Was lange währt – klingt endlich in c‘‘
Mennisweiler – Seit 2019 schwieg das Mennisweiler Glöckle, wie die Eligius-Glocke im „Glockenturm“ der Kapelle vielfach genannt wurde. Probleme mit dem Läutewerk, mit der Elektrik und schließlich gar wegen eines Risses in der Glocke erforderten mehrere Verhandlungen zwischen der Verwaltung der Stadt Bad Waldsee als Eigentümerin der Kapelle und der Ortschaftsverwaltung Mittelurbach, der Dorfgemeinschaft Mennisweiler und der Kirchengemeinde Molpertshaus. Diese führten schließlich zu einem für alle Seiten tragbaren Kompromiss, der die Finanzierung der insgesamt circa 13.000 Euro kostenden Maßnahme der Instandsetzung sicherstellen konnte. Gut 8000 Euro kamen dabei durch Spenden zusammen, der Rest verblieb bei der Großen Kreisstadt Bad Waldsee.

Die Kapelle in Mennisweiler hat eine neue Glocke erhalten. Sie verrichtet schon im Dachreiter ihren Dienst.
Rührige und in Sachen Renovation kompetente Mennisweiler Bürgerinnen und Bürger ermöglichten schließlich auch noch einen Neuanstrich der Kapelle mit Neugestaltung der Außenanlage, so dass am vergangenen Sonntag (28. 9.) zur Freude aller die Glocke von Pfarrer Klaus Stegmaier geweiht werden konnte.
Seit 40 Jahren umsorgt sie die Kapelle: Gerda Schuhmacher
Zur Festesfreude anlässlich der Glockenweihe kam auch noch die Ehrung für Gerda Schuhmacher aus Mennisweiler hinzu, die seit 40 Jahren den Mesnerdienst für die Kapelle versieht und mit großem Engagement nicht nur für ihr „Kapelle“ sorgt, sondern auch als Vorbeterin bei Rosenkranz- und anderen Andachten, vornehmlich in der Fastenzeit und im Advent, wirkt. Mit einem Geschenk der Kirchengemeinde und mit einem von ihrer Tochter gebackenen Kuchen wurde ihr gedankt. Zudem hatte man gar noch das 150-jährige Jubiläum der Kapelle feiern können, das eigentlich schon letztes Jahr anstand, aber, weil glockenlos, einfach um ein Jahr verschoben wurde.

Mesnerin Gerda Schuhmacher mit dem Kuchen, der “ihre” Kapelle zeigt.
So viel Weihrauch hat Mennisweiler tatsächlich vermutlich noch gar nie, jedenfalls schon längere Zeit nicht mehr, erlebt. Die Glockenweihe fand nämlich im Nachgang eines gar feierlichen Erntedank-Gottesdienstes mit rund 150 Besucherinnen und Besuchern, darunter auch Oberbürgermeister Matthias Henne, mit einem wunderbaren „Erntedankaltar“ auf dem Gelände des Hofguts Koch-Längle in der Mennisweiler Bürgerstraße statt. In seiner Predigt, die Pfarrer Stegmaier immer wieder auch mit ganz persönlichen Erlebnissen um das Thema Kirchen- und Kapellenglocken bereicherte, ging er auf die Bedeutung von Kirchenglocken ein, die er als „hohes Kulturgut“ bezeichnete. „Da fehlte etwas im Dorf“, so gab er die Bemühungen wieder, die seit dem Verstummen der ehemaligen Glocke aus dem Jahr 1950 zu den Gesprächen mit der Stadtverwaltung führten, vertreten im Wesentlichen durch Bürgermeisterin Monika Ludy und Stadtbaumeister Andreas Heine-Strahl, Ortsvorsteher Franz Spehn und seinem Nachfolger Nico Hauff, den Ortschaftsräten aus Mennisweiler, Maria Koch und Johannes Albanbauer, deren Vorgänger Rainer Schuhmacher und Birgit Kolodziej und der Kirchengemeinde, vertreten durch Thomas Neyer, dem Gewählten Vorsitzenden. Spenden aus der Kirchengemeinde Molpertshaus (wozu Mennisweiler gehört), der Dorfgemeinschaft Mennisweiler, vom zahlreichen Einzelpersonen, auch Spenden der Unternehmer, die die Kiesgruben bei Mennisweiler betreiben, und ein Beitrag der Stadt Bad Waldsee ermöglichten die Instandhaltung des Läutwerks und die Anschaffung der 50 kg schwere Glocke, die von der Gießerei Perner in Passau gegossen wurde.
Und diese erklingt nun wieder mehrmals täglich in „c 2 Strich minus 3“, wie die Klangfarbe angegeben wird: Um 6.00 Uhr morgens, um 12.00 Uhr mittags und abends um 19.00 Uhr, vielleicht im Winter sogar schon um 18.00 Uhr; so rhythmisiert die Glocke den Tageslauf in Mennisweiler und ruft zum Angelus-Gebet. Das elektrisch gesteuerte Glöckle, das dem heiligen Eligius, dem Patron der Kapelle, geweiht ist, läutet also nicht nur zu den Gottesdiensten beziehungsweise Rosenkranzgebeten in der Kapelle, sondern, wie alle Kirchenglocken, auch zu Ereignissen, die mit Freude und Trauer verbunden sind. Die Glocke eröffnet das Tagwerk vieler, vor allem auch derer, die in der Landwirtschaft tätig sind oder waren, sie läutete einstmals, als noch nicht jedermann seine eigene Uhr oder ein Smartphone hatte, zum Mittagessen und zur Mittagspause und abends läutet sie den „Feierabend“ ein. Und wenn jemand starb, wurde unmittelbar nach Bekanntwerden des Todesfalles geläutet.
Die Melodie Gottes
Mit wohlgesetzten Worten führte Pfarrer Stegmaier in seiner Predigt gar noch aus, dass die Kirchenglocken „uns in unserem Leben mit hineinnehmen in die Melodie Gottes“ und „uns dreimal am Tag an die Menschwerdung unser Herrn Jesus Christus erinnern“. So werde Kirche und Gottesbezug hörbar präsent. „Die Glocken“, so zeigte sich der Leitende Pfarrer der Seelsorgeeinheit Oberes Achtal überzeugt, „läuten gewiss nicht zum Requiem der Kirche“. Und schließlich zitierte auch er, wie später Ortsvorsteher Nico Hauff, Friedrich Schiller und dessen bekanntes Gedicht „Das Lied von der Glocke“, dessen erste Worte vielen bekannt sind, also „Fest gemauert in der Erden, steht die Form, aus Lehm gebrannt …“, wobei der Schluss dann die auch in unseren Tagen wieder so sehnliche Hoffnung zum Ausdruck bringt: „Ziehet, ziehet, hebt! Sie bewegt sich, schwebt, Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute!“

Erntedankgottesdienst in Mennisweiler (bei Bad Waldsee); rechts sieht man die aus Getreideähren geflochtene Erntekrone. Im Rahmen der Eucharistiefeier an Kochs Schopf wurde die neue Kapellenglocke geweiht.

Pfarrer Klaus Stegmaier beim Freilicht-Gottesdienst in Mennisweiler (das kirchlich nach Molpertshaus / Gemeinde Wolfegg) und politisch zu Mittelurbach (Stadt Bad Waldsee) gehört.

Kein schönes Bild: der leere Dachreiter. Sechs Jahre lang vermissten die Bürger in Mennisweiler den Klang der Kapellenglocke.
Die von Schiller beschworene Freude verbreite sich in Stadt und Land, betonte Ortsvorsteher Nico Hauff in seiner Ansprache im Nachgang zur Glockenweihe, die pünktlich um 12.00 Uhr mit Glockenklang und Angelus-Gebet gestaltet wurde. Bei der Hockete im Mennisweiler Kommunikationszentrum, besser bekannt unter dem Namen „Kochs Schopf“, zeigte er sich erfreut, dass „nach vielen Jahren der Stille endlich wieder der helle Glockenklang zu hören ist“. Der Ortsvorsteher dankte allen, die zum guten Ende der sechsjährigen Glockenstille beigetragen haben und rief, es war circa 12.30 Uhr, in der in Mennisweiler gut zu verstehendem schwäbischen Hochsprache unter großem Beifall dazu auf: „Lasset uns etzt gemeinsam feiera bis heut Obend s’Glöckle läutet!“.
Text: Günter Brutscher / Fotos: Günter Brutscher, Franz-Anton Blank, Thomas Neyer
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