Gedenkfeier auf dem Friedhof und in der Schlosskapelle
Bad Wurzach – Kurz vor dem Heiligblutfest gedachten die Komitees der Partnerschaftsvereine aus Jersey und Bad Wurzach sowie die 30-köpfige Delegation aus St. Helier, die zur Mitfeier des Heilig-Blut-Festes nach Bad Wurzach gekommen war, an der Aussegnungshalle und auf dem Friedhof an den Gräbern der während der Zeit Internierung im Bad Wurzacher Schloss verstorbenen Internierten. Mit dem Delegationsleiter Deputy Bailiff Robert MacRae und dem Bürgermeister von St. Helier, Simon Crowcoft, und Angehörigen hatten sich auch fünf in der Kriegszeit als Kinder Internierte mit auf den Weg nach Bad Wurzach gemacht. 80 Jahre zuvor waren mehr als 600 Jerseyaner im Wurzacher Schloss interniert gewesen.

Die Namen der aus Jersey Verschleppten, die in Wurzach während der Internierungszeit (1942 bis 1945) verstarben.

Lorelei Garvin, Enkeltochter von Lola Garvin, einer ehemaligen Internierte, legt am Grab eines der in der Wurzacher Internierungszeit Verstorbenen eine Rose nieder.

Mit einem feierlichen Musikstück eröffnete Hanna Gräber am E-Piano musikalisch die würdevolle Gedenkfeier.
Gisela Rothenhäusler, die Vorsitzende des Jersey-Komitees im Partnerschaftsverein, Historikerin und treibende Kraft auf Seiten des Bad Wurzacher Partnerschaftsvereines, zeigte sich sehr erfreut, dass aus der dunklen Vergangenheit, die beide Städte einst verbunden hatte, heute zahlreiche Freundschaften entstanden sind. Angesichts der Lage in der Welt sei es wichtig, sich 80 Jahre nach Kriegsende immer und immer wieder vor Augen zu führen, wie wichtig Frieden ist und was Krieg anrichten kann.

Gisela Rothenhäusler bei ihrer Ansprache an den Gräbern der Internierten.
Die Fähigkeit zu vergeben
Bürgermeisterin Alexandra Scherer betonte, dass das Ende des Zweiten Weltkrieges für die gesamte Menschheit eine Befreiung war. In Bad Wurzach endete der Krieg und damit auch die Leidenszeit der Internierten durch den Einmarsch französischer Truppen bereits am 28. April 1945. „Ein Krieg, der unermesslich viel Tod und Leid über die Menschheit gebracht hat.“ Für die völlig unschuldig Internierten bedeutete dieser 28. April 1945 das Ende einer Leidenszeit, die auch die Stadtgeschichte für immer geprägt hat.
Der Versöhnungsprozess, der sogar von ehemaligen Internierten ab den 1970ern selbst ausging, sei vor dem Hintergrund der Geschichte, die beide Städte verband, keineswegs selbstverständlich und erfülle sie noch immer mit großer Freude. Die Partnerschaft, inzwischen zu einer Freundschaft geworden, sei trotz oder gerade wegen der gemeinsamen Geschichte – der Internierung – entstanden. Wofür es viel Menschlichkeit und die Fähigkeit zur Vergebung bedurft habe. Ein wichtiger Teil sei das Gedenken, auch an diejenigen, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten. Deshalb sei es bereits gute Tradition, dass bei Delegationsbesuchen immer eine Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof stattfinde.

Bürgermeisterin Alexandra Scherer bei ihrer Ansprache in der Aussegnungshalle.
618 Jerseyaner waren im Wurzacher Schloss interniert
Deputy Bailiff Robert MacRae bedankte sich für den freundlichen Empfang. Er erinnerte an die Geschehnisse von Ende 1942, als auf den beiden Inseln Guernsey und Jersey dort lebende Briten im Alter von 16 bis 70 Jahren mit ihren Familien die Nachricht erhielten, innerhalb von 24 Stunden nach Deutschland deportiert zu werden. Mehr als 2000 Inselbewohner wurden so nach Deutschland gebracht, 618 aus Jersey Deportierte kamen auf diese Weise ins Wurzacher Schloss, das sich zu dieser Zeit in einem desaströsen Zustand befand. Trotz dieser Defizite erfuhren die Internierten während ihrer Gefangenschaft von der Bevölkerung viel Freundlichkeit, wie Gisela Rothenhäusler in ihrem Buch über das Wurzacher Schloss schreibt. So etwa, wie einige Einheimische den Kindern Geschenke machten. Etwa einen Puppenwagen, den eine Frau nach Kriegsende mit nach Jersey nahm. Oder die Geschichte eines Internierten, der freiwillig bei einem Bauernhof in der Nähe arbeiten sollte, aber bei den Mahlzeiten so viel Apfelwein bekam, dass sich die Arbeiter „wie Trunkenbolde aufführten“.
Wichtig an der gemeinsamen Geschichte sei das Erinnern. „Die heutigen Beziehungen zwischen St. Helier und Bad Wurzach sind ein eindrucksvolles Beispiel für Versöhnung, Freundschaft, Frieden und Hoffnung.“

Deputy Bailiff Robert MacRae bei seiner Ansprache.
Ehemals Internierte erinnerte an Michael Ginns
Damals als Kind in Wurzach eingesperrt, heute hochbetagt als freie Bürger zu Gast: Fünf ehemalige Internierte aus Jersey waren heuer – 80 Jahre nach Kriegsende – nach Bad Wurzach gekommen. In ihren Ansprachen sprachen sie Worte der Versöhnung. Alle würdigten den verstorbenen Michael Ginns als Motor der Versöhnung. Ginns wurde für seine Verdienste um die Städtepartnerschaft mit der Ehrenmedaille der Stadt Bad Wurzach ausgezeichnet.

David Drage war als Kind im Wurzacher Schloss interniert.

Sir Mark Boleat, dessen Familie aus Jersey stammt und in Biberach interniert war.

Gill James, Mitglied im Partnerschaftsverein von St. Helier.

Sylvia Diamond, ehemalige Internierte.

Gedenken im ökumenischen Miteinander: Berndt Rosenthal, katholischer Diakon, und Michael Diamond, anglikanischer Geistlicher.
Nach diesen Gedanken zur Versöhnung wechselte man zu den Gräbern der hier verstorbenen Internierten, um dort innezuhalten. An jeder Grabstelle wurde von Angehörigen, ehemaligen Internierten oder Mitgliedern des Partnerschaftsvereines eine Rose niedergelegt, nachdem Daten zum Leben der Verstorbenen verlesen worden waren.
Zum Gottesdienst kam auch Altbürgermeister Helmuth Morczinietz
Nach dem Segen durch Diakon Berndt Rosenthal, im Bad Wurzacher Partnerschaftsverein Vertreter der Kirchen, ging es weiter zu einem kleinen Gedenkgottesdienst in die Schlosskapelle, der unter dem Motto stand „A Service of Remembrance and Hope“ („Ein Gottesdienst der Erinnerung und Hoffnung“), gehalten von Berndt Rosenthal und Michael Diamond, einem Reverend aus Jersey. Als besonderer Ehrengast mit dazu geholt wurde Altbürgermeister Helmuth Morczinietz, der in seiner Amtszeit die Weichen für die Partnerschaft gestellt hatte.
Ein besonderes Lob erhielt Diakon Berndt Rosenthal, der das Programmheft für den Ablauf zweisprachig zusammengestellt hatte. Und Robert Häusle, der die gesungenen Lieder an der Orgel begleitete, faszinierte sämtliche Gottesdienstbesucher mit seinem Auszugslied so sehr, dass kein einziger die Kirche vorzeitig verließ. Donnernder Applaus für die Darbietung.
Wer von den Gästen von der Kanalinsel wollte, konnte zum Abschluss noch eine Führung durch das Schloss miterleben.
Text und Fotos: Uli Gresser
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