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Beeindruckender Festakt zum 40-jährigen Jubiläum des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried

„Dankschee, lieber Siggi, dankschee, lieber Horscht“



Foto: Uli Gresser
Er hat bei Null angefangen, hat das Naturschutzzentrum aufgebaut und 37 Jahre lang geleitet: Horst Weisser (rechts). Zusammen mit seinem Nachfolger Dr. Siegfried Roth ließ Weisser die 40 Jahre in einem Lichtbildvortrag Revue passieren.

Bad Wurzach – Es war das erste im ganzen Land und es wurde nun groß gefeiert: das Naturschutzzentrum Wurzacher Ried. Vor 40 Jahren wurde es aus der Taufe gehoben und bezog einen Raum im Dachgeschoss des Bad Wurzacher Amtshauses. Einzige Ausstattung: ein Telefon und ein Stuhl. Einziger Mitarbeiter: Horst Weisser. 37 Jahre stand der Diplombiologe dem NAZ vor, ehe er Feldstecher, Mikroskop und ein komplettes Gebäude an seinen Nachfolger Dr. Siegfried Roth übergab. Auch wenn Roth erst ein Zehntel von Weissers Wegstrecke hinter sich hat, nahmen ihn Mannes Sangesmannen in ihre Lobes-Hymne auf: „Dankschee, lieber Siggi, dankschee, lieber Horscht.“ Großen Dank statteten auch andere ab: Ministerin Thekla Walker aus Stuttgart, Anna Maria Ostermeier, die neue Vize-Landrätin aus Ravensburg, eine Vertreterin des Regierungspräsidiums aus Tübingen und selbstverständlich Alexandra Scherer, Bürgermeisterin der Standortgemeinde, die zusammen mit Land und Kreis Trägerin der Einrichtung ist.

Drei Träger hat das Naturschutzzentrum Wurzacher Ried (NAZ), die in einer Stiftung zusammenwirken: Es ist das Land Baden-Württemberg, beim Festakt „40 Jahre” vertreten durch Umweltministerin Thekla Walker (Mitte), der Landkreis Ravensburg, vertreten durch die Erste Landesbeamtin Anna Maria Ostermeier (Zweite von links), und die Stadt Bad Wurzach, vertreten durch Bürgermeisterin Alexandra Scherer. Mit auf dem Bild der langjährige Leiter des NAZ, Horst Weisser (Zweiter von rechts), und der jetzige Leiter Dr. Siegfried Roth.

Gehören zu Bad Wurzach wie das Ried: Mannes Sangesmannen.

Heimspiel für Mannes Sangesmannen. Wie schon 26 Jahre zuvor, bei ihrem Debüt, damals ebenfalls im Naturschutzzentrum, brachten die Mannen um Manfred Gaupp das traurige Lied von der Fliege, die in die Fänge des fleischfressenden Sonnentaus geraten ist, zu Gehör. „I bapp fest“, jammert das arme Insekt immer wieder, bis die böse Blume ihm den Garaus macht. Neben viel Riedbezogenem, manches eigens gemacht fürs Jubiläum, mochten die sechs Schwaben nicht auf ihren Hit von der Metzelsuppe verzichten, genüsslich-martialisch dargebracht, vorneweg ein messerwetzender Sangesmann. Es wird nicht jedem der im Saal anwesenden Ökologen geschmeckt haben, aber amüsant war es allemal.

Schweinchen Rosa geht es an den Kragen: Die Sangesmannen auf Anti-Veggie-Kurs.

Die Stimmung war prächtig am vergangenen Sonntag (21. 9.) im Kursaal, die Redner überboten sich in ihren Elogen auf das Geburtstagskind, das 40-jährige Naturschutzzentrum. Bürgermeisterin Alexandra Scherer konnte eine lange Liste an Ehrengästen verlesen – wir nennen den ehemaligen Ravensburger Landrat Kurt Widmaier und Bad Wurzachs Ehrenbürger Alois Fimpel – um dann auszurufen: „Unser Naturschutzzentrum kommt ins Schwabenalter, wenn das kein Grund zum Feiern ist!“ An Thekla Walker gerichtet, sagte sie: „Dass Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, zu diesem Anlass persönlich nach Bad Wurzach kommen, zeigt die Bedeutung unseres Naturschutzzentrums auch für das Land Baden-Württemberg. Wir freuen uns über dieses Zeichen und danken Ihnen ganz herzlich dafür.“ Das Wurzacher Ried, „der große Schatz unserer Stadt“, sei durch die Arbeit des Naturschutzzentrums „veredelt“ worden, sagte Alexandra Scherer und erinnerte an die Gründerväter, an den damaligen Landwirtschafts- und Umweltminister Gerhard Weiser, an Landrat Dr. Blaser und an Bürgermeister Helmuth Morczinietz. „Das war Pionierarbeit!“

Auch Alt-Landrat Kurt Widmaier war gekommen. Hier gibt er dem Biberacher Bundestagsabgeordneten Wolfgang Dahler (CDU) die Hand. Sitzend der Landtagsabgeordnete August Schuler (CDU). Die Landtagsabgeordneten Raimund Haser (CDU) und Petra Krebs (Die Grünen) wollten zum Festakt kommen, waren aber verhindert.

Bad Wurzachs Ehrenbürger Alois Fimpel. Vor 40 Jahren, bei der Gründung des Naturschutzzentrums, war er als Bürgermeister-Stellvertreter sicherlich auch mit so manchen Aspekten des Aufbaus befasst gewesen. Er war in Begleitung von Martha Wild, einst eine führende Person im Bad Wurzach-Tourismus und deshalb ebenfalls mit dem Ried eng verbunden.

Dass das Bad Wurzacher Projekt zum Vorbild für andere Zentren im Land – mittlerweile sind es sieben – geworden sei, sei nicht absehbar gewesen. Bürgermeisterin Scherer strich die umweltpädagogische und touristische Wirkung des NAZ heraus. Mit seinen 35.000 Besuchern im Jahr sei das Naturschutzzentrum ein Werbeträger für die Stadt. Mit speziellen umwelt- und naturpädagogischen Angeboten werde jungen Menschen, so jährlich 3000 Schülerinnen und Schüler, die Schönheit des Riedes erschlossen.

Bürgermeisterin Scherer (Bild) dankte ausdrücklich den beim Festakt stark vertretenen Stadträten für die „finanziell gute Begleitung“ des Naturschutzzentrums. „Und ich danke ebenfalls dem Landkreis für seinen finanziellen Beitrag und ganz besonders dem Land Baden-Württemberg, das 70 Prozent der Kosten unseres Naturschutzzentrums trägt.“ An Thekla Walker gewandt, sagte Alexandra Scherer: „Sehr geehrte Frau Ministerin, das Geld des Landes ist in unserem Naturschutzzentrum gut angelegt.“

Thekla Walker (Bild), die Umweltministerin des Landes Baden-Württemberg, nannte das Bad Wurzacher Naturschutzzentrum einen „Fixstern des Naturschutzes im Land“ und ein „unglaubliches Geschenk“. Im Wurzacher Ried seien 1500 Tierarten nachgewiesen, es gebe dort 800 verschiedene Pflanzen. Dass man die wirtschaftliche Nutzung des Riedes als Torfstich aufgegeben haben, sei der richtige Weg gewesen, die Wiedervernässung notwendig. Moore seien enorm wichtige CO2-Senken und damit klimarelevant, so die grüne Landesministerin im Kabinett Kretschmann.

Die Ministerin warf auch den Blick zurück auf die Aufbau-Jahre, als das NAZ von einem Verein getragen war. „Neun Jahre nach seiner Gründung erfuhr das Naturschutzzentrum eine grundlegende Änderung: 1994 wurde der Verein aufgelöst und in eine Stiftung überführt.“ Stiftungsträger sind bis heute das Land, der Landkreis Ravensburg und die Stadt Bad Wurzach. „Auch räumlich veränderte sich das Naturschutzzentrum: Über mehrere Zwischenstationen fand es 2018 seine heutige Bleibe im sanierten Gebäude Maria Rosengarten.“ Das Gebäude für die Multimedia-Ausstellung MOOR EXTREM war bereits 2013 erstellt worden.

Und aus dem Ein-Mann-Betrieb Horst Weisser wurde ein sechsköpfiges festangestelltes Team um Dr. Siegfried Roth mit weiteren Freiwilligen und Betreuern der Ausstellung sowie ehrenamtlichen Moorführern. Ihnen allen galt der Dank der Ministerin, die – wie zuvor schon Bürgermeisterin Scherer – auch an den allzu früh verstorbenen Biologen Franz Renner erinnerte.

„Kinder müssen draußen sein”

Das Wurzacher Ried zähle zu den wichtigsten Moorgebieten Europas, zu Recht ausgezeichnet mit dem Europadiplom (1989). „Durch den Einsatz des Naturschutzzentrums in der Landschaftspflege und im Artenschutz finden seltene Arten wie der Kiebitz einen geeigneten Lebensraum.“ 2024 habe man zwölf brütende Kiebitzpaare im Wurzacher Ried registriert. Das im Naturschutzzentrum aufgebaute Wissen in Sachen Renaturierungstechniken und gelungenen Moorschutz sei für Fachleute im Naturschutz „Gold wert“, resümierte Ministerin Thekla Walker. Ebenso wichtig seien die umwelt- und naturpädagogischen Kompetenzen des NAZ: „Kinder müssen draußen (in der Natur) sein!“, appellierte sie. „Was man nicht kennt, schützt man nicht.“

Andrea Bär (Bild) vom RP, mit dem das NAZ eng zusammenarbeitet, stellte die Erweiterung des naturschutzrechtlich geschützten Gebietes im Jahre 1996 heraus; seitdem umfasst das Naturschutzgebiet Wurzacher Ried 1812 Hektar. Sie sprach von einem „Kronjuwel“.

Anna Maria Ostermeier (Bild) erinnerte an den „grünen Landrat“ Dr. Blaser, der bei der Gründung des Naturschutzzentrums Pate gestanden hatte, und würdigte Horst Weisser als „Schlüsselfigur“.

In einem Lichtbild-Vortrag, gewürzt mit Anekdotischem, ließ Horst Weisser, assistiert von Siegfried Roth, die 40-jährige Geschichte des NAZ in kurzweiliger Form Revue passieren. So erinnerte er schmunzelnd, wie man dereinst eine SWR-Moderatorin gefoppt habe, indem man sie an eine im Ried vergrabene Plastikhand hingelotst habe.

Weisser zählte eine Vielzahl an Weggefährten auf, darunter Pater Agnellus Schneider, der unvergessene „Vogelpater“.  Er dankte den Landwirten für Pflegearbeiten und bezeichnete seine langjährige Sekretärin Gisela Neuber (Gurski) als die gute Seele des Naturschutzzentrums. Ein besonderes Lob Weissers galt den ehrenamtlichen Moorführern und dem Torfbähnles-Verein.

Im Lichtbildvortrag erinnerte Horst Weisser an prägende Persönlichkeiten der Gründungszeit wie den CDU-Landwirtschafts- und Umweltminister Gerhard Weiser (oben links), Dr. Guntram Blaser, genannt „der grüne Landrat” (obere Bilderreihe, Zweiter von links), Bad Wurzachs Bürgermeister Helmuth Morczinietz (oben, Zweiter von rechts) und „Vogelpater” Agnellus Schneider (unten links).

Bilder aus der Anfangszeit: Der junge Horst Weisser überreicht seiner Sekretärin Blumen (oben links); der unvergessene Franz Renner in seinem geliebten Ried (unten links) und auf der Lok des Torfbähnles (oben rechts).

30 Millionen DM habe man in die 1987 begonnene Wiedervernässung investiert, bei der Landrat Dr. Blaser eine entscheidende Rolle gespielt habe. Die Gründung der Stiftung sei 1994 im Ministerium – also im pietistisch geprägten Unterland – vonstatten gegangen. Der nüchterne Vollzug habe dem barocken Blaser nicht so recht zugesagt. „Beim nächsten Mal gibt’s im Oberland einen Ochs am Spieß.“

Dem Festen war man im Naturschutzzentrum nicht abgeneigt. Viele internationale Gäste kamen in den 40 Jahren zu Fachtagungen nach Bad Wurzach. Und dabei ging es auch gesellig zu. Sogar Kasatschok wurde getanzt.

Als es ums Europadiplom ging, hatte sich eine Naturschutz-Koryphäe angesagt. Mit dem Herrn Professor ging es tief ins Ried hinein. Da, ein unachtsamer Schritt, und der erschöpfte Herr sei hüfttief ins Moor eingesunken. Weisser: „Ich sah schon das Diplom den Bach runtergehen.“ Aber der Experte habe ein prächtiges Gutachten geschrieben – die oberschwäbische Gastfreundschaft sei da sicherlich nicht hinderlich gewesen.

Horst Weisser erinnerte in seinem Rückblick auch an den Morczinietz-Vorgänger Georg Hirth, in dessen Amtszeit es erste Überlegungen zur Gründung eines Naturschutzzentrums gegeben habe.

Dr. Siegfried Roth, der jetzige Leiter des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried, erhält von der Bürgermeisterin Dank, die besten Wünsche und als Geschenk eine Gartenschere.

Die Vision des Dr. Roth

Dr. Siegfried Roth, der heutige Leiter des NAZ, wurde am Schluss des beeindruckenden Festaktes nach Zielen und Wünschen gefragt. Er wünsche sich, dass das Wurzacher Ried als Nationales Naturmonument ausgewiesen werde. Davon gibt es gerade mal acht in ganz Deutschland. „Diese Auszeichnung neben dem Europadiplom – das wär’s.“ Und dann fügte er noch hinzu: „Eingebettet in ein Biosphärengebiet.“

Auf die nächsten 40 Jahre!

Text: Gerhard Reischmann / Fotos: Uli Gresser

Der Festakt wurde gesponsert von der Kreissparkasse und von BauGrund Süd.

Es liegt ein weiterer Bericht zum 40-jährigen Bestehen des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried vor: Darin geht es um das bunte Programm im Anschluss an den Festakt.

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Fotos: Uli Gresser

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