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Kommentar

Eine zu weiche Formulierung



„Sofern das Flächenziel von 1,8 % überschritten wird, wird der Regionalverband gebeten, die Herausnahme von Vorrangflächen in räumlicher Nähe zum Wurzacher Becken aufgrund der Besonderheit des Europadiploms vorrangig zu prüfen.“ Das ist Teil zwei der Stellungnahme der Stadt Bad Wurzach zu den Windkraftplänen des Regionalverbandes, beschlossen in der Gemeinderatssitzung am 22. April.

Gemeint ist: Falls es der Regionalverband schafft, mehr als 1,8 Prozent seiner Fläche – das sind die Landkreise RV, FN und SIG – als Windkraft-Vorranggebiet auszuweisen, dann möge er doch bitteschön so freundlich sein und die bei Osterhofen, bei Mennisweiler und bei Weitprechts von den Projektierern EnBW, Uhl (Ellwangen) und Laoco (Kirchdorf/Iller) schon konkret beplanten Windkraftstandorte ein Stückchen vom Ried wegrücken.

Die Stellungnahme der Kurstadt Bad Wurzach, der Namensgeberin des Wurzacher Riedes, einer Moorlandschaft von … – man mag es nicht mehr hören, es wird gebetsmühlenartig gesagt – … von europäischem Rang, eine solche Stellungnahme hätte durchaus ein paar fordernde Passagen vertragen. Man hätte, zum Beispiel, formulieren können: „Die Kurstadt Bad Wurzach ist in großer Sorge um die Integrität des Wurzacher Riedes und damit auch um die Zukunftsfähigkeit des Kurwesens. Wir ersuchen den Regionalverband deshalb dringlichst, keine Windkraft-Vorranggebiete in naher Sichtweite – so wie derzeit im Entwurf vorgesehen – auszuweisen.“

Mehr als ein faktisches Nein wäre nicht zu befürchten.

So aber hat man, verklausuliert, ja zu Windkraft in naher Sichtweite gesagt.

Wie ist der Stand der Dinge?

Der Regionalverband hat, wissend um die Europarat-Formulierung „Keine großtechnischen Anlagen auf den Hügeln rund ums Ried!“, eine Karte gemalt (unter Mitwirkung anderer windkraftaffiner Behörden), die eine rote, genauer: pinkfarbene Linie rund um die Hügel zieht. Der Bereich innerhalb der Linie wurde mit dem beschönigenden Titel „Schutzbereich Europadiplom Wurzacher Ried“ versehen und ab ging die Post nach Straßburg zum Europarat.

Zugegeben: Innerhalb der pinkfarbenen Linie ist im Entwurf des Regionalplanes in der Tat kein WKA-Vorranggebiet ausgewiesen (und damit auch nicht der Hummelluckenwald, in dem ein uneinsichtiger Projektierer seine WKA erzwingen will). Aber hinter den Bergen soll es nach dem Willen des Regionalverbandes eben doch Windkraftanlagen (WKA) geben. Großtechnische Anlagen, die die Hügel um 120 Meter, um 150 Meter, ja um 170 Meter überragen. Es soll, geht es nach dem Regionalverband Bodensee-Oberschwaben (RVBO), WKA bei Osterhofen, bei Mennisweiler und bei Weitprechts geben (die im Hummelluckenwald bei Humberg werden vom RVBO abgelehnt, vom Projektierer aber unverdrossen weiterverfolgt).

Bei vorsichtiger Zählung kommt man auf 19 riednahe WKA, die optisch bedrängend wirken werden (8 WKA bei Osterhofen, 5 bei Mennisweiler, 3 bei Weitprechts und 3 – trotz Rohrsee-Nähe – bei Humberg). Und was der Regionalverband Donau-Iller auf der Nordseite des Riedes ausheckt, entzieht sich unserer Kenntnis.

In der Sitzungsvorlage zum Windkraftbeschluss hatte es geheißen: „Die Verwaltung ist der Auffassung, dass der vorliegende Entwurf einen besseren Schutz für das Europadiplom darstellt als die aktuelle Rechtslage.“

Das stimmt.

Die aktuelle Rechtslage nämlich ist eine Kapitulation. Ein Projektierer kann derzeit überall seine WKA hinstellen, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt: 600 Meter Abstand, Artenschutz (stark entwertet), Immissionsgrenzen-Beachtung, Naturschutz.

Anders gesagt: Direkt ins Ried darf man keine WKA stellen. Aber knapp daneben, hinter den Bergen, das geht dann schon.

Ja, man muss der Wahrheit ins Gesicht sehen: Die hübsche Karte für den Europarat hat an der Bedrohung für das Ried nichts geändert.

Als Wurzacher hoffen wir vom „Wurzacher“, dass unsere hier geäußerten Bedenken keine Kassandra-Rufe sind. Kassandra, sie hatte zu ihrer Zeit keinen besonders guten Leumund. Sie störte mit ihrer ewigen Warnerei, sie war einfach lästig. Doch sie behielt recht, sie hatte die unbequeme Wahrheit gesagt. Die Crux: Ihr Rechtbekommen wurde zu spät, viel zu spät erkannt.

Wir vom „Wurzacher“, wir wollen keine Kassandra sein. Hoffen wir, dass Ried und Kur keinen Schaden erleiden.

Allein, uns fehlt der Glaube.

Wenn dann in drei oder fünf Jahren die Windkraftkulisse unser schönes Ried ziert, muss man sich vor wohlfeilen Schuldzuweisungen hüten à la „Hätte man doch damals, am 22. April des Jahres 2024, eine schärfere Stellungnahme abgegeben …“. Realisten wissen: Gegen die aktuelle Windkraft-Vorrangpolitik ist kein Kraut gewachsen. Die armen Planer beim Regionalverband, getrieben von der hohen Politik, suchen händeringend Fläche, Fläche, Fläche. Die 375,5 Hektar in Osterhofen werden sie wohl nicht mehr hergeben.

Trotz dieser resignativen Einschätzung: Ein gesichtswahrendes Statement hätte notgetan.

Jetzt geht es zuvorderst um den Hummelluckenwald. Christian Böhm und seine Leute von Laoco und der Energiequelle (dem ostdeutschen Partner von Laoco) haben inzwischen den Antrag auf Genehmigung von drei WKA bei Humberg (sowie von drei WKA bei Weitprechts) beim Landratsamt Ravensburg gestellt. Die Hummellucken-Standorte liegen alle innerhalb des pinkfarben markierten „Schutzbereiches Europadiplom“ und gefährden mithin die hochrangige Auszeichnung in besonderer Weise.

Dass der Regionalplan mit seiner steuernden Wirkung – der Hummelluckenwald ist im Plan als WKA-Standort ausdrücklich nicht genannt, man will dort von Amts wegen partout keine WKA – hier noch etwas verhindern kann, ist zu hoffen. Aber zum einen dauert die Ausfertigung des Planes bis zur Rechtskraft wohl noch bis Ende 2025. In die bis dahin bestehende Regelungslücke sind Böhm und Co. nun hineingestoßen. Zum anderen ist dem verbissen kämpfenden Projektierer durchaus eine Vertrauensschutzklage zuzutrauen.

Wir appellieren an Herrn Böhm: Lassen Sie ab von Ihren Plänen! Hände weg vom Hummelluckenwald!
Gerhard Reischmann



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