Judith Ehrmann: 30 Jahre und ein riesiger Erfahrungsschatz
Bad Wurzach – Judith Ehrmann hat mit ihren gerade einmal 30 Jahren schon sehr viel erlebt. Die Tochter von Ute und Stephan Ehrmann ist gelernte Kfz-Mechatronikerin, war Mechanikerin eines Racing-Truck-Europameisters, aber auch schon bei der Rallye Dakar als Mechanikerin dabei und ist vor knapp drei Jahren ins elterliche Busunternehmen Ehrmann-Reisen eingestiegen. Ein Portrait.
Judith Ehrmann sagt: „Ich hatte immer viele engagierte Leute um mich herum, die gerne Verantwortung übernehmen.“ So sah sie auch bei ihrem Aufwachsen viele Frauen, die nicht in typische Frauenrollen passten.
Sie wuchs gemeinsam mit ihrer Schwester Kathrin und ihrem Bruder Jakob im Busunternehmen Ehrmann, das ihr Großvater Karl Ehrmann gegründet hat, auf. Ebenso prägend für sie war aber auch die Zeit, die sie bei ihrem Opa mütterlicherseits, dem Uhrmacher Max Westermayer, verbrachte, der das Verständnis für Technik aller Art in ihr weckte und bei dem sie viel erlebte. „Schön ist es, wenn man am Ende des Tages etwas gschafft hat,“ pflegte er zu sagen.
Jahrgangsbeste in der Ausbildung
Weil sie sich schon immer für Technik interessiert hatte, ging sie mit etwa 14 Jahren – als eines der ersten Mädchen – in die Jugendfeuerwehr Bad Wurzach. Nach ihrem Realschulabschluss wollte sie ins Handwerk gehen. „Ich wollte nicht als Kundenkind, etwa zu Mercedes in Ravensburg oder nach Leutkirch gehen, deswegen machte ich meine Ausbildung im Autohaus Biberach,“ betont sie. Bereits während ihrer Ausbildung erhielt die angehende Kfz-Mechatronikerin aufgrund ihrer sehr guten Noten im Rahmen eines Austauschprojektes die Möglichkeit, einige Wochen in England zu arbeiten. Dabei kristallisierte sich heraus, dass ihr die Arbeit an Lkws mehr lag. Nachdem sie ihre Ausbildung als Jahrgangsbeste abgeschlossen hatte, machte sie sich, nachdem sie praktisch „nebenher“ den Lkw-Führerschein gemacht hatte, wenig später auf nach Schweinfurt, wo sie die kombinierte Meisterschule zum Kfz-Meister und zum Betriebswirt absolvierte. Auch von dort brachte sie nur Auszeichnungen mit, sie wurde am Ende mit dem bayerischen Staatspreis ausgezeichnet.
“Rennfieber”
Bei einem ihrer Heimatbesuche „infizierte“ sie sich auf einer Ausstellung in Ravensburg mit dem Rennfieber: ein dort ausgestellter Renntruck faszinierte sie so sehr, dass sie dem Menschen, der den Stand betreute „acht Stunden auf die Nerven gegangen bin“. Dieser war zufälligerweise der Chef des Teams und suchte einen Fahrer, der während der Saison mit dem Auflieger Material und Fahrzeuge zur Rennstrecke pilotierte. Um das in Nürtingen beheimatete Team und die Arbeit kennenzulernen, pendelte sie im Winter häufig von Schweinfurt, wo sie noch wohnte, dorthin. Bald stellte sich heraus, dass dem Team auch ein Mechaniker fehlte. Also musste sie auch dort und später auf dem Rennplatz beweisen, dass sie es – auch unter Drucksituationen – kann. Und so kam es, dass sie als Chefmechanikerin das Fahrzeug des Europameisters betreute. Die Truck Europameisterschaft ist eine FIA-Rennserie mit dem entsprechenden Reglement. Das heißt, jedes Team baut seinen Renn-Lkw nach den Vorgaben des Reglements selbst auf. Sie sah, dass es eine große Chance für sie war, enorm viel zu lernen – und das als Mini-Jobber. Daher zog sie nach Tübingen. Zwischendurch nahm sie sich aber noch eine Auszeit: Während der Wintermonate führte sie Geländetouren in Nordafrika, in Tunesien und Marokko und sammelte dort erste Wüstenerfahrungen, die ihr später noch sehr nützlich werden sollten. „Es war eine sehr schöne Zeit, mit freundlichen und offenen Menschen.“
Danach machte sie das Gleiche wie im Vorjahr, nur eben als Festangestellte bei MB Motorsport. Als sich abzeichnete, dass MB Motorsport Ende 2018 aufhören wollte, suchte sie etwas Neues. Eigentlich hatte sie zur Jahreswende bereits einem Bekannten in England zugesagt, dort als Abschleppfahrer zu arbeiten, als ein Anruf aus Egenhausen aus dem Landkreis Lahr kam. Die Szene der Renntrucks-Rennen ist klein, es hatte sich herumgesprochen, dass sie gute Arbeit geleistet hatte. Norbert Kiss suchte für sein Team, das zwei Renntrucks einsetzte, einen Mechaniker-Meister. Dann also Egenhausen statt England. Der zweite Fahrer Steffen Fraas lag mit ihr auf einer Wellenlänge, erklärte ihr viel beim Aufbau der Trucks, so dass sie dabei sehr viel lernte. Mit ihm verbindet sie noch heute eine Freundschaft.
Acht bis zwölf Rennen im Jahr, dazu Testfahrten und andere Termine, nach sechs Jahren anfangs 2022 stellte sich für sie die Frage: „Willst du das dein Leben lang machen?“ Denn es war zwar an den Rennstrecken immer anders, aber doch immer das Gleiche. Denn sie wollte Verantwortung übernehmen, obwohl sie soviel Energie investiert hatte. „Vielleicht ist da noch etwas anderes Wichtiges?“ fragte sie sich. Nachdem ihre Geschwister es geschafft hatten, im Busunternehmen einzusteigen, wuchs in ihr der Wunsch, gemeinsam mit ihnen etwas aufzubauen bzw. das elterliche Unternehmen weiterzuführen.
Ihr geplanter Einstieg im Oktober 2022 begann dann auch gleich mal mit einer Panne, sie kam an ihrem ersten Arbeitstag zu spät. Sie war am Wochenende zuvor noch bei einer Spaßveranstaltung an der Kultrennstrecke von Brands Hatch gewesen, war auf der Fahrt zum Flughafen Heathrow in einen Stau geraten und hatte ihr Flugzeug verpasst. Deswegen konnte sie erst um 12.00 Uhr ihren Dienst bei Ehrmann Reisen antreten.
Rally Dakar
Doch ganz mit dem Motorsport abgeschlossen hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht: Die Rallye Dakar hatte sie immer schon fasziniert und nach ihrer Tätigkeit als Reiseführerin in Nordafrika war dieser Wunsch, einmal dort dabei zu sein, wieder gewachsen. Diese Chance, als Mechanikerin dabei zu sein, erhielt sie bei einem tschechischen Team, das sie von der Truck-EM her kannte.
So startete sie am ersten Weihnachtsfeiertag 2022 in die „härteste Zeit meines Lebens“. Von Prag aus ging der Flug nach Saudi-Arabien. Alle zuvor ausgesprochenen Warnungen trafen ein. 600 – 800 km pro Tag auf unbefestigen Wegen waren im Begleitfahrzeug zurückzulegen, bei Tagestemperaturen von 40 Grad und Nachttemperaturen bis zu minus zwei Grad. „Nach der Fahrt musste sechs Stunden bis in die Nacht hinein geschraubt werden, wenn nichts kaputt gegangen war. Aber meistens war etwas kaputt…“. An Schlaf war in dieser Zeit kaum zu denken. „Deswegen konnte jeder nur eine Stunde fahren und musste dann abgelöst werden.“ Ihr Team bestand aus etwa 70 Leuten, die drei Lkw´s, einen Oldtimer-Lkw und zwei Buggys betreute. Neben den Technikern und Mechanikern war auch ein Physiotherapeut und ein Arzt mit dabei. „Diese brauchte es auch, weil nicht nur das Material nicht unendlich viel aushält, sondern auch die Ressource Mensch nicht unendlich belastbar ist.“ „Wenn mir jemand am zweiten Tag ein Rückflugticket angeboten hätte, ich hätte es glatt angenommen“, sagt Judith Ehrmann über die Strapazen in diesen Tagen und Wochen. Aber dennoch war ihr Team in jeder Klasse erfolgreich, denn es erzielte jeweils den dritten Platz.
Im Familienunternehmen Ehrmann
Zurück in Deutschland wurde es für sie zu Hause ernst: Zunächst war sie gemeinsam mit ihrem Bruder Jakob für die Werkstatt zuständig, der 2020 eingestiegen war, nachdem bereits 2017 ihre Schwester Kathrin diesen Schritt getan hatte. Ihr gemeinsames Ziel formuliert Judith Ehrmann so: „Hier habe ich den Sinn gefunden: Wir alle drei wollen, dass es weitergeht, denn wir leisten etwas für die Gesellschaft.“ Man wolle auch ein attraktiver Arbeitgeber sein.
Das Thema Fernreisen war lange ein schwieriges Feld. Durch die Kooperation mit anderen Busunternehmen, ähnlichen Familienunternehmen, kann auch Ehrmann Reisen zu 100% garantieren, dass eine Reise stattfindet. Was früher oft wegen mangelnder Anmeldungen nicht funktioniert hatte. Jetzt habe man sogar wieder einen Reisekatalog herausgebracht.
Sie selbst habe als Quereinsteigerin das Geschäft schon gekannt, sie war auch selbst ein paarmal Linie gefahren. Sie arbeitet aktuell als Assistentin der Geschäftsleitung. „Ich bin stolz darauf, dass ich diesen Weg für die Zukunft gefunden habe. Und glücklich darüber, dass es so gut funktioniert.”
Text und Bilder: Uli Gresser
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