Skip to main content
ANZEIGE
Eine Klientin der FASD-Fachstelle der Stiftung Liebenau in Ravensburg erzählt ihre Geschichte

„Irgendwie habe ich durchgehalten“



Foto: Stiftung Liebenau
Per Video-Konferenz im Gespräch mit Klientin Sonja M.: Beate Braiger, Sozialarbeiterin bei der Arkade Ravensburg, und Michael Reiser von der FASD-Beratungsstelle der Stiftung Liebenau

Ravensburg – Sie kann sich sehr reflektiert, verständlich, ja eloquent ausdrücken. Doch ihr Leben glich bisher eher einer Berg- und Talfahrt. Sonja M. hat FASD. Es steht für Fetale Alkoholspektrumstörungen, ausgelöst durch den Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Die Schädigungen des Gehirns durch den Alkohol verursachen lebenslang kognitive Beeinträchtigungen wie Lern-, Merk- und Konzentrationsschwierigkeiten. Die Diagnose erhielt die 31-Jährige erst spät. Inzwischen lernt sie, besser mit den Einschränkungen umzugehen. Die FASD-Fachstelle der Stiftung Liebenau unterstützt sie dabei.

Stresslevel mit offenkundigen Folgen

Seit einem halben Jahr geht es Sonja M. (Name geändert) spürbar besser. Erleichterung verschafft ihr die Erwerbsminderungsrente, die sie seither erhält. Dadurch kann sie „mehr mit sich sein“, ist nicht mehr den für sie häufig zu hohen Anforderungen der Umwelt ausgesetzt. Zum Gespräch ist Sonja M. per Video zugeschaltet. Heute fühlt sie sich nicht wohl, hat Bauchschmerzen und Fieber. Ihr Leben ist geprägt von vielen guten Tagen, aber eben auch von schlechten Zeiten. „Ich kann extrem gestresst sein wegen Kleinigkeiten“, schildert sie. „Ich bin dann handlungsunfähig, wie gelähmt.“ Migräne, Kopfschmerzen, Übelkeit, depressive Verstimmungen gehören zu ihren Stressreaktionen.

ANZEIGE

Von Erfolg und Scheitern

Trotz der Einschränkungen durch FASD hat Sonja M. eine Ausbildung zur Hauswirtschaftshelferin am Berufsbildungswerk (BBW) in Ravensburg absolviert. „Ich hab’s ausgehalten, durchgehalten. Irgendwie“, sagt sie über den mühevollen Weg. Geprägt war auch diese Zeit von vielen Krankheitstagen. Im Grunde war es eine Fortsetzung der schwierigen Schulzeit mit mehreren Schulwechseln. Die Werkrealschule schloss sie aber durchaus mit gutem Ergebnis ab. Später musste sie etliche Arbeitsstellen aufgeben. „Solches Scheitern begleitet Menschen mit FASD fortwährend“, erklärt Michael Reiser von der FASD-Fachstelle der Stiftung Liebenau in Ravensburg. Die Umwelt tue sich oft schwer mit der „unsichtbaren“ Behinderung. Das schwer nachvollziehbare Verhalten werde oft als Charakterschwäche abgetan.

Ein Glück: die Pflegefamilie

Aufgewachsen ist Sonja M. ab ihrem zweiten Lebensjahr in einer Pflegefamilie, bei der sie sich sehr wohl und aufgehoben fühlte. „Zum Glück hat sie mich behalten“, sagt sie. Doch schon in der Kindheit zeigten sich erste Überforderungsreaktionen. Sie war öfter krank. Schon damals reagierte sie hochsensibel auf Geräusche. „Es fühlte sich manchmal an, als ob mir jemand eine Tonne Eisen um den Hals gehängt hätte“, gibt sie manchen Phasen in ihrem Leben ein Bild. Auf die inzwischen bekannte Behinderung ist noch niemand gekommen. Ihre Pflegemutter aber blieb hartnäckig bei der Ursachensuche: Erst vor etwa sieben Jahren stellte eine Ärztin die Diagnose FASD. Nach dem ersten Schock kam die Erleichterung. Und der kraftraubende Versuch, trotzdem am ersten Arbeitsmarkt zu bestehen, der dann in einer schweren Depression mündete.

ANZEIGE

Unterstützung hilft

Wahrscheinlich wird sie nie einer regulären Arbeit nachgehen können. Dennoch wirkt sie aufgeräumt. Die Rente hilft ihr finanziell, ihre Betreuerin von der Arkade Ravensburg und die FASD-Fachstelle unterstützen sie fachlich. Hilfreich ist für Sonja M. dabei auch der Stress-Stopp-Kurs der FASD-Fachstelle. In der Kleingruppe trifft sie auf Menschen, denen es ähnlich ergeht wie ihr. Gemeinsam lernen sie mit den Folgen der hirnorganischen Schädigung als Folge des mütterlichen Alkoholkonsums während der Schwangerschaft umzugehen.

Mut haben, darüber zu sprechen

An guten Tagen ist die junge Frau gerne unterwegs und mag es zu fotografieren. Außerdem sei sie offen für Menschen, sei empathisch, alles andere als oberflächlich und sie könne gut Gespräche führen. Möglichen Betroffenen empfiehlt Sonja M.: „Selber den Mut finden, mit Ärzten über die eigene Vorahnung zu sprechen. Auf sich und die Symptome hören und offen mit der Situation umgehen.“

ANZEIGE

Interview

Nachgefragt bei Sozialarbeiterin Beate Braiger, die Sonja M. (Name geändert) als Sozialarbeiterin bei der Arkade in Ravensburg betreut.

Einschränkungen durch FASD erfordern eine andere Begleitung als die meisten psychischen Behinderungen. Beate Braiger begleitet. Über ihre soziale Arbeit berichtet sie im Interview.

Frau Braiger, wie lange sind Sie schon die Betreuerin von Frau M.?
Ihre Betreuung habe ich von ungefähr 2,5 Jahren übernommen. Da war sie in einer besonders schwierigen Phase. Sie stand unter dem Vorzeichen einer Depression. Die war die Folge der dauerhaften Überforderung durch ihre Umwelt, der sie nicht mehr standhalten konnte.

Woher kannten Sie FASD und wie wirkt die Krankheit sich auf die Begleitung von Frau M. aus?
FASD war mir von der früheren Arbeitsstelle her nicht unbekannt. Frau M. war aber meine erste Klientin mit FASD. Ich habe die Diagnose der Ärztin nochmal genau studiert. Etwas später hörte ich auch von der FASD-Fachstelle. Unsere Arbeit hat sich nach und nach verändert. Bei unserer Klientel, bei der psychische Erkrankungen im Vordergrund stehen, geht es in der Begleitung darum, wie hält man zum Beispiel eine Arbeitsstelle, welche Maßnahmen braucht es. Es stehen eher Motivation, Empowerment und Förderung im Vordergrund. Als Sozialarbeiterin muss man bei FASD aus diesem Denken raus. Man muss die betroffenen Menschen vermitteln, dass sie sich zurücknehmen dürfen. Anforderungen und Erwartungen müssen an die vorhandenen Fähigkeiten angepasst werden, um anhaltende Überforderung zu vermeiden, die ansonsten zu Reaktionen wie Depression führen kann.

ANZEIGE

Gibt es heute im Vergleich zum Beginn der Betreuung von Frau M. Verbesserungen?
Ja, die gibt es sehr wohl. Es ist viel passiert. Anfangs hatte sie wohl eher das Gefühl, sie muss mir Antworten geben, die ich von ihr erwarte. Das löste sicher Stress bei ihr aus. Mehr über FASD zu erfahren, hat bei mir zu einer anderen Haltung geführt. Ich verstehe die Situation von Frau M. besser und kann mich besser einfühlen. Es ist entspannt zwischen uns, wir können Dinge gut besprechen. Ihre depressiven Zustände sind deutlich weniger geworden. Am Anfang der Betreuung war eine große Lebensunlust bei ihr vorhanden. Es war schon richtig schlimm. Ihre Stimmungslage hat sich aber sehr verbessert. Uns gelingt es auch Themen wie „Was ist ihr wichtig?“ herauszuarbeiten. Ebenso langfristige Ziele. So haben wir herausgefunden, dass ihr ein Umzug an den Bodensee gut täte, wo sie aufgewachsen ist. Wir gehen dabei aber langsam und behutsam vor.




NEUESTE BEITRÄGE

Bei Amtzell

Frontalzusammenstoß mit Milchlaster fordert ein Todesopfer

Amtzell – Beim Zusammenstoß zweier Fahrzeuge ist am Montagmorgen (15.12.) auf der B 32 bei Amtzell ein 20-Jähriger ums Leben gekommen.
Towerstars

Towerstars können Eispiraten-Abwehr nicht knacken

Ravensburg – Der Aufwärtstrend der Towerstars nach zuletzt zwei Siegen wurde am Sonntagnachmittag jäh gestoppt. Gegen die Eispiraten Crimmitschau setzte es eine 1:3-Heimniederlage. Neben einer mangelhaften Chancenverwertung war eine Strafzeit in der Schlussphase der Partie spielentscheidend.
Andeutung von Raimund Haser im Gespräch mit der Bildschirmzeitung

Kommt eine Neuregelung bei der Biber-Regulierung?

Region – „Zig Hektar überflutet.” Und teils Bedrohungen von wichtigen Wegen – wie Bahnstrecken. Als nicht mehr aktzeptabel schätzt der Kißlegg-Immenrieder Landtagsabgeordnete Raimund Haser Schäden ein, die in jüngster Zeit immer wieder durch Biber verursacht werden. Der energie- und umweltpolitische Sprecher der CDU im Stuttgarter Landtag hat sich deshalb für eine neue Biberverordnung in Baden-Württemberg eingesetzt. Sie soll „vor Weihnachten tatsächlich erlassen werden”, sagte Raimund Haser …
Am 20. Dezember

Reservisten wandern zur Sebastianskapelle

Haisterkirch – Der Verband der Reservisten der Bundeswehr lädt die Reservisten aus dem Raum Bad Waldsee, Bad Wurzach und Aulendorf am 20. Dezember zu einer Weihnachtswanderung mit Gottesdienst in der Sebastianskapelle oberhalb von Haisterkirch ein. Treffpunkt ist um 16.30 Uhr vor dem Klosterhof in Haisterkirch (Ortsverwaltung). Der Gottesdienst in und an der Wallfahrtskapelle St. Sebastian findet gegen 18.00 Uhr statt. Eingeladen sind auch interessierte Bürger. In der Einladung heißt es:
Schwäbische Kultfigur „Herr Hämmerle“ im Leutkircher Bocksaal

Eskalation für die Lachmuskeln

Leutkirch – Es ist Samstagabend. Vorweihnachtszeit. Draußen vor dem Leutkircher Rathaus eine in den Dämmerschlaf gesunkene Schlittschuhbahn. Drinnen im 500 Jah­re al­ten Bock­ge­bäu­de ein bunt gemischtes Publikum, das sich auf alltägliche Ärgernisse, amtliche Bürokratie und zwischenmenschliche Reibung freut. Bernd Kohlhepp, einer der bekanntesten Kabarettisten im Süden, gibt sich hier zum wiederholten Mal die Ehre.

MEISTGELESEN

An unbeschranktem, aber rotlichtgesichertem Bahnübergang

Tödlicher Zugunfall bei Bad Saulgau! Auto von Zug erfasst und mitgeschleift

Bad Saulgau – Eine Kollision zwischen einem Regionalzug und einem Pkw hat am Mittwochabend (10.12.) bei Bad Saulgau ein Todesopfer gefordert. Den bisherigen polizeilichen Erkenntnissen zufolge wollte gegen 18.40 Uhr der 58-jährige Lenker eines VW aus einem Grundstück heraus direkt über den unbeschrankten Bahnübergang Herbertinger Straße/Neumühle fahren, missachtete dabei das blinkende Rotlicht und übersah zudem offensichtlich die aus Richtung Bad Saulgau herannahende Regionalbahn. Durch die f…
Ausführlicher Bericht

Bad Wurzach lehnt Biosphärengebiet ab

Bad Wurzach (dbsz) – Bad Wurzach steigt aus dem Prüfprozess zur Schaffung eines Biosphärengebietes in Oberschwaben aus. Mit 17 zu 4 Stimmen wurde am Montagabend (13.10.) in der Gemeinderatssitzung der Antrag der CDU-Fraktion angenommen. Ein Antrag der zweiköpfigen Fraktion der Grünen auf Vertagung einer Beschlussfassung wurde mit derselben Mehrheit abgelehnt. Die Entscheidung Bad Wurzachs gilt als schwerer Rückschlag für den Prozess, verfügt die Stadt doch mit dem Wurzacher Ried über ein Herz…
Das renovierte Barockjuwel ist wieder zugänglich

Freudenböller zur Wiedereröffnung der Kapelle in Osterhofen

Osterhofen – Der 2. Adventssonntag 2025 wird mit der Wiedereröffnung der Kapelle nicht nur in der Geschichte von Osterhofen, sondern auch in der ganzen Region Bad Waldsee einen besonderen Stellenwert einnehmen. Denn hier vor Ort zeigte sich, wie dank des außergewöhnlichen Engagements vieler Unterstützer und Befürworter des Sanierungsprojekts „Kapelle Mariä Opferung“ ein kunsthistorisches sakrales Kleinod zu neuem Leben erweckt werden konnte.
mit Bildergalerie
veröffentlicht am 9. Dezember 2025
Die beiden Gebetsvereinigungen bestehen seit mehr als 300 Jahren

Die Kapelle in Osterhofen ist die Heimstatt zweier Bruderschaften

Osterhofen – Die wiedereröffnete Kapelle in Osterhofen ist die Heimstatt zweier aus der Barockzeit stammender Bruderschaften, die nach wie vor blühen und über keinerlei Nachwuchssorgen klagen. Es sind die Ältere Marianische Bruderschaft von 1702 und die Jüngere Marianische Bruderschaft von 1718.
Gesehen von Eva Zitzl

Drei Engel beim Bad Waldseer Rathaus-Advent

Diese drei Weihnachtsengel hat unsere Leserin Eva Zitzl beim Bad Waldseer Rathaus-Advent gesehen. Sie waren am 5. Dezember im Schlepptau des Nikolauses. In Bad Waldsee geht jeden Tag im Advent am Rathaus um 17.00 Uhr ein Türchen auf und es gibt ein adventliches Programm (am Heiligen Abend um 11.00 Uhr). Das Programm wird täglich von der Bildschirmzeitung in der Ausgabe “Der Waldseer” angekündigt.

TOP-THEMEN

Region – „Zig Hektar überflutet.” Und teils Bedrohungen von wichtigen Wegen – wie Bahnstrecken. Als nicht mehr aktzep…
Leutkirch – Es ist Samstagabend. Vorweihnachtszeit. Draußen vor dem Leutkircher Rathaus eine in den Dämmerschlaf gesu…
Bad Saulgau – Eine Kollision zwischen einem Regionalzug und einem Pkw hat am Mittwochabend (10.12.) bei Bad Saulgau e…

VERANSTALTUNGEN