Skip to main content
ANZEIGE
In Kißlegg wichtiges Grabmal aus der Gründerzeit rekonstruiert und wieder aufgestellt

Birke, Efeu, Lilie: Ein Grab voller Symbolik



Foto: Herbert Eichhorn
Ein Detail des rekonstruierten Grabmals

Kißlegg – Passend zum großen 1200-Jahr-Jubiläum ist die Gemeinde Kißlegg vor Kurzem um ein bedeutendes Kulturdenkmal reicher geworden. In der Werkstatt von Flaschnermeister Wolfgang Huber wurde – schon vor einigen Jahren – ein ungewöhnliches, über 150 Jahre altes Grabmal liebevoll rekonstruiert. Nun wurde es restauriert und zu einer Familiengrabstätte erweitert. Vor wenigen Wochen wurde es auf dem Kißlegger Friedhof aufgerichtet.

Wolfgang Huber am Familiengrab. In seiner Werkstatt wurde das Grabmal rekonstruiert und dann zur Familiengrabstätte erweitert. Foto: Henry M. Linder

ANZEIGE

Im Zentrum der Grabstätte ein ungewöhnliches Birkenkreuz

Das Grabmal fällt sowohl durch seine bemerkenswerte Gestaltung, seine anspruchsvolle Symbolsprache und vor allem auch durch das verwendete Material ins Auge. Alle Elemente der Anlage bestehen aus aufwändig bearbeitetem und bemaltem Kupferblech. Insgesamt rund 3000 einzelne Metallteile mussten hierzu angefertigt, gerundet und zum Teil getrieben und zusammengelötet werden. Im Zentrum der Grabstätte steht ein Kreuz, das aus zwei Stämmen Birkenholz zusammengefügt zu sein scheint. Von tatsächlich aus Birkenstämmchen montierten Grabkreuzen unterscheidet es sich zunächst allein schon durch seine Dimensionen, hat es doch eine Höhe von knapp drei Metern. Außerdem wirken die zwei Kreuzstämme ausgesprochen krumm gewachsen. Bewusst scheint das Organische, das malerisch Naturhafte der Teile betont zu sein. So stehen etwa kleine Aststümpfe ab. Ganz oben gabelt sich der senkrechte Stamm. Hier und vor allem auf halber Höhe treiben scheinbar frische grüne Blätter aus. Das Grabdenkmal wirkt auf den ersten Blick tatsächlich eher wie ein gestutzter Baum als wie ein strenges Kreuz.

Das rekonstruierte Grabkreuz nach der Fertigstellung in der Werkstatt Huber. Foto: Henry M. Linder

Marmorierte Sockel

An einem der Aststümpfe hängt ein breites Schriftband mit dem Text „Ruhestätte der Familie Huber“. Neben dem Kreuz finden sich noch drei rotbraun marmorierte Sockel. Auf dem von Efeu umrankten Sockel direkt neben dem Stamm stehen ein Topf mit einer weißen Lilie und ein ovales Medaillon mit der Inschrift „Ruhet in Frieden“. Auf einem weiteren Sockel liegt ein aufgeschlagenes großes Buch, das die Namen und Lebensdaten der Verstorbenen, der Großeltern und Urgroßeltern von Wolfgang Huber, nennt. Das kleinste Podest trägt schließlich eine Schale für Weihwasser.

Die symbolische Bedeutung der Birke

Die in aufwändigster Technik nachgeahmten Materialien und Pflanzen des Grabmals sind sehr bewusst gewählt. Birkenholz mit seiner hell leuchtenden Rinde fand und findet häufig Verwendung für mehr oder weniger improvisierte, nicht auf Dauer gedachte Grabkreuze. Zuerst kommen einem natürlich Soldatengräber, oft bekrönt von einem Stahlhelm, in den Sinn. Mit ihnen wurden zum Beispiel während der Feldzüge oder in den Wirren der letzten Kriegswochen auch in der Heimat einzelne Soldatengräber markiert. Heute erinnern hin und wieder Birkenkreuze am Straßenrand an tödlich verlaufene Verkehrsunfälle.

Ein Birkenkreuz an der Landstraße 265 zwischen Kißlegg und Rempertshofen. Foto: Herbert Eichhorn.

Die Birke, deren Blätter im Frühjahr als erste sprießen, steht symbolisch für das Erwachen der Natur, ganz allgemein für den Neubeginn und – im christlichen Sinn – auch für die Hoffnung auf die Auferstehung. In diesem Sinn ist bestimmt auch das grüne Birkenlaub zu verstehen, das hier aus dem an sich toten Birkenholz sprießt.

Aus dem Birkenholz sprießt scheinbar frisches Grün. Foto: Herbert Eichhorn

Ebenfalls Sinnbilder: Efeu und Lilie

Symbolische Bedeutung haben auch die anderen bei diesem Grabmal verwendeten Pflanzen. So symbolisiert der immergrüne Efeu schon seit der Antike einerseits Treue und Freundschaft sowie andererseits Unsterblichkeit und ewiges Leben. In der Vergangenheit erfreute sich der Efeu daher gerade auf Friedhöfen großer Beliebtheit. Auch die weiße Lilie ist ein geläufiges Sinnbild. Sie signalisiert Reinheit, Unschuld, Jungfräulichkeit. In der christlichen Kunst ist sie daher – etwa in Darstellungen der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel – traditionell der Jungfrau Maria zugeordnet. In der Kirchenkunst des 19. Jahrhunderts halten Madonnen, aber auch Statuen des Hl. Josef, oft ganz ähnliche Lilien aus Metall wie die hier verwendete in den Händen.

Grabmal ist eine Rarität

Sowohl das ursprüngliche Grabmal, das in der Werkstatt von Wolfgang Huber aufbewahrt wird, als auch die Rekonstruktion sind eindrucksvolle Beispiele außergewöhnlichen handwerklichen Könnens. Das nun auf dem Kißlegger Friedhof wieder errichtete Grabmal ist aber überhaupt eine große Besonderheit. Flaschnermeister Huber, der die Rekonstruktion in seiner Werkstatt geschaffen hat, ist ein Spezialist für künstlerische Blecharbeiten gerade aus dem 19. Jahrhundert. Auch ihm ist Vergleichbares noch nie begegnet. Aus Blech gefertigte Grabdenkmäler sind in Gegensatz etwa zu schmiede- oder gusseisernen überhaupt sehr selten. Was hin und wieder vorkommt, ist, dass auf Gräbern des 19. Jahrhunderts neugotische Architekturformen mit Blech imitiert wurden.

Historische Aufnahme des Grabmals. Undatiert. Repro: Wolfgang Huber

Ursprünglich ein Grab für einen zweijährigen Buben

Es war der Flaschnermeister Lorenz Heim, der Ururgroßvater von Wolfgang Huber, der das Grabkreuz 1871 für seinen im Alter von nur zwei Jahren verstorbenen Sohn schuf. In der so sinnfälligen Symbolik des Grabmals wirken Traditionen aus der Zeit der Empfindsamkeit und des Biedermeiers nach. Es lässt sich schwer sagen, ob damals der ambitionierte Kißlegger Handwerker, vielleicht unterstützt vom Pfarrer oder Schulmeister, die Kombination der verschiedenen symbolischen Elemente selbst erdacht hat. Oder ob er vielleicht eine Darstellung aus einem gedruckten Erinnerungsblatt oder etwas Ähnlichem ins Dreidimensionale umgesetzt hat. Was irritiert und so gar nicht zu einem Kindergrab zu passen scheint, sind die Maße des Kreuzes. Aber vielleicht fand darin ja tatsächlich das Ausmaß des Schmerzes der Familie über den Verlust des kleinen Sohnes seinen Ausdruck.

Nur kurze Zeit später, im Jahr 1876, wurde das Grabkreuz übrigens bereits wiederverwendet. Wieder war ein ganz junger Mensch gestorben, diesmal ein 16-jähriges Mädchen. Die Symbolik der Grabstätte passte daher auch in ihrem Fall.

Selbstporträt von Flaschnermeister Lorenz Heim, um 1870. Repro: Wolfgang Huber.

Aus einem Einzelgrab wurde ein Familiengrab

Flaschnermeister Heim schuf das Grabkreuz ursprünglich aus verzinntem Eisenblech. Für die Rekonstruktion hat sich sein Ururenkel für Kupferblech entschieden. Das ist haltbarer und trägt auch die aufwändige farbige Bemalung besser. Ursprünglich für ein Einzelgrab gedacht, hat Wolfgang Huber das Grabmonument nun um zwei Elemente ergänzt und so zu einer Familiengrabstätte erweitert. Die hinzugefügten Podeste mit dem Buch und mit der Weihwasserschale wurden dabei ganz eng an das ursprüngliche Grabmal angeglichen. Ein niederes geschmiedetes Geländer aus Eisen umfasst nun auch sehr stimmig die verschiedenen Elemente der Grabstätte.

Die rekonstruierte und erweiterte Grabstätte. Foto: Henry M. Linder

Kißlegg hat ein Kulturdenkmal zurück

Unter dem Motto „Kißleggs Schätze entdecken“ wirbt die Gemeinde Kißlegg auf ihrer Website für öffentliche Führungen und Gruppenführungen. „Zwei Schlösser, zwei Seen“ oder „S’Leaba im Barock – Auf barocken Spuren“ heißen zum Beispiel entsprechende Angebote. Es bleibt zu hoffen, dass die Führerinnen und Führer in Zukunft bei ihren Rundgängen, etwa auf dem Weg zur St. Anna-Kapelle mit ihren berühmten Asam-Deckengemälden, einen kurzen Schlenker über den Friedhof machen. Dort wurde durch bewundernswertes und auch berührendes privates Engagement Kißlegg ein Kulturdenkmal zurückgegeben, das weit und breit seinesgleichen sucht.
Herbert Eichhorn

In der Galerie weitere Bilder von der rekonstruierten Grabstätte. Fotos: Herbert Eichhorn



BILDERGALERIE

Fotos: Herbert Eichhorn

NEUESTE BEITRÄGE

Kisslegg
Zeugen gesucht

Einbrecher steigen in Gaststätte ein

Kißlegg – In eine Gastwirtschaft in der Herrenstraße haben bislang unbekannte Täter im Zeitraum zwischen Mittwoch, 9.30 Uhr, und Donnerstag, 10 Uhr, eingebrochen.
Religion und Regionalpolitik

Mit Raimund Haser auf Kapellentour in Haisterkirch

Haisterkirch – Zwischen 25 und 30 Radfahrerinnen und Radfahrer, die allermeisten auf E-Bikes bzw. Pedelcs, waren am Donnerstag, 25. Juli, mit ihrem Landtagsabgeordneten Raimund Haser bei dessen Auftakt zur Sommertour 2024 auf dem Kapellenweg in Haisterkirch unterwegs. Für die Bildschirmzeitung war Günter Brutscher dabei, der als großer Kapellen-Kenner und “Bastiane”-Spezialist viel Wissenswertes zur Tour beitrug.
mit Bildergalerie
veröffentlicht am 26. Juli 2024
Am Freitag, 26. Juli

Dämmerschoppen in Arnach mit Dorfflohmarkt

Arnach – Am heutigen Freitag, 26. Juli, veranstaltet der Musikverein Arnach unter Leitung von Dirigent Berthold Hiemer auf dem Arnacher Dorfplatz ab 19.30 Uhr einen Dämmerschoppen mit traditioneller Blasmusik.
Leserbrief

Unwürdig und widerwärtig

Zur Protestaktion der „Freunde der Räuberhöhle“ und des Bündnisses „Oberschwaben ist bunt“ am 24. Juli bei der Eröffnungssitzung des neugewählten Kreistages in Bergatreute
Kollektenergebnis aus den Sonntagsgottesdiensten auf der Landesgartenschau

Kirchen übergeben 10.521 Euro an die Nachbarschaftshilfe

Der Auftritt der Kirchen auf der Landesgartenschau gehört zu den Erfolgsgeschichten dieses Sommers. Insbesondere die ökumenischen Gottesdienste am Sonntagmorgen, aber auch die Programme am Platz der Kirchen sind Besuchermagnete. Nun haben sich die Kirchen entschlossen, die Einnahmen aus den Sonntagskollekten an caritative Einrichtungen zu geben. Kurz nach der LGS-Halbzeit überreichten sie deshalb Karin Kristen, Einsatzleiterin der Nachbarschaftshilfe Wangen im Allgäu, einen Scheck über 10.521…

MEISTGELESEN

Kißlegg
Leserbrief

Wer im Glashaus sitzt …

Wenn heute, am 24. Juli, in der Gemeindehalle in Bergatreute die 74 neu- bzw. wiedergewählten Mitglieder des Ravensburger Kreistages sich versammeln, werden sie von einer Gruppe von Menschen vor der Halle erwartet. Das sind einerseits die „Freunde der Räuberhöhle” aus Ravensburg und zum anderen das Bündnis „Oberschwaben ist bunt”. Ihr Anliegen ist es, gegen den Einzug der zehn ihrer Meinung nach undemokratischen Mandatsträger/innen der AfD und des „Bauernbündnisses” in dieses G…
von Stefan Weinert
veröffentlicht am 24. Juli 2024
Ralph-Ulrich Buemann, Günter Eisele, Inge Jäger, Hermann Konrad und Joachim Krimmer

Volksbank Allgäu-Oberschwaben eG verabschiedete langjährige Aufsichtsratsmitglieder

Leutkirch im Allgäu – Bei der diesjährigen Vertreterversammlung der Volksbank Allgäu-Oberschwaben eG (VBAO) stand die turnusgemäße Wahl der Aufsichtsräte auf der Tagesordnung. Außerdem gibt es aufgrund der positiven Beschlussfassung zur Fusion der VBAO mit der Volksbank Raiffeisenbank Laupheim-Illertal eG weitere Veränderungen im Aufsichtsrat.
Kommentar

Paukenschlag am Ried

Die Turm-Gegner haben 4221 Unterschriften zusammengebracht. Eine enorme Zahl. Wie geht es nun weiter mit dem Turm am Ried?
von Gerhard Reischmann
veröffentlicht am 19. Juli 2024
Leserbrief

Unwürdig und widerwärtig

Zur Protestaktion der „Freunde der Räuberhöhle“ und des Bündnisses „Oberschwaben ist bunt“ am 24. Juli bei der Eröffnungssitzung des neugewählten Kreistages in Bergatreute
Am Freitag, 26. Juli

Dämmerschoppen in Arnach mit Dorfflohmarkt

Arnach – Am heutigen Freitag, 26. Juli, veranstaltet der Musikverein Arnach unter Leitung von Dirigent Berthold Hiemer auf dem Arnacher Dorfplatz ab 19.30 Uhr einen Dämmerschoppen mit traditioneller Blasmusik.

TOP-THEMEN

Kisslegg
Immenried – Traditionell zu Beginn der Sommerferien öffnet sich in Immenried wieder der Vorhang im „Theater unter der…
Die Turm-Gegner haben 4221 Unterschriften zusammengebracht. Eine enorme Zahl. Wie geht es nun weiter mit dem Turm am …
Wangen – Das Allgäu ist die Heimat des Braunviehs! In Wangen im Allgäu fand kürzlich die Vorstellung und das Fotoshoo…

Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk in Allgäu-Oberschwaben

VERANSTALTUNGEN

Kisslegg