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In Wangen werden jährlich auf höchstem Standard mehr als 1200 Prothesen eingesetzt

Kunstwerke für Knie und Hüfte



Foto: Jürgen Schattmann, OSK

Wangen – Am Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung in Wangen werden jährlich auf höchstem Standard mehr als 1200 Prothesen eingesetzt.

Als Chefarzt Dr. Günther Waßmer und sein Oberarzt Dr. Raphael Kranz ihre Vorträge im Westallgäu-Klinikum beendet hatten, schienen fast alle Rätsel des menschlichen Körpers besprochen zu sein, zumindest aber die zu Knie- und Hüftprothesen. Rund 80 Fragen hatten die 53 Zuhörer in Wangen in den zurückliegenden 2:45 Stunden gestellt: Zement oder Keramik? Schlitten- oder Vollprothese? Und wann kann man eigentlich wieder Autofahren nach einer Operation?

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All diese Rätsel hatten die beiden gelöst, nur eines nicht: Ob er trotz einer Prothese und Schienbeinkopffraktur diesen Winter noch Skifahren könnte, wollte ein 87-Jähriger beim Herausgehen von Günther Waßmer wissen. „Und wo genau: blaue Piste oder rote Piste?“ Der Chefarzt lächelte nur: „Das hängt davon ab, wie Sie sich fühlen“, sagte Dr. Waßmer. „Nur: Mit der schwarzen Piste wäre ich vielleicht noch vorsichtig.“

Der Fall zeigt: Egal wie alt die Menschen sind, sie wollen mobil bleiben, keine Einschränkungen, möchten wieder Sport machen – auch mit künstlichen Gelenken. „Die Zeit, dass man das Alter, seine Zipperlein hinnimmt und akzeptiert, dass man nicht mehr alles machen kann, ist vorbei. Heute möchten die Menschen aktiv bleiben“, sagt Dr. Waßmer. Dass sie es können, sei auch das Verdienst der im Vergleich noch immer optimalen Gesundheitsversorgung in Deutschland. „Hier werden Endoprothesen bezahlt, in ärmeren Ländern ist das Privatsache, selbst in England wartet man inzwischen zwei Jahre auf eine derartige Behandlung.“ Das immer wieder zu hörende Klischee, dass in Deutschland zu viele Gelenkoperationen durchgeführt würden – etwa 400 000 pro Jahr – hält Dr. Waßmer deshalb auch für eine Mär. „Operationen gibt es auch hier nur dann, wenn sie nötig sind. Mehr als in anderen Ländern gibt es allein deshalb, weil sie von den Krankenkassen bezahlt werden und ärmere Patienten, die Schmerzen haben, nicht im Stich gelassen werden.“

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Auch im Westallgäu-Klinikum wird keiner im Stich gelassen. Das dortige Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung, das als Bonus auch über eine internistische Station und Intensivstation verfügt, muss mit seinen neun erfahrenen Hauptoperateuren höchste Ansprüche und Qualitätsstandards erfüllen. Im Vorjahr wurden hier mehr als 1200 Prothesen eingesetzt – dann nämlich, als nichts mehr anderes half. „Verschleiß ist etwas Natürliches. Unser Körper, unsere Gelenke sind etwa für eine Lebensspanne von 50 Jahren konzipiert, so hoch war lange Zeit auch die entsprechende Lebenserwartung. In diesem Alter setzt bei vielen Menschen Arthrose ein“, sagt Dr. Waßmer. „Die Ursachen sind vielfältig, Übergewicht, Genetik und Verletzungen sind die häufigsten. Ehe man sich allerdings operieren lässt, sollte man sich bewegen und Physiotherapie machen. Mit Krankengymnastik lassen sich die Ursachen zwar nicht beheben, die Beschwerden aber oft lindern, auch in Kombination mit Medikamenten und Bandagen.“

Wenn der Leidensdruck zu groß wird und das Leben durch ständige Schmerzen, teils auch Ruheschmerzen, zur Qual wird, wenn selbst eine gelenkerhaltende Operation, bei der der Knorpel geglättet und der Meniskus saniert wird, nicht mehr in Frage kommt, rät der Chefarzt zum künstlichen Kniegelenk. Das ist anatomisch exakt so aufgebaut wie ein natürliches. Bei der Operation wird so wenig Knochen und Knorpel wie möglich entfernt und das Gelenk ähnlich einer Zahnkrone überkront. Als Meniskusersatz wird zwischen beiden Metallteilen ein bewegliches Kunststoff-Inlay eingesetzt.

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Es gibt drei verschiedene Prothesenmodelle: Ist nur ein Teil des Gelenks befallen (in der Regel der innere Anteil), kann eine Schlitten- respektive Teilprothese implantiert werden – das vordere Kreuzband bleibt erhalten. Sind alle oder mehrere Gelenkabschnitte vom Verschleiß betroffen, wird üblicherweise eine Oberflächenersatzprothese verwendet. Nur bei extremen Beinfehlstellungen, ausgeprägten Bandinstabilitäten oder im Wechselbereich werden achsgeführte gekoppelte Prothesen implantiert.

Die Materialien sind dank digitaler, präoperativer Planung sowohl bei Hüfte und Knie passgenau und müssen höchsten Anforderungen genügen. „Sie müssen korosionsbeständig sein, dürfen vom Körper nicht abgestoßen werden und vor allem Bewegungen und Stößen standhalten“, sagt Dr. Waßmer. Im Prinzip sind es kleine, individuelle Kunstwerke. Verwendet werden hochwertige Metalllegierungen, in der Regel polierte Edelstahlverbindungen. Titan ist am Kniegelenk den hohen Stoßbelastungen nicht so gut gewachsen und wird deshalb nicht eingesetzt.

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Der Eingriff mittels Navigation und virtueller Planung dauert 60 bis 90 Minuten. Bereits am Tag danach beginnt die Krankengymnastik, Tags darauf darf das Knie wieder voll belastet werden. Nach acht Tagen auf Station folgt eine Rehabilitation – die Sozialberatung in Wangen organisiert sie direkt vor Ort.

Auch bei einer Hüftgelenksarthrose ist der Knorpelüberzug abgenützt, die Reibung des Gelenkkopfs gegen die Pfanne führt zu starken Schmerzen. „In Wangen operieren wir standardmäßig mit dem minimalinvasiven, muskelschonenden Vorderen Zugang oder mit dem Lateralen Zugang“, sagt Dr. Raphael Kranz, Hauptoperateur am Endoprothetikzentrum.

Durch das muskelschonende Vorgehen erreicht der Patient nach der Operation die eigenständige Mobilität schneller, so dass die Patienten in der Regel bereits nach drei bis vier Tagen das Krankenhaus wieder verlassen können. „Die Patientenzufriedenheit nach dem Eingriff ist sehr groß: Sie liegt bei über 95 Prozent in den Langzeitergebnissen. Hüft-TEP-Implantationen sind damit die erfolgreichste orthopädische Operation überhaupt. Laut Daten des Endoprothesenregisters erreichen über 95 Prozent der Hüftprothesen bereits eine Standzeit von über 15 Jahren. Seriös geschätzt gehen wir von einer mittleren Standzeit von 25-30 Jahren aus.“

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Auch Dr. Kranz musste einige Fragen nach den Sportmöglichkeiten mit künstlicher Hüfte beantworten. „Schwimmen, Wandern, Radfahren, Gymnastik, Langlaufen werden ärztlich empfohlen. Aber Sie können im Prinzip alle Sportarten uneingeschränkt ausüben“, sagte er. Ob es dabei aber unbedingt die schwarze Piste sein muss, darf jeder für sich selbst entscheiden.

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Fotos: Jürgen Schattmann, OSK

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