa 80 Musikkapellen zur Ehre Gottes hinaus in die Fluren ziehen. 1800 Reiterinnen und Reiter sind stets dabei. Dazu gibt es ein beeindruckendes Fotobuch. Der Bad Schussenrieder Fotograf Dieter Ege hat es über Jahre gefertigt. Ein Muss für alle Blutritt-Begeisterte. Unser Reporter Julian Aicher hat darin geblättert und gelesen und ist begeistert.
Unterwegs. Schon an Tagen zuvor. Manche der Blutreitergruppen reist noch selbst hoch zu Ross von weiter her nach Weingarten. So brauchten Rösser, Reiterinnen und Reiter aus Schelklingen bei Blaubeuren stets mehrere Tage, um vom Tal in der Schwäbischen Alb ins Schussental zu kommen. In Etappen. Mit entsprechenden Nachtlagern und Ruheplätzen. Vieles davon – und noch etliches mehr – ist auf den über 500 Seiten in Dieter Eges Buch „Blutritt in Weingarten“ zu sehen. Auch die ergreifend festliche Stimmung mit näcthlicher Lichterprozession am Abend vor dem Blutfreitag selbst.
Jahrelang mit der Kamera dabei
Dieter Ege besuchte jahrelang immer wieder verschiedene Beteiligte des Blutritts. Und begleitete sie auf ihren Ritten nach Weingarten. Das erwies sich für den Fotografen als „ein Zauber der ganz besonderen Art“. Dieter Ege – da war doch mal was? Ja genau: Wer in den 1970er- und 1980er-Jahren von den international nicht unbekannten Ege-Studios in Bad Schussenried sprach, dachte an Rock-Gitarren in einer Halle des Kurorts. Inhaber: Dieter Ege. Doch im Jahr 2000 machte Dieter Ege seine Kamerakenntnisse zum Hauptberuf. So wie sein Vater Josef Ege seit Jahrzehnten. Pferde-Begeisterte, die Dieter Ege dabei ablichtete, fragten ihn, ob er nicht auch vom Weingartner Blutritt Bilder anfertigen könne. Er konnte. Schließlich aber so intensiv, dass er Jahre dafür aufbrachte. Mit Fotos von den Reisen zum Blutritt. Mit Nachtlagern in Scheunen – oder auch mal U-Garagen. Mit Abbildungen oberschwäbischer Landschaften – mit und ohne Alpenblick. Mit ergreifenden Fotos der Lichterprozession nahe der barocken Basilika am Abend von Christi Himmelfahrt.
Bildportraits unzähliger Blutreitergruppen
Nicht zuletzt hielt Dieter Ege seine Kameras auf unzählige Blutreiter-Gruppen. Mal mit großen und kleinen Reitern. Auch mal mit einer Reiterin. So finden Blutritt-Begeisterte viele Bilder der Reitergrupen aus ihren eigenen Orten. Aus dem Bereich der Bildschirmzeitung allein von der Markung Kisslegg mindestens drei – aus Kissleg, Immenried und Zaisenhofen. Freiich auch aus vielen anderen Bildschirmzeitungs-Gemeinden – von Bad Waldsee bis Leutkirch. Ruhige Bilder von einem bewegenden Ereignis. Vom Knotenpunkt vieler Traditionslinien. Von kirchlichen Gewändern bis zu Uniformen der Bürgergarden aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Augenschmaus einschließlich Datenblatt
Damit nicht genug, führt Dieter Eges vielseitiges Fotobuch auf zwei Blättern beachtliche Geschichtsdaten zum Weingartner Blutritt auf. Zum Beispiel, dass dieses Ereignis erstmals 1529 urkundlich erwähnt wurde. Dieter Eges beeindruckender Band „Blutritt in Weingarten”: ein Augenschmaus.
Julian Aicher
Beachten Sie unsere Bildergalerie. Darin finden sich knapp drei Dutzend weitere Aufnahmen aus der Kamera von Dieter Ege, alle dem Buch entnommen mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Dieter Ege: Blutritt in Weingarten, Bad Schussenried/Dornbirn 2021, 520 Seiten. 49,00 €. Zu bestellen über info@egebild.com oder www.egebild.com Tel.: 0174 / 60 170 51. ISBN 978-3-00-0711011-7
Lichterprozession am Vorabend
Bereits der Vorabend (9.5.) ist sehr beeindruckend. Gäste und Einheimische begeben sich um 19.15 Uhr zur Heiligen Messe in die Barockbasilika. Nach der Festpredigt um 20.30 Uhr, die auch auf den Basilikavorplatz übertragen wird, ziehen die Gläubigen bei Einbruch der Dunkelheit in einer Lichterprozession betend und singend durch die festlich erleuchtete Stadt zur Andacht auf den nahegelegenen Kreuzberg. Ein Lichtermeer von Menschen mit Kerzen samt buntem Windschutz begleitet die Blutreliquie zu Fuß auf dem Weg hinauf zum Kreuzberg oberhalb des Friedhofs. Eine Andacht beschließt dort die abendliche Prozession. Viele Gläubige kehren nochmals zur Basilika zurück, wo sie zuvor der Predigt gelauscht hatten, und verweilen im gemeinsamen oder stillen Gebet.
Der Blutfreitag
7.00 Uhr: Übergabe der Heilig-Blut-Reliquie an den Blutreiter am Kirchenportal
zeitgleich: Beginn des Blutritts in der Abteistraße
11.15 Uhr: Rückkehr der Heilig-Blut-Reliquie im Äußeren Klosterhof mit Segen
11.30 Uhr: Feierlicher Gottesdienst mit dem kirchlichen Ehrengast.
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