Leandro Cultraro spricht mit der Leinwand
Bad Waldsee – Am vergangenen Sonntag, 10. August, präsentierte der Museums- und Heimatverein (MHV) den Gewinner des zweiten Paul-Heinrich-Ebell-Förderpreises, den Künstler Leandro Cultraro. An einer vor zwei Jahren stattgefundenen Ausstellung waren zehn junge Kunstschaffende eingeladen, um sich für den Förderpreis zu bewerben. Das Publikum kürte Cultraro zum Gewinner. Nun widmete der MHV dem jungen Preisträger eine eigene Ausstellung seiner Werke, ihr Titel: „Flowers for friends“. Die Ausstellung ist bis zum 7. September in der Pfeilerhalle des Bad Waldseer Kornhauses zu sehen. Die sehr gut besuchte Vernissage gestaltete die stellvertretende Vorsitzende des MHV, Brigitte Hecht-Lang. Als Laudatorin konnte sie Andrea Kachelrieß von der Galerie Lauffer in Stuttgart verpflichten. Die musikalische Umrahmung übernahm der Saxophonist Andieh Merk.
Passend zum heiteren und fordernden Stil von Cultraros Werken entlockte Merk seinem Instrument Tonläufe, die an den Schöpfer der atonalen 12-Ton-Musik, den Maler und Komponisten Arnold Schönberg, oder auch an Vertreter des Modern Jazz erinnerten. Angesichts der Katzenbilder war sogar ein Miauen darunter.

Andieh Merk sorgte für die musikalische Umrahmung.
Brigitte Hecht-Lang erinnerte an Paul Heinrich Ebell

Brigitte Hecht-Lang (Bild) freute sich in ihrer Begrüßung sehr über das Zustandekommen dieser Ausstellung im Beisein des Künstlers und seiner Eltern. Neben Altbürgermeister Rudolf Forcher konnte sie den Leiter der Kleinen Galerie und Bildhauer Axel F. Otterbach und die Ehrenvorsitzenden des MHV Roland Schneider und Ernst Langer begrüßen. Sie erinnerte an die Idee des Paul-Heinrich-Ebell-Förderpreises, dessen Namensgeber zeitlebens neben künstlerischem Schaffen als Pädagoge die kulturelle Bildung und Vermittlung wichtiges Anliegen war. Allein in Bad Waldsee wirkte Ebell ein halbes Jahrhundert. Ebell vermachte einen Großteil seines künstlerischen Nachlasses dem Museum im Kornhaus. Man sei daher dem Künstler gegenüber verpflichtet. Ebell, Jahrgang 1908, wuchs im schlesischen Haynau in der Nähe Breslaus auf und begann 1928 sein Studium an der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau bei Paul Dobers, das er 1932 an der Staatlichen Kunstschule in Berlin und Leipzig fortsetzte. Seine weiteren Lehrer: Paul Hotz, Georg Muche, Oskar Schlemmer und Oskar Mueller. In Berlin und Zeitz war er dann Kunsterzieher und Werklehrer. Im Juli 1944 wurde er als Kunsterzieher zum „Auslandsdeutschen Schülerheim“ nach Kißlegg versetzt. Sein bisheriges Werk war in Berlin vollständig Opfer eines Bombenangriffs geworden. 1948 wurde er Kunsterzieher am damaligen Progymnasium Waldsee. Zuvor im Jahr 1947 war er Mitbegründer der Sezession Oberschwaben, bis 1988 einer namhaften Künstlergruppe, unter anderem um Otto Dix. Fünf Jahre war Ebell ihr Geschäftsführer und jahrzehntelang aktives Mitglied dieser Gruppe. 1965 gründete er die Kleine Galerie im Elisabethenbad und war zehn Jahre lang deren Leiter. Als Kunsterzieher lockte er Schüler in eigenes künstlerisches Schaffen und vermittelte ihnen die Grundlagen dazu. So waren Axel Otterbach, Jörg Eberhard, Heiner Dilly, Elisabeth Klass und René Auer seine Schüler.

Ein treuer Galeriebesucher: Rudolf Forcher, Bad Waldsees ehemaliger Bürgermeister (1972 – 2004).
Die Laudatorin

Andrea Kachelrieß bei der Laudatio.
Hecht-Lang sieht in den farbenfrohen, teils märchenhaften Bildern Leandro Cultraros fast eine Seelenverwandtschaft zum frühen Werk Ebells und freute sich, ausgerechnet Andrea Kachelrieß die Einführung in die Ausstellung überlassen zu dürfen. Kachelrieß’ Schwiegervater war ein Freund Ebells und besitzt einige seiner Werke. Und die Laudatorin habe bereits als blutjunge Kunsthistorikerin in Schloss Mochental in eine Ebellsche Ausstellung eingeführt. Andrea Kachelrieß freute sich über die Aufgabe, in „Flowers for friends“ einführen zu dürfen, sei sie doch seit vielen Jahren Kulturredakteurin der beiden Stuttgarter Tageszeitungen und war einst auch Studentin der Kunstgeschichte. Leandro Cultraro und sie selbst seien von prägenden Menschen für die Kunst begeistert worden. Cultraro wurde von der Ateliergemeinschaft „Der Bogen“ inspiriert und gefördert. Eine Initialzündung für Kachelrieß war wohl ihr Einsatz als Rednerin anlässlich der oben erwähnten Ausstellung von Werken Ebells in Mochental anlässlich von dessen 80. Geburtstags. Ebell habe ihr, der jungen Kunsthistorikerin, das Vertrauen dazu geschenkt! Der Künstler habe später mit einer Grafikmappe den Förderpreis für junge Künstler angestoßen. Cultraro gewann den Förderpreis vor zwei Jahren, und das unbedingt verdient. Solche Förderpreise seien ein Investment, für das man manchmal Blumen zurückbekomme, wie nunmehr hier in „Flowers for friends“. Ebell hätte sicher Freude an Cultraros Mut und Humor gehabt. Sie sehe bei Cultraro auch Parallelen zu Ebell, beispielsweise in klar kontuierten Formen und in anpackendem Pinselstrich, dunklen Silhouetten und grafischen Umrissen. Cultraro male direkt auf die ungrundierte Leinwand und erziele so strahlende Farben. Bei beiden Künstlern entdecke man ein Faible für Hunde, Wölfe, Katzen und anderen Tiere. In humorvollem positivem Blick entstünden nicht verschlüsselte, sondern uns direkt zugewandte Bilder. Cultraro fordere mit knalligen Farben einen Dialog mit auf uns wartenden Figuren. Ebenso sprächen die Bildtitel an, wie „Du warst schon mal hier“, „Mich reizt deine schöne Gestalt“ oder „Back dir einen Kuchen“.

Maria Dobler und Monika Ott-Adelmann wie immer im Einsatz für den Museums- und Heimatverein.
Wie Ausschnitte aus Bildergeschichten
Cultraro gehöre zu einer Generation, die durch den Manga-Boom neues Interesse an Comics entwickelte. Seine Bilder wirken wie Ausschnitte aus Bildergeschichten, deren Motive knapp ins Bildformat gepasst sind und sich im nicht mehr Sichtbaren fortsetzen. Den komplexen Informationen unserer Zeit begegne Cultraro mit Fantasie und sprechenden Titeln beziehungsweise Erzählungen wie „Vormund der wilden Träume“, „Lass uns eine Schandtat begehen“ oder „Willi spricht ohne Worte“. Seine kumpelhaften Charaktere seien ein Statement, die mit starken Gesten gegen ihre zu engen Rahmen kämpfen und uns einladen, es ihnen gleich zu tun. So dürfen Hunde Cultraro regelrecht ins Bild laufen. Blumen und Katzen habe er im Rahmen eines Arbeitsaufenthaltes 2024-2025 an der California State University Chico entdeckt, wie auch Naturszenen. Der Künstler dazu: „Blumen haben was Schönes, was Liebevolles, das rührt mich gerade.“ Aber in seinen Blumen oder Tieren gehe es viel ums Menschsein und um die Beziehungen von Menschen zueinander. Daher könnte die Ausstellung auch „Flowers as friends“ heißen, meinte Kachelrieß.
Leandro Cultraro habe bereits als Kind gern gemalt und oft sein Taschengeld in Malmaterialien angelegt und sich dabei fürs Handwerkliche begeistert. Seit 2018 studiert er Malerei, Bildhauerei und intermediales Gestalten an der sehr breit aufgestellten Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Cultraro glaubt, man müsse die Regeln kennen, erst dann könne man sie brechen, denn Regelkenntnisse seien Voraussetzungen für Neues. Sein Arbeitsprozess sei offen, Motive würden locker aufgekritzelt, um beim Malen frei zu sein in Entscheidungen und Titel ergäben sich erst am Schluss. Im Gespräch mit dem Verfasser meinte er noch, er spreche geradezu mit der Leinwand, wobei alles kein Zufall, sondern bewusst sei. Er arbeite für die Kunst und nicht andersherum, rasch und furchtlos greife er beim Finish zu schnellen Kreidestrichen und manchmal komme die Farbe direkt aus der Tube. Seine Ausstellung zeige auffallend viele neue Arbeiten und sei daher wie eine Uraufführung und ein Dankeschön an alle, die den 27-jährigen Künstler bis hierher begleitet haben, schloss die Laudatorin.

“Vormund der wilden Träume“

“Kobold“

“Die meisten feiern das”

“In Hoffnung zurückgelassen”

“Ein Attribut menschlichen Wohlgefallens”

“Lass uns eine Schandtat begehen”

“In bestimmter Weise aufsetzen”

“Oder wir sehen uns doch noch” (die Masterarbeit)

Bilder von oben: “Dylan geht ab”, “Der letzte Tag der Woche”

“Sich wie zuhause fühlen”

“Vom Hauptereignis ablenken”

“Gefühlsduselei”

“Brennpunkt”
Text und Fotos: Peter Lutz






















