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Ausführlicher Bericht

Bad Wurzach lehnt Biosphärengebiet ab



Foto: Uli Gresser
Klare Sache: Mit 17 zu 4 Stimmen beschloss der Gemeinderat von Bad Wurzach den Ausstieg aus dem Prüfprozess zur Entwicklung eines Biosphären-Gebietes in Oberschwaben.

Bad Wurzach (dbsz) – Bad Wurzach steigt aus dem Prüfprozess zur Schaffung eines Biosphärengebietes in Oberschwaben aus. Mit 17 zu 4 Stimmen wurde am Montagabend (13.10.) in der Gemeinderatssitzung der Antrag der CDU-Fraktion angenommen. Ein Antrag der zweiköpfigen Fraktion der Grünen auf Vertagung einer Beschlussfassung wurde mit derselben Mehrheit abgelehnt. Die Entscheidung Bad Wurzachs gilt als schwerer Rückschlag für den Prozess, verfügt die Stadt doch mit dem Wurzacher Ried über ein Herzstück der Biosphären-Planung. Die Entscheidung im vollbesetzten Kursaal wurde mit starkem Applaus des zahlreich erschienenen Publikums quittiert; darunter waren viele Landwirte und örtliche Unternehmer, auch Jäger. Die Allianz der Landbesitzer, die sich seit langem nachdrücklich gegen die Schaffung eines Biosphärengebietes einsetzt, war mit führenden Vertretern anwesend (Franz Schönberger, Fürst Erich von Waldburg-Zeil, Graf Ludwig von Waldburg-Wolfegg-Waldsee, Roswitha Geyer-Fäßler vom Bauernverband).

Hier nun der angekündigte ausführliche Bericht:

Die Gemeinderatssitzung zum Thema Biosphäre war wohlweislich im Kursaal abgehalten worden. Wie erwartet, war der Besuch sehr stark. Foto: Uli Gresser

Montagabend, 19.00 Uhr. Der Kursaal ist rappelvoll. Stühle müssen herbeigetragen werden. Etwa 200 Bürger, zumeist Bauern und Jäger aus Bad Wurzach und – überwiegend – aus dem weiteren Umkreis, waren gekommen, um der Biosphären-Entscheidung des Bad Wurzacher Gemeinderates beizuwohnen. Nach einer anderthalbstündigen Aussprache ergab sich die oben genannte Mehrheitsentscheidung. Auch Bürgermeisterin Alexandra Scherer votierte für den Ausstieg.

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Nicolas Sauter trägt die Bedenken der Landwirte aus dem Raum Ziegelbach / Rohrbach vor. Foto: Uli Gresser

Schon beim Tagesordnungspunkt Fragen der Bürger wurde dem Rat die Stimmung in der Bevölkerung präsentiert: Nicolas Sauter, Landwirt aus Ziegelbach, überreichte Bürgermeisterin Alexandra Scherer eine Liste mit Unterschriften von Landwirten sowie Unternehmern, die sich klar gegen das Biosphärengebiet (BSG) aussprachen und den Ausstieg aus dem Prüfprozess forderten. Im späteren Verlauf der Debatte berichteten auch die Ortsvorsteher von Eintürnen, Berthold Leupolz, und von Ziegelbach, Sybille Schleweck, dass sie entsprechende Unterschriften besorgter Landwirte erhalten hatten. Leupolz appellierte, man solle nichts „gegen d‘ Leut‘ “ machen.

Dr. Roths Plädoyer

Auf verlorenem Posten stand denn auch Siegfried Roth, Leiter des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried, dem die Rolle des Pro-Redners mit einem Zehn-Minuten-Vortrag zugedacht war, der im Wesentlichen die bereits bei der Veranstaltung am Montag eine Woche zuvor an gleicher Stelle genannten Vorzüge eines Biosphärengebietes pries (die Bildschirmzeitung hat darüber berichtet). Ein Biosphärengebiet sei „kein Bremser“, sondern ein „Entwicklungsmotor“. Es passe ideal zur Kurstadt Bad Wurzach. Ein Biosphärengebiet sei eine touristische Marke. Für die Landwirtschaft gäbe es keine Einschränkungen, die kämen von der EU „sowieso“. Roth verwies auch auf eine Ausstiegsklausel für die Gemeinden. Der Informationsprozess sei noch nicht abgeschlossen. Für seinen Vortrag gab es höflichen Beifall.

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Michael Ficks Kontra

Sein Gegenspieler in der Argumentation im Wettstreit um die Errichtung eines Biosphärengebietes war Michael Fick, Sprecher der Allianz für Oberschwaben, einer Vereinigung von Landwirten und Großgrundbesitzern. Dieser bekam für seine Darlegung erwartungsgemäß viel Beifall aus dem ihm wohlgesonnenen Publikum. Das Bundesnaturschutz gelte für alle drei Zonen gleichermaßen und damit auch dessen mögliche Einflussnahme. Insgesamt stünden für alle beteiligten Gemeinden nur 200.000 € Förderung pro Jahr zur Verfügung. Er sprach von einer überbordenden Bürokratie und einer drohenden Einschränkung der Planungshoheit der Gemeinden. In diesem Zusammenhang gebrauchte er den Ausdruck „Zwangsjacke“. Die Ideen hinter dem Konzept eines Biosphärengebietes könne man auch mit den vorhandenen Instrumenten umsetzen. Man dürfe die Existenzsorgen der Flächenbewirtschafter und Unternehmer nicht ignorieren. „Beenden Sie diesen Prozess mit einem klaren Votum!“ Mit diesem Appell beendete Michael Fick seinen Vortrag. Starker Beifall.

Der Antrag der Grünen

Rainer Deuschel (Grüne) beantragte im Anschluss, die Entscheidung über den Beschluss zum Antrag der CDU zu vertagen. Das solle in einer geheimen Abstimmung erfolgen, um wirklich „unabhängig von einer Drohkulisse“ entscheiden zu können. Der Antrag sei statthaft, erklärte Bürgermeisterin Scherer. Sie erklärte ihm, die Frage der geheimen Abstimmung habe man mit der Kommunalaufsicht im Vorfeld geprüft. Martin Tapper (Stadtverwaltung)  ergänzte, laut Gemeindeordnung sei geheime Abstimmung nur bei einer Gefährdung, etwa für Leib und Leben, möglich. Das Interesse der Öffentlichkeit, wer wie abstimme, sei sehr hoch. Deshalb sei eine offene Abstimmung angezeigt.

Für den Antrag auf Verschieben des Beschlusses votierte außer den beiden Grünen noch die zweiköpfige Fraktion der MirWurzacher (MW) und so wurde er mit 17 zu 4 Stimmen abgelehnt. Eine Beschlussfassung zum jetzigen Zeitpunkt sei „verfrüht“, sagte Franz Josef Maier (MW).

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Die Unterschriftenlisten

Bürgermeisterin Scherer erklärte im Anschluss daran, dass sich 11 Unternehmen des Gewerbeparks West, die Landwirte von Ziegelbach und Rohrbach ebenso wie die Ortschaftsräte von Ziegelbach und Haidgau einstimmig gegen das Biosphärengebiet ausgesprochen hätten. Als im späteren Verlauf die von Niclas Sauter abgegebene Unterschriftenliste ausgewertet war, nannte man die folgende Zahlen: 107 Landwirte und 65 Unternehmer hätten Sauters Liste unterschrieben. Dazu kämen noch die 11 aus dem Gewerbepark West und 31 Jäger sowie weitere Bürger.

Die Aussprache

Emina Wiest-Salcanovic, die Sprecherin der CDU-Fraktion, die den Antrag auf Ausstieg eingereicht hatte, erklärte die bisherige Prüfprozessdauer als viel zu lang. Außerdem sei die Ausstiegsklausel erst nach dem Antrag der CDU vorgelegt worden. Der Vergleich mit dem BSG-Gebiet Schwäbische Alb hinke: Wir haben alles das bereits, was dort erst aufgebaut werden musste. Man tue in Bad Wurzach sehr viel für den Umweltschutz. Und: „Die Landwirte haben genug mit Bürokratie zu tun. Wir werden für den Ausstieg plädieren.“

Karl-Heinz Buschle (FW) macht sich Sorgen um die großen Unternehmen im Gewerbepark-West mit in der Summe mehr als 1000 Mitarbeitern. „Wir brauchen unser Gewerbe, unsere Wirtschaft muss weiter funktionieren.“ Auch er betonte, dass man schon bisher sorgfältig mit der Natur umgehe. „Die Freien Wähler werden für den Antrag der CDU stimmen“, kündigte er an.

Auch Ernestina Frick von den Freien Wählern bekräftigte den Beschluss „ihres“ Haidgauer  Ortschaftsrates auf Ausstieg. „Die Öffentlichkeit ist dagegen, und die sitzt hinter uns.“

Gisela Brodd (FW, Ortsvorsteherin von Unterschwarzach) sprach sich im Namen ihrer Landwirte für den Ausstieg aus. Auch Marga Loritz (CDU) konnte die Ängste der Landwirte und Grundstückseigentümer – vor allem in Riednähe – nachvollziehen, denn diese seien vom Naturschutz schon einmal enttäuscht worden. Etwa bei der Vergrößerung des Naturschutzgebietes. „Sie sind gebrannte Kinder.“

Rainer Deuschel (Die Grünen) sah bei vielen Gegenargumenten das Schüren von Ängsten. Seine Fraktionskollegin von den Grünen Anja Halder warnte vor einem Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt. Das sei eine vertane Chance. „Biosphäre kann auch zum Entwicklungsmotor werden. Wir sollten den Prüfprozess bis zum Ende gehen.“ Der Prüfprozess sei noch gar nicht bei den Bürgern angekommen.

In seinem zweiten Wortbeitrag sprach Deuschel mit Blick auf ein Biosphärengebiet von einem „großartigen Angebot für unsere Raumschaft“. Man solle sich ein Beispiel nehmen am „nachhaltigen Erfolg auf der Schwäbischen Alb“.  Das sei ein Muster an Ideenreichtum und Idealismus. Die Kampagne gegen das BSG mit den Plakaten in der Landschaft bezeichnete er als „fremdfinanziert“.

Heinrich Vincon (CDU) sieht in dem Prozess nicht nur eine Gefahr für die Landwirte, sondern auch für die Unternehmen. „Es entstehen Doppelstrukturen und es werden Steuergelder verschwendet.“ Es würden jetzt viele Versprechungen gemacht und nach fünf oder zehn Jahren würden die Daumenschrauben angezogen. Der Prozess sei nicht demokratisch, weil die breite Bevölkerung nicht gefragt werde. Mit dem Naturschutzgebiet Wurzacher Ried und dem Naturschutzzentrum tue man sehr viel für die Natur. Zugleich sei man auf leistungsfähige Landwirte angewiesen.

Franz Josef Maier (Mir Wurzacher) appellierte an die Vernunft und bat darum, die Argumente zu hinterfragen. Die Beteiligung des Gemeinderats sei unzureichend gewesen. Zum jetzigen Zeitpunkt abzustimmen halte er für unverantwortlich. „Angst ist ein schlechter Ratgeber.“ Eine Zustimmung zum jetzigen Zeitpunkt bringe zwar wieder Ruhe in den Gemeinderat, aber er befürchte „Friedhofsruhe“. Man solle den Prüfprozess fortsetzen und dabei die Auseinandersetzungen nicht scheuen.

Paul Kiebler (CDU) beklagte, dass die Landwirte zu wenig gehört worden seien.

Für Klaus Schütt (CDU) kam bei der ganzen Diskussion das große Ganze zu kurz: „Die Welt und die Stadt haben aktuell noch ganz andere Probleme.“

Für Ernestina Frick (FW) ist ein Nein zum BSG nicht das Ende von „Entwicklung und Innovation und Zukunft“.

Sibylle Schleweck, Ortsvorsteherin von Ziegelbach, das von einem BSG massiv betroffen wäre, sagte, man lebe hier auch ohne zusätzliche Strukturen im Einklang mit der Natur. Man wolle sich nichts von außen „aufoktroyieren“ lassen.

Bürgermeisterin Alexandra Scherer, erklärte, ihre Aufgabe sei es zu schauen, was positiv sei für die Stadt. Sie habe den Prozess über die Jahre offen begleitet und sich nach allen Seiten informiert. Jetzt seien die Meinungen gefestigt. Auch sie werde für den Ausstieg optieren. Für sie seien die Bürgeräußerungen und Beschlüsse der Ortschaftsräte ein Alarmsignal gewesen.

Vor der Abstimmung stellte Bernhard Schad (FW) den Antrag auf eine konkretere Fassung der Beschlussformulierung. Er schlug eine verschärfende Formulierung vor, in der von einem „grundsätzlichen und abschließenden Ausstieg“ die Rede war. Nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung, in der sich die Fraktionen berieten, gab Emina Wiest-Salkanovic bekannt: „Wir bleiben bei unserem Beschlussvorschlag.“ Die Formulierung lautet: „Ausstieg aus dem Prüfprozess.“ Das sei inhaltlich dasselbe.

Und so kam es zur klaren Mehrheitsentscheidung: Mit 17 zu 4 Stimmen steigt Bad Wurzach aus dem Prozess zur Entwicklung eines Biosphärengebietes in Oberschwaben aus (Petra Greiner von der CDU und Kurt Miller von den Freien Wählern waren nicht anwesend).
Uli Gresser / rei

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