25 Jahre Allgäu Haus – Architekturfest in der “rotisserie”
Rotis – „Wenn die Leute ihren Ort nicht finden“, fällt es schwer, ihnen zu sagen, wie sie bauen sollen. Nach 25 Jahren erfolgreicher Erfahrung mit dem „Allgäu Haus“ zog die Oberstdorfer Architektin Angelika Blüml am 20. Oktober Bilanz – zusammen mit rund 100 anderen Architektur-Aktiven unter dem beschaulich-böhmischen Gewölbe der “rotisserie” in Leutkirch-Rotis. Eingeladen hatte der BDA Augsburg-Schwaben in Kooperation mit dem architekturforum Allgäu und dem Treffpunkt Architektur Schwaben der Bayerischen Architektenkammer, kurz TAS. Aus dem Publikum kam der Wunsch: „Weitermachen!”
„Allgäu Haus“ – „was für ein Haus soll das sein ?“ Diese Frage hörte der Rotiser Architekt Florian Aicher (*1954 in Ulm) kurz vor der Jahrtausendwende 2000 öfter. Heute steht ein knappes Dutzend solcher Bauten vor allem in Süddeutschland. Entwickelt bis 1998 vor allem von Aichers Verein „Rotis Forum“. Aus ganz verschiedenen Ideen. Florian Aicher über jene Jahre, die er mit dem Buchtitel „No limit“ beschreibt: „Wir haben junge Büros eingeladen.“ Angestrebt worden sei damals „kein Wettbewerb, wo die Juroren wie Halbgötter einschweben“ – und danach wieder verschwinden. Und so kam am Freitag, 20. Oktober, zur Veranstaltung „25 Jahre Allgäu Haus” einer, die damals die Entwürfe der Planungsbüros mit bewerteten: Gion Antoni Caminada aus dem Graubündner Dorf Vrin.
Aufbruchstimmung
Caminada, Schweizer Schreiner und Architekturprofessor (ETH), scheint es alles andere als langweilig zu sein. Sein Büro plant gerade ein neunstöckiges Hotel im Alpin-Paradies Pondresina. Und so verleitete der „Stress“ den Star ortsbezogener Baukunst dazu, Rotis in jenem Leutkirch zu suchen, dass bei Salem nahe des Bodensees liegt. Und so brauchte Caminada noch etwas Zeit, um die Große Kreisstadt Leutkirch (wieder) zu finden: Die Aufbruchstimmung der 1990er-Jahre für das damals neue „Allgäu Haus“ durften also vor Caminada noch andere schildern.
Etwa die Oberstdorfer Architektin Angelika Blüml (* 1962 in München). Ihr Büro, das sie mit ihrem Mann Klaus Noichl (* 1960 in Kempten) betreibt, zählte damals, 1998, zu den Gewinnern des Ideen-Wettbewerbs „Allgäu Haus“. Inzwischen haben Blüml/Noichl zehn solcher Bauten geplant. Angelika Blüml: „Das zehnte schaut nicht mehr so aus wie das erste.“ „Allgäu-Haus“ Nummer eins sollte – ganz allgäu-schwäbisch sparsam – nur 90 Quadratmeter Innenraum umfassen. Und dann auch noch so ausgelegt sein, dass es direkt an die nächste Grundstücksgrenze passt. So ergäbe sich mehr Platz etwa für Grünstreifen zwischen den Quartieren. Schwäbische Bescheidenheit auch sonst; „brauche ich einen Keller?”, fragte Angelika Blüml.
Dass aus einem „Allgäu Haus“ in nur einem Vierteljahrhundert ein rundes Dutzend wurden, deutet fraglos an: Die Bauherrschaften mochten es. Errichtet aus üblich schwäbisch-voralpinem Baumaterial: Holz. Energetisch so ausgebaut, dass sein Unterhalt bezahlbar blieb und bleibt – mit klug entworfenen Fenstern zum Licht. Aber eben auch mit gemütlich wirkenden Holzöfen.
„Einer Region nichts aufdrücken“
Da klang die süddeutsche Blüml ähnlich wie ihre Kollegin Dr. Anika Gründer (*1982 in Kassel) aus dem südthüringschen 588-Seelen-Ort Bedheim. „Jenseits von Standardlösungen“ gestaltet ihr Büro dort vor allem Bestandsbauten um. Dabei sei die „soziale Komponente“ wichtig. Angelika Gründer betonte, „dass wir einer Region nicht eine Mentalität aufdrücken“. Stattdessen liege etwa die Frage nahe: „Wie kann Landwirtschaft als Baumaterial-Lieferant dienen?“ Oft wichtig bei allem, was da in und ums Schloss Bedheim entstehe: Selber handfest mit anpacken. Die Aufgaben würden dabei aktuell bleiben. Anika Gründer: „Wir wollen und müssen noch Wohnraum schaffen.“
Seinem Herkunftsort Vrin treu zeigte sich schließlich Gion Antoni Caminada. Von diesem Graubündner Dorf, in dem 242 Leute auf 1448 Meter Seehöhe leben und räteromanisch miteinander sprechen, führt ein Wanderweg in Richtung der italienischen Metropole Mailand. Der Ort ist landwirtschaftlich geprägt. Was er als Architektur-Professor entwickle, hänge mit seinem Dorf Vrin zusammen, erklärte Gion Antoni Caminada: „Die Idee kam eigentlich aus den Ställen.“ Diese „Schicksalsgemeinschaft“ habe Caminada gerade heute davon überzeugt: „Nur in einem überschaubaren Raum sind wir handlungsfähig.“ Dort ließen sich „kleine Ideen für Gruppen von Menschen“ erarbeiten. „Das Entscheidende ist die Entwicklung des Orts.“ Und weiter: „Wir dürfen nicht aufgeben”, forderte der eigenwillig wirkende Eidgenosse. Und stieß damit im Publikum auf große Zustimmung. Platz genug scheint vorhanden. Susanne Fischer, Bürgermeisterin aus Bayern-Schwaben, wies mit Angelika Blüml auf derzeit unbewohnte alte Bauernhöfe: „Wir haben tatsächlich ganz viele Leerstände.“ Vermutlich weit über Kirchheim hinaus.
Text Julian Aicher mit Zustimmung des Architekturbüros Florian Aicher
Beachten Sie unsere Bildergalerie; sie entstand beim Fest „25 Jahre Allgäu-Haus“ in Rotis. Fotos: BDA (Nico)