Klares Nein zur verpflichtenden Ganztagesbetreuung an der Grundschule Bad Wurzach
Bad Wurzach – Ab dem Schuljahr 2026/2027 wird bundesweit schrittweise der Rechtsanspruch für Grundschulkinder auf Ganztagsbetreuung eingeführt, beginnend bei den Erstklässlern. In der großen Flächengemeinde Bad Wurzach wird die Ganztagsbetreuung in der zentralen Grundschule an Memminger Straße angeboten. Es gibt auch in den Grundschulen in den Ortschaften Betreuungsangebote („Verlässliche Schule“), aber keine dieser Grundschulen ist als Ganztagesschule konzipiert.
Der Gemeinderat hatte in seiner Sitzung am 21. Juli zu entscheiden, in welcher Form die Ganztagesbetreuung an der Grundschule Bad Wurzach stattfinden soll. Verpflichtend oder offen? Als Pflicht also für alle Grundschulkinder, auch nachmittags in die Schule zu gehen, oder als freiwillig an Anspruch zu nehmendes Angebot? Bei der verpflichtenden Ganztagsbetreuung hat die Grundschule die Möglichkeit, klassischen Schulstoff auch nachmittags anzubieten und betreuende Angebote auch vormittags zu realisieren. Die offene Ganztagsbetreuung, die den Eltern die Wahlfreiheit belässt, ihr Kind nachmittags zu Hause zu lassen und selbst zu betreuen, kann nachmittags folgerichtig lediglich betreuende Angebote machen und muss den Schulstoff weitgehend am Vormittag anbieten.
Offen oder verpflichtend – diese Frage wurde klar entschieden. Nein zur Verpflichtung, die Kinder auch nachmittags zu schicken, das war der Tenor im Gemeinderat. Begründet mit der Wahlfreiheit der Eltern. Mit der Freiheit auch der Kinder, über ihren Nachmittag verfügen zu können. Um beispielsweise auch in Vereinen mitmachen zu können.
Solche Argumente hatte unter dem Tagesordnungspunkt „Fragen der Bürger“ auch Florian Koch vorgetragen, ein Elternvertreter, auch selbst Lehrer. Bürgermeisterin Alexandra Scherer: „Wir haben dazu ähnliche Rückmeldungen bekommen.“
Die Sachlage fasste der zuständige Dezernent Ulrich Möllmann wie folgt zusammen: Im Dezember 2021 sei das Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter in Kraft getreten. Damit entstehe ein Rechtsanspruch zur ganztägigen Betreuung von Kindern im Grundschulalter. Dieser werde stufenweise, ab der 1. Klasse und ab dem Schuljahr 2026/2027 eingeführt. Der Stadtrat hat in seiner Verwaltungs- und Sozialausschuss-Sitzung (VSA) am 24.02.2025 die nötigen baulichen Voraussetzungen beschlossen. Für den Betrieb einer Ganztagsschule sei ein Antrag über das staatliche Schulamt beim RP Tübingen bis zum 01.11.2025 einzureichen. Ein wesentlicher Baustein des Antrages sei die Vorlage des pädagogischen Konzeptes. Dieses müsse dazu bis zum 01.10.2025 beim staatlichen Schulamt zur Prüfung vorliegen.
Die Frage, an der sich die Diskussion der Eltern entzündete, war, ob die Eltern selbst entscheiden können, ob sie zusätzlichen Betreuungsbedarf in Ansprach nehmen (Wahlform) oder ob die Betreuungszeiten allen Kindern verpflichtend vorgegeben würden.
Claudia Weitprecht, die Rektorin der Grundschule, verteidigte die aus ihrer Sicht sinnvolle verbindliche Form, da hierdurch sich die Chance eröffnen würde, dass anstelle von Unterricht am Vormittag anderweitige Beschäftigungen wie Basteln, Bewegung oder Spiele möglich wären. Dadurch seien Kinder nicht einem dauerhaften Lerndruck ausgesetzt.
Die Mehrheit der Eltern nimmt derzeit die Betreuung nicht in Anspruch
Umfragen unter den Eltern der 217 Grundschüler an der Bad Wurzacher Grundschule ergaben, dass aktuell 89 Kinder (41 %) das Betreuungsangebot nutzen, dabei reiche die Betreuung in den einzelnen Fällen von einem bis zu den vollen fünf Tagen. Bei einer weiteren Umfrage bei zukünftig betroffenen Eltern wurde eine Quote von 42 % festgestellt.
Möllmann ergänzte, dass unabhängig von der Form die Stadt die Betreuung der Kinder während der Mittagszeit sicherstellen muss. Auch Zeiten außerhalb der Schulzeit deckt die Stadt mit Randzeiten ab. Dies entspreche dem jetzigen Betreuungsbedarf. Der überwiegende Teil der Schulträger entscheide sich für die Wahlform, nur in größeren Städten stellten diese Anträge auf den Wechsel zum verbindlichen Ganztag, um damit alle Kinder in das Ganztagesangebot einzubeziehen. Für die Eltern bedeute die Wahlform, Betreuungsangebote flexibel dazuzubuchen. Ganztag in verbindlicher Form dagegen sei für alle Kinder wegen der Schulpflicht verpflichtend. Wem dies nicht zusage, müsse dann einen Antrag auf Schulwechsel stellen (Besuch einer Bad Wurzacher Grundschule auf dem Land).
Hier hakten Gisela Brod und Manfred Braun (beide von den Freien Wählern) ein. Sie befürchteten Kindertransporte „kreuz und quer“ und sprachen von Elterntaxis.
“Möchte mit meinen Kindern zusammensein”
Bernhard Schad (Freie Wähler) sprach sich strikt gegen die verbindliche Form aus. Diese verändere die Familienstruktur. Auch würden damit Angebote von Vereinen betroffen. „Ich möchte mit meinen Kindern Schulaufgaben machen, mit ihnen zusammen essen.“
Petra Greiner (CDU) stieß ins selbe Horn: Sie würde lieber mit ihren Kindern zu Hause essen und die Freizeit gemeinsam gestalten. Sie verwies auf die wichtige Eltern-Kind-Beziehung. Auch sie sprach das Problem Schulwechsel an. Die Schulen in den Teilorten hätten diese Wahlfreiheit nicht. Die Verbindliche Form komme nur bei einem klaren Votum der Eltern in Frage. Da dies nicht der Fall sei, komme für sie nur die Wahlform in Frage.
Rainer Deuschel (Grüne) sprach sich angesichts des sichtbaren Elternwillens für die Wahlform aus. Man könne ja später auf die verbindliche Form wechseln.
Für Ernestina Frick (Freie Wähler) liege die Entscheidung, welche Ganztagesform klar bei den Eltern. Ein Schulwechsel sei nicht gut für die Kinder. Die Einflussnahme auf das Familienleben sei nicht passend. Familien hätten nun einmal verschiedene Lebenskonzepte.
Kurt Miller (Freie Wähler) riet dazu, vor einer Entscheidung für eine verbindliche Form noch einmal intensiv zu diskutieren. Man könne eine so wichtige Entscheidung nicht übers Knie brechen.
Bei der Abstimmung war die einhellige Meinung pro Wahlform. Nur die MirWurzacher-Fraktion stimmte hier mit Enthaltung.
Weiter wurde die Verwaltung mit einstimmigem Beschuss beauftragt, mit der Schulleitung des SBBZ ein Betreuungskonzept zu entwickeln.
Uli Gresser














