„Ein Grund zu feiern”
Bad Wurzach – Bürgermeisterin Alexandra Scherer hat am Festakt „50 Jahre Eingemeindung” am Freitagabend (10.10.) die vor 50 Jahren abgeschlossene Eingemeindung von neun Landgemeinden nach Bad Wurzach gewürdigt. Die Bildschirmzeitung „Der Wurzacher” dokumentiert die Festansprache im Wortlaut:

„Es wurde in den vergangenen 50 Jahren ein gutes Miteinander geschaffen, das wir beibehalten und in die Zukunft führen müssen.” Dieses Fazit zog Bürgermeisterin Alexandra Scherer beim Festakt „50 Jahre Eingemeindung” am 10. Oktober 2025. DBSZ-Archivbild
Zunächst ein großes Dankeschön an die eigens und nur für diesen Anlass gegründete, „Projekt-Kapelle“, wie man heutzutage so sagt. Eine Kapelle, die sich aus Musikanten aller zehn örtlichen Kapellen zusammensetzt. Organisiert von Wolfgang Grösser, bekannt vom alljährlichen und beliebten Serenadenkonzert, haben sich unter der Leitung von Petra Springer ca. 45 engagierte Musikanten zusammengefunden, die die Bad Wurzacher Vielfalt musikalisch und auch optisch, durch die jeweils eigenen Uniformen, darbringen.
Ein sehr guter Auftakt für unseren Festabend, vielen Dank! Und schön, dass wir später auch noch mehr von Ihnen hören werden!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Stadt- und Ortschaftsräte,
sehr geehrte aktive und ehemalige Ortsvorsteher u. Ortsvorsteherinnen,
geschätzte Vertreter unserer Kirchen und Glaubensgemeinschaften, Frau Pfarrerin Kuczera, Herr Pfarrer Maier und Herr Pfarrer Meschenmoser
liebe Gäste,
ich freue mich, dass Sie so zahlreich unserer Einladung zum heutigen Festabend anlässlich 50 Jahre Eingemeindungen in Bad Wurzach gefolgt sind.
Ganz besonders freue ich mich, dass wir heute, wie bei vielen unserer Veranstaltungen, unsere geschätzten und verdienten Bürgermedaillenträger und unseren Ehrenbürger der Stadt, Herrn Alois Fimpel, begrüßen dürfen.
Herr Fimpel, Ihnen wurde die Ehrenbürgerwürde der Stadt Bad Wurzach verliehen, weil Sie als langjähriger Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister über Jahrzehnte große Verdienste zum Wohle der Stadt erworben haben. Als Zeitzeuge, als Akteur der damaligen Zeit ist es ein Glücksfall, dass Sie heute mit uns feiern können!
Und das gilt auch für viele unserer Bürgermedaillenträger, schon damals aktiv dabei, die Bad Wurzach mitgestaltet haben!
Eine große Freude ist es mir auch, unseren langjährigen Vertreter im Deutschen Bundestag, Herrn Josef Rief MdB a.D. heute begrüßen zu dürfen. Lieber Josef, auch Du hast die Stadt Bad Wurzach über viele Jahre immer mit größtem Wohlwollen begleitet und warst als unser Wahlkreisabgeordneter sehr präsent und nahbar. Herzlich willkommen auch heute hier bei uns.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Gemeinde-Gebietsreform in Baden-Württemberg im Zeitraum von 1968 bis 1975 hatte große Auswirkungen auf unsere Raumschaft und hat im Ergebnis die heutige Stadt Bad Wurzach hervorgebracht.
Beginnend Anfang 1972 mit dem Anschluss von Arnach, Eintürnen, Ziegelbach, im Laufe des Jahres dann Hauerz und Gospoldshofen sowie zum 01.01.73 Dietmanns und Haidgau, wurden dann Anfang 1975 mit Seibranz und Unterschwarzach per Gesetz die letzten beiden unserer heute neun Ortschaften zu Bad Wurzach eingemeindet.
Am Ende dieses Eingemeindungsprozesses hatte sich die Einwohnerzahl der neuen Großgemeinde vervierfacht und nach der Gemarkungsgröße sind wir seither die drittgrößte Gemeinde in Baden-Württemberg mit einer Fläche von mehr als 182 km2.
All das jährt sich heuer zum 50. Mal und das ist aus unserer Sicht ein guter Grund zu feiern.
Auch wenn der damalige Eingemeindungsprozess beileibe nicht einfach war oder gar ein Selbstläufer.
Es mussten zehn bis dahin selbständige Gemeinden mit vielen dazugehörige Weilern und Wohnplätzen zusammengeführt werden, die alle jeweils eine eigene Geschichte, ein eigenes Selbstverständnis und vor allem auch alle sehr unterschiedliche Erwartungen an die Zukunft hatten.
Das Landes-Innenministerium, das für den politischen Eingemeindungsprozess damals federführend war, konnte für heute leider keinen Vertreter entsenden, um noch einmal darzustellen, warum es überhaupt eine Gemeindereform gab und was damit erreicht werden sollte. Denn:
- Ziel war es, durch Zusammenschlüsse von Gemeinden größere, leistungsfähigere Verwaltungseinheiten zu schaffen und so die Effizienz der Kommunen zu stärken.
- Insbesondere sollte auch die Verwaltungskraft gestärkt werden.
Kleinere Gemeinden sollten zusammengelegt werden, um ihre Aufgaben besser erfüllen zu können. - Es sollte weiterhin eine Anpassung an geänderte Lebensverhältnisse erfolgen und gleichzeitig
- auch eine Angleichung der Lebensverhältnisse erreicht werden
- Eher abstrakt, aber mit ähnlichem Inhalt, war das Ziel zur Verringerung des “Stadt-Umland-Gefälles”:
Im Umland der Städte sollten sich Gemeinden zu leistungsfähigen Partnern der Kernstädte entwickeln, um so die Einwohner am Ort halten zu können.
Im Ergebnis sind von den ursprünglichen 3379 Gemeinden in Baden-Württemberg im Jahr 1975 durch die Gemeindereform „nur noch“ 1111 übriggeblieben.
Darüber hinaus war die Gemeindereform auch Teil einer größeren Verwaltungsreform, die auch die Neugliederung der Landkreise und die Anpassung von Regierungsbezirken beinhaltete.
Bei uns kamen z.B. Unterschwarzach und Dietmanns aus dem Landkreis Biberach dazu, Haidgau war schon damals im Kreis Ravensburg, aber Bad Wurzach selbst gehörte zum früheren Altkreis Wangen.
Viele der oben genannten Ziele wurden aus heutiger Sicht in Bad Wurzach erreicht, wir werden das im Laufe des Abends aus der Warte der einzelnen Ortsteile und des heutigen Kernorts noch näher betrachten.
Auf dem Weg bis hierher waren aber schon einige besondere Schwierigkeiten zu meistern.
„Zeitzeugen“ aus der damaligen Verwaltung, Herr Schumacher und Herr Depfenhart, die beide heute leider nicht dabei sein können und sich entschuldigen lassen, haben für uns aber nochmals zurückgeblickt und uns ihre Erinnerungen und Einschätzungen zusammengefasst.
Auch mit Herrn Otto Frisch, der sich um die Erfassung der Heimatgeschichte von Bad Wurzach verdient gemacht hat, habe ich gesprochen. Er kann ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen, lässt aber viele Grüße ausrichten.
Aus diesen Gesprächen und Rückblicken wird deutlich, dass der damalige Prozess zunächst einmal viel Arbeit für alle Beteiligten war. Auch deshalb, weil es damals z.B. noch keine Computer gab, die Schreibarbeit in den Amtsstuben wurde im Wesentlichen auf mechanischen Schreibmaschinen – noch nicht einmal auf elektrischen!- geleistet, Schreiben wurden von der Sekretärin getippt und dann als Brief mit der Post versandt.
Die Verwaltung musste durch die neuen Aufgaben auch völlig neu aufgestellt werden, ab 1975 wurde die Stadt dann auch Baurechts- und Gaststättenbehörde. Bis dahin hatten alle noch Platz im Rathaus, nur das Bauamt war ausgegliedert, aber das reichte dann nicht mehr aus.
Die notwendigen Beratungen zur Umsetzung der Gemeindereform erfolgten in unzähligen Ortschafts- und Gemeinderatssitzungen. Insbesondere die damals noch sehr intensiv kultivierten „Nach-Sitzungen“ waren wichtig, um die doch unterschiedlichen Erwartungen auf allen Seiten wieder zurechtzurücken. Das hat anscheinend bei den damaligen Akteuren öfters zu kurzen Nächten geführt …!
Schon ab 1974 gab es erstmals ein gemeinsames Amtsblatt, das zur besseren Aufmerksamkeit auf grünem Papier gedruckt wurde und deshalb bei vielen noch heute einfach „Das grüne Blatt“ ist.
Schon damals gab es im Gemeindegebiet drei verschiedene regionale Ausgaben der Schwäbischen Zeitung, so dass nicht alle Leser immer auf demselben Stand waren. Und heute hat sich die Bedeutung der Printmedien ohnehin verringert.
Geblieben ist der große Vorteil, dass wir mit der Bürger- und Gästeinformation, die auch Amtsblatt der Stadt ist, unsere Bürgerschaft direkt und alle gleichermaßen erreichen können.
Aber es gab noch viele weitere Aufgaben zu bewältigen, die ganze Infrastruktur musste ja neu gedacht werden. Angefangen von der Wasserversorgung durch den neu gegründeten Wasserversorgungsverband Obere Schussentalgruppe, über die Abwasserbeseitigung, wozu im Jahr 1987 die neue große Kläranlage in Gensen gebaut wurde, bis hin zur Ausweisung der großen Gewerbegebiete in der Ziegelwiese 1980 und im Gewerbepark ab Anfang der 1990er-Jahre.
Und die Herausforderungen zum Erhalt und zum Ausbau der Infrastruktur sind auch heute noch da, ich nenne nur das Stichwort Breitbandausbau …!
Trotz all dieser schwierigen Aufgaben ist es gelungen, vergleichbare Lebensverhältnisse in der heutigen Großgemeinde zu schaffen. Auch deshalb, weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass das nicht immer im Gleichschritt, sondern nur im Gleichklang erfolgen kann, weil eben einfach jeder Ortsteil, auch der Kernort, andere Gegebenheiten hat.
Heute sind wir als Großgemeinde ein attraktiver Wohnort mit neuen Baugebieten in allen Ortsteilen.
Bad Wurzach ist, auch durch die Eingemeindung, ein zentraler und starker Schulstandort geworden, alle weiterführenden Schulen sind etabliert und alle Ortsteile sind Grundschulstandorte.
Darüber hinaus haben wir nach dem Motto „kurze Beine, kurze Wege“ eine gute und verlässliche Kleinkindbetreuung in allen Ortsteilen.
Als Kur- und Gesundheitsstadt bieten wir den Gästen und allen unseren Bürgern ein Angebot an Einrichtungen, die weit über die Möglichkeiten anderer Kommunen hinaus gehen. Genannt seien das Kurhaus hier, der Kurpark, sehr viele gut ausgeschilderte Rad- und Wanderwege und mit der BWI haben wir eine Tourist-Info, die auch viele tolle Veranstaltungen für die Stadt organisiert.
Am Zentralort haben wir darüber hinaus eine sehr aktive und rührige Volkshochschule VHS und eine repräsentative Stadtbücherei im Kapitelsaal in Maria Rosengarten, heute ein Ort mit großartigen Räumen für verschiedene Zwecke.
Und dass wir im gleichen Haus das Naturschutzzentrum haben, das viele Veranstaltungen zur Umweltbildung anbietet und sich sehr vorbildlich um unser Wurzacher Ried kümmert, ist ebenfalls keine Selbstverständlichkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir wissen, dass ganz vieles in unserer Stadt nur durch das riesige ehrenamtliche Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger möglich ist! Mit mehr als 200 Vereinen und Organisationen über alle Ortsteile hinweg haben wir eine kulturelle, sportliche und übergreifende Vielfalt, die Sondersgleichen sucht.
Unsere Freiwillige Feuerwehr bietet Sicherheit vor Ort und durch die zentrale Lage und die Größe haben wir in Bad Wurzach eine Stützpunktwehr, die mit einer sehr hochwertigen Ausstattung uns allen zugutekommt.
Die vielen sportlichen Vereine bieten abwechslungsreiche Bewegungsmöglichkeiten für alle, dafür gibt es vielfältige Sportstätten, Sportplätze sowie Mehrzweckhallen.
Und in kaum einer Stadt wird so viel Musik gemacht, wie in Bad Wurzach.
Ein wichtiger Teil dieser Erfolgsgesichte ist unsere städtische Jugendmusikschule, die auch ein „Kind“ der Eingemeindung ist. Hier können alle Kinder und Jugendlichen aus allen unseren zehn (!) Musikkapellen eine hervorragende musikalische Ausbildung erhalten und doch in ihren Heimatkapellen bleiben. Das trägt auch zu einem guten Miteinander und einem Austausch unter allen Musikkapellen bei,
Insgesamt und zusammengefasst stelle ich fest, dass wir eine gute Basis und ein gutes Miteinander haben,
das in den vergangenen 50 Jahren geschaffen wurde,
das wir beibehalten und
in die Zukunft führen müssen!
Machen wir uns dabei bewusst, dass wir heute eine bewährte Gemeinschaft sind, die zusammengewachsen ist, schon viel gemeinsam geschafft hat und auch noch viel Gutes erreichen kann.
Wenn wir Ihnen das mit der heutigen Veranstaltung aufzeigen können, visualisiert durch tollen Film -quasi ein moderner Heimatfilm- und wenn Sie mit uns zufrieden zurück und nach vorne blicken, dann freue ich mich, dann sind wir wieder einen Schritt weiter in der „Ein-Gemeindung“ als „eine“ Gemeinde!
Denn tatsächlich können wir mit Fug und Recht sagen, dass wir in Bad Wurzach heute ein großes Rad drehen, oder auf Schwäbisch: “Hier goht was.”
Und wenn in einer so großen Gemengelage manchmal etwas nicht sofort und perfekt klappt, sollten wir mit uns selber nicht immer so streng, sondern wohlwollender sein. Und manchmal dürfen wir auch zeigen, dass wir stolz auf das Erreichte sind.
Denn mit unserer heutigen Stärke und Größe können wir den veränderten Erwartungen der Bürgerschaft, innerhalb sich ständig verändernder Rahmenbedingungen, mit den vorhandenen Mitteln, gerecht werden.
Ohne die Eingemeindung könnten die damaligen kleineren Gemeinden diese heutigen Anforderungen nicht mehr erfüllen, weder finanziell noch personell.
Und gestatten Sie mir einen aktuellen Einschub: Diesen Weg der Zentralisierung gehen die Kirchen heute auch …
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
angesichts der riesigen Leistungen bei der Eingemeindung danke ich meinen Vorgängern im Bürgermeisteramt und den damaligen und seitherigen Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern sowie allen Gemeinde- und Ortschaftsräten für ihren großen Einsatz für unser heutiges Bad Wurzach – es hat sich gelohnt und ich freue mich, dass wir jetzt eine so lebendige und vielfältige Großgemeinde sind!
Dass wir heute einen schönen Festabend feiern können, hat einiges an Vorbereitungen erfordert. Für die Organisation des gesamten Programms und der Feierlichkeiten danke ich insbesondere dem Orga-Team, bestehend aus Manfred Braun, Berthold Leupolz, Gisela Brodd – die heute leider nicht dabei sein kann -, Heinrich Vincon und Martin Tapper ganz herzlich.
Und auch die Damen unserer Bad Wurzach-Info haben viel geschafft und ein tolles Rahmenprogramm für den Sonntag ausgearbeitet.
Ich weiß, dass es für alle viel Arbeit war, aber auch die hat sich gelohnt!
Damit komme ich zum Ende, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, Sie alle übermorgen zu unserem verkaufsoffenen Sonntag unter dem Motto „50 Jahre Eingemeindung, natürlich miteinand“ begrüßen zu dürfen.
Der beginnt bereits um 9.50 Uhr mit einem Festzug ab dem Rathaus zur Stadtpfarrkirche. Nach dem Gottesdienst geht es dann wieder zurück zum Rathaus, wo wir für diesen Tag eine große Bühne vorbereitet haben.
Jetzt aber freue ich mich erst mal auf die weiteren Programmpunkte und auf einen schönen Abend mit Ihnen und gebe das Wort an die Moderatoren des Abends, Herrn Manne Braun und Herrn Berthold Leupolz, weiter!
Anm. d. DBSZ-Red.: Die Bildschirmzeitung veröffentlicht hier die Rede von Bürgermeisterin Alexandra Scherer gemäß dem schriftlich ausgearbeiteten Manuskript. Bei der am Festabend gehaltenen Rede hat es nur geringfügige Abweichungen vom Manuskript gegeben.












