Skip to main content
ANZEIGE
Andere Zeiten, andere Sitten

Herzgräber in zwei oberschwäbischen Loretokapellen



Foto: Herbert Eichhorn
In der Loretokapelle bei Wolfegg ist ein Herz bestattet.

Wolfegg / Dürmentingen – In der Zeit um Allerheiligen und Allerseelen rücken traditionell die Verstorbenen stärker ins Blickfeld. Ihre Gräber werden geschmückt, besondere Blumengestecke werden platziert. Häufig wird ein – in der Regel rotes – „Allerseelenlicht“ angezündet. Familien und Freunde besuchen die Gräber, oft im Rahmen einer feierlichen Andacht am Nachmittag von Allerheiligen. Zwar sind diese Gräberbesuche nicht mit den Fiestas vergleichbar, die in Mexiko am „Dia de los Muertes“ (Tag der Toten) üblich sind, aber nach der Andacht bekommt auch bei uns der gut besuchte Friedhof oft etwas von einem munteren großen Klassentreffen.

Separate Bestattung des Herzens

Wenn der Blick zurück in die Geschichte geht, so gab es auch in Oberschwaben und im Allgäu Traditionen, die uns heute seltsam fremd anmuten, so etwa die separate Herzbestattung. Getrennt vom Rest des Körpers bestattete Herzen, das bringt man am ehesten mit den großen europäischen Herrscherhäusern in Verbindung. Aber dass es auch in unserer Region Beispiele für diese für uns heute doch eher etwas befremdliche Sitte gibt, ist kaum bekannt. Dabei kann man in Kapellen in Wolfegg oder in Dürmentingen bei Riedlingen solche Herzgräber finden.

ANZEIGE

Tradition bei Wittelsbachern und Habsburgern

Wer schon einmal in der Gnadenkapelle des Wallfahrtsortes Altötting war, dem sind dort bestimmt neben den zahllosen silbernen Votiven rechts und links der „Schwarzen Madonna“ auch die 14 prachtvollen, ebenfalls silbernen Urnen in den Wandnischen aufgefallen. In ihnen werden die Herzen von verschiedenen Mitgliedern der bayerischen Herrscherfamilie der Wittelsbacher aufbewahrt. Ähnliches findet sich in Wien. Im Herzgrüfterl in der Loretokapelle der dortigen Augustinerkirche ruhen, allerdings in eher schlichten Gefäßen, 54 Habsburger Herzen. Tatsächlich waren es diese beiden katholischen Dynastien, die die Tradition der separaten Herzbestattung am konsequentesten gepflegt haben. Ihr Vorbild wurde dann aber vom Hofadel oder von sympathisierenden Adelshäusern aufgegriffen.

Zunächst ganz praktische Gründe

Schon aus dem Mittelalter gibt es Berichte, dass, vor allem bei Herrschern, die fernab der Heimat gestorben waren, dem Leichnam Eingeweide und Herz entnommen wurden. Das hatte zunächst einen ganz praktischen Grund. Diese Teile des Körpers verwesen einfach am schnellsten. Bald kam aber der Brauch auf, das Herz, das nach damaliger Vorstellung der Sitz der Seele war, an gezielt ausgewählten Orten zu begraben. Oft waren das Kirchen, die dem Verstorbenen besonders wichtig waren. Sein Herz dort zur Ruhe zu betten, galt als Garantie für ewiges Seelenheil.

ANZEIGE

Loreto-Verehrung bei Habsburgern und Waldburgern

Seit Kaiser Ferdinand II. seine Siege im Dreißigjährigen Krieg der Madonna des italienischen Wallfahrtsortes Loreto widmete, gab es eine besondere Nähe der Habsburger zu diesem Gnadenbild. Wie die Habsburger, zu denen enge Beziehungen bestanden, hatten auch die verschiedenen Linien der Waldburger eine große Affinität zum Loreto-Kult. In der Nähe ihrer verschiedenen Residenzen entstanden eine ganze Reihe von Kapellen nach dem Vorbild der Casa Santa in Loreto, dem laut Legende von Engeln aus Nazareth nach Europa übertragenen Haus der Gottesmutter. So gibt es von Waldburgern gestiftete Loretokapellen in Dürmentingen, Kißlegg, Scheer und Wolfegg. Und einzelne Familienmitglieder ließen, wie die Habsburger in Wien, auch ihre Herzen in diesen Kapellen bestatten.

Der Innenraum der Loretokapelle bei Wolfegg

ANZEIGE

Das Herz in der Loretokapelle Wolfegg

Eine ganz typische Loretokapelle ist die bei Wolfegg an der Straße nach Rötenbach. Mit dem Bau der Kapelle hatte Graf Maximilian Franz von Waldburg-Wolfegg 1668 ein Gelübde seines Vaters erfüllt. Die Loretokapellen, die nach dem Dreißigjährigen Krieg überall in Süddeutschland entstanden, hielten sich in Größe und in den baulichen Details an das fensterlose Vorbild in Loreto. Zu dieser typischen Ausstattung zählt auch die Wiederholung von Freskenmalereien mit Madonnenmotiven, die die Casa Santa in Loreto früher aufwies (verlorengegangen bei einem Brand 1921). Auch in Wolfegg waren die Fresken eine Zeitlang verschwunden. Im 19. Jahrhundert waren sie übermalt worden, wurden in den 1960er-Jahren aber wieder freigelegt.

Ganz typisch: Reste von Wandmalereien wie ursprünglich in Loreto

ANZEIGE

In Wolfegg baute auch die nächste Generation an der Kapelle weiter. Graf Ferdinand Ludwig ließ die Kapelle erweitern. Da die neue Wolfegger Stiftskirche damals noch nicht fertig war, ließ er sich nach seinem Tod 1735 in der Kapelle bestatten. Als sein Leichnam dann 1742 in die herrschaftliche Gruft in der Kirche überführt wurde, blieb sein Herz gemäß seiner Verfügung in der Kapelle. Vor dem Altar bezeichnet eine Bronzetafel im Fußboden die Stelle.

Das Herzgrab im Boden der Wolfegger Kapelle: Hic jacet inclusum cor … (Hier ruht das eingeschlossene Herz …)

ANZEIGE

Das Herz in der Loretokapelle Dürmentingen

Künstlerisch wesentlich anspruchsvoller ist das in die Wand eingelassene Herzgrab für Joseph Wilhelm Eusebius von Waldburg-Friedberg-Scheer, der 1756 starb, in der Loretokapelle in Dürmentingen. Dieser residierte in Scheer an der Donau und hatte dort die Stiftskirche im Barockstil umbauen lassen. Der Künstler, der maßgeblich für die Neugestaltung der Kirche in Scheer verantwortlich gewesen war, schuf auch das Kardiotaph (Herzdenkmal) in der fast 100 Jahre zuvor errichteten Kapelle. Es handelt sich um einen der bedeutendsten Bildhauer des süddeutschen Barocks, nämlich Joseph Anton Feuchtmayer, dessen Hauptwerk die Wallfahrtskirche in Birnau ist.

Das Herzgrab in der Wand der Kapelle in Dürmentingen

ANZEIGE

Diese frühen Formen der Bestattung mit einem im Boden vergrabenen oder einem in der Wand eingemauerten Herzen, auf das eine mehr oder weniger aufwändige Gedenkplatte aufmerksam macht, wurden erst später von solchen prachtvollen Schaugefäßen wie in Altötting abgelöst.

Nicht nur fernste Vergangenheit

Heute liegt diese für uns eher bizarre Sitte nicht nur im schwäbischen Oberland in fernster Vergangenheit. Lange und bis in unser Jahrhundert durchgehalten haben allerdings die Habsburger. Der in vielerlei Hinsicht rückwärtsgewandte Politiker und Publizist Otto von Habsburg, der Sohn des letzten österreichischen Kaisers, führte die Tradition tatsächlich fort. Als er 2011 starb, wurde er wie viele seiner Vorfahren in der berühmten Wiener Kapuzinergruft beigesetzt. Sein Herz aber fand seinen Platz in der ungarischen Benediktinerabtei Pannonhalma.
Text und Bilder: Herbert Eichhorn

ANZEIGE



NEUESTE BEITRÄGE

Den Finkhof in Arnach erleben

Führung durch Manufakturen, Lager und Hofladen

Arnach – Die Schäfereigenossenschaft Finkhof in Bad Wurzach-Arnach, spezialisiert auf Herstellung und Vertrieb ökologisch hochwertiger Textilien, bietet am Freitag, 19. Dezember, eine Führung durch ihre Betriebsstätten in Arnach an. Sie geht von 14.00 Uhr bis ca. 16.00 Uhr. Man trifft sich vor dem Hofladen in St-Ulrich-Straße 1 in Arnach. Mehr Infos und Anmeldung unter Am 19. Dezember – Führung beim Finkhof bzw. https://finkhof.de/finkhof-blog/finkhof-betriebsbesichtigung-2025-dezember  Die T…
Towerstars

Towerstars wollen Chance für Anschluss in der Tabelle nutzen

Ravensburg – Mit dem Gastspiel beim EHC Freiburg am Freitagabend sowie dem Heimduell gegen die Eispiraten Crimmitschau am Sonntagnachmittag warten auf die Ravensburg Towerstars zwei unangenehme Aufgaben. Die zu vergebenden Punkte sind jedoch äußerst wichtig und könnten die Oberschwaben aus dem Tabellenkeller heraus und wieder näher in Richtung Playoff-Zone bringen.
Am Sonntag, 14. Dezember, in Ochsenhausen 

Oberschwäbische Dorfmusikanten musizieren vorweihnachtliches Bläserkonzert

Ochsenhausen – Am Sonntag, 14. Dezember (3. Advent, 15.00 Uhr), laden die Oberschwäbischen Dorfmusikanten unter ihrem Leiter Simon Föhr in die Basilika St. Georg in Ochsenhausen zu einem vorweihnachtlichen Kirchenkonzert ein.
An unbeschranktem, aber rotlichtgesichertem Bahnübergang

Tödlicher Zugunfall bei Bad Saulgau! Auto von Zug erfasst und mitgeschleift

Bad Saulgau – Eine Kollision zwischen einem Regionalzug und einem Pkw hat am Mittwochabend (10.12.) bei Bad Saulgau ein Todesopfer gefordert. Den bisherigen polizeilichen Erkenntnissen zufolge wollte gegen 18.40 Uhr der 58-jährige Lenker eines VW aus einem Grundstück heraus direkt über den unbeschrankten Bahnübergang Herbertinger Straße/Neumühle fahren, missachtete dabei das blinkende Rotlicht und übersah zudem offensichtlich die aus Richtung Bad Saulgau herannahende Regionalbahn. Durch die f…
Altshausen

Webmaschine bei Transport umgekippt – Arbeiter tödlich verletzt

Altshausen – Tödliche Verletzungen hat sich ein Arbeiter am Mittwochabend (10.12.) beim Umstellen einer Webmaschine in einem Textilunternehmen in Altshausen zugezogen.

MEISTGELESEN

An unbeschranktem, aber rotlichtgesichertem Bahnübergang

Tödlicher Zugunfall bei Bad Saulgau! Auto von Zug erfasst und mitgeschleift

Bad Saulgau – Eine Kollision zwischen einem Regionalzug und einem Pkw hat am Mittwochabend (10.12.) bei Bad Saulgau ein Todesopfer gefordert. Den bisherigen polizeilichen Erkenntnissen zufolge wollte gegen 18.40 Uhr der 58-jährige Lenker eines VW aus einem Grundstück heraus direkt über den unbeschrankten Bahnübergang Herbertinger Straße/Neumühle fahren, missachtete dabei das blinkende Rotlicht und übersah zudem offensichtlich die aus Richtung Bad Saulgau herannahende Regionalbahn. Durch die f…
Ausführlicher Bericht

Bad Wurzach lehnt Biosphärengebiet ab

Bad Wurzach (dbsz) – Bad Wurzach steigt aus dem Prüfprozess zur Schaffung eines Biosphärengebietes in Oberschwaben aus. Mit 17 zu 4 Stimmen wurde am Montagabend (13.10.) in der Gemeinderatssitzung der Antrag der CDU-Fraktion angenommen. Ein Antrag der zweiköpfigen Fraktion der Grünen auf Vertagung einer Beschlussfassung wurde mit derselben Mehrheit abgelehnt. Die Entscheidung Bad Wurzachs gilt als schwerer Rückschlag für den Prozess, verfügt die Stadt doch mit dem Wurzacher Ried über ein Herz…
Gesehen von Eva Zitzl

Drei Engel beim Bad Waldseer Rathaus-Advent

Diese drei Weihnachtsengel hat unsere Leserin Eva Zitzl beim Bad Waldseer Rathaus-Advent gesehen. Sie waren am 5. Dezember im Schlepptau des Nikolauses. In Bad Waldsee geht jeden Tag im Advent am Rathaus um 17.00 Uhr ein Türchen auf und es gibt ein adventliches Programm (am Heiligen Abend um 11.00 Uhr). Das Programm wird täglich von der Bildschirmzeitung in der Ausgabe “Der Waldseer” angekündigt.
Das renovierte Barockjuwel ist wieder zugänglich

Freudenböller zur Wiedereröffnung der Kapelle in Osterhofen

Osterhofen – Der 2. Adventssonntag 2025 wird mit der Wiedereröffnung der Kapelle nicht nur in der Geschichte von Osterhofen, sondern auch in der ganzen Region Bad Waldsee einen besonderen Stellenwert einnehmen. Denn hier vor Ort zeigte sich, wie dank des außergewöhnlichen Engagements vieler Unterstützer und Befürworter des Sanierungsprojekts „Kapelle Mariä Opferung“ ein kunsthistorisches sakrales Kleinod zu neuem Leben erweckt werden konnte.
mit Bildergalerie
veröffentlicht am 9. Dezember 2025
Die beiden Gebetsvereinigungen bestehen seit mehr als 300 Jahren

Die Kapelle in Osterhofen ist die Heimstatt zweier Bruderschaften

Osterhofen – Die wiedereröffnete Kapelle in Osterhofen ist die Heimstatt zweier aus der Barockzeit stammender Bruderschaften, die nach wie vor blühen und über keinerlei Nachwuchssorgen klagen. Es sind die Ältere Marianische Bruderschaft von 1702 und die Jüngere Marianische Bruderschaft von 1718.

TOP-THEMEN

Bad Saulgau – Eine Kollision zwischen einem Regionalzug und einem Pkw hat am Mittwochabend (10.12.) bei Bad Saulgau e…
Sant Boi des Llobregat / Aulendorf – Rund hundert Schachgroßmeister gibt es in Deutschland – der neueste und jüngste …
Augsburg / Leutkirch (rei) – Große Ehre und Anerkennung für Erwin Roth: Der in Ausnang lebende Künstler und Restaurat…

VERANSTALTUNGEN