Ein sakrales Kleinod: die Kapelle Mariä Opferung in Osterhofen
Osterhofen – Am zweiten Adventssonntag wurde die Kleinkirche Mariä Opferung in Osterhofen nach aufwändiger Sanierung feierlich wieder eröffnet. Seit 2019 war sie wegen baulicher Mängel geschlossen. Umso größer war die Freude zahlreicher Gläubiger und Freunde sakraler Kunst, dieses Kirchlein wieder regelmäßig besuchen zu dürfen und dort innezuhalten. Nach dem Wortgottesdienst, zelebriert von Pfarrer Stefan Werner, und der Eröffnungsfeier im Festzelt wurden fachkundige Führungen angeboten, die guten Zuspruch fanden.
Diese anspruchsvolle Aufgabe übernahmen die Restauratorin Brigitte Hecht-Lang und Günter Brutscher, Kenner und Bewahrer christlicher Zeugnisse im gesamten Haistergau und weit darüber hinaus. Hecht-Lang erklärte Maltechniken, Wirkungsgebiete, gegenseitige Beeinflussungen und zeitgenössische Zusammenhänge Ikonographieschaffender. Brutscher erklärte deren religiös geprägtes Schaffen mit Baugeschichte im Kirchlein der Osterhofer.

Brigitte Hecht-Lang …

… und Günter Brutscher führten bei der Wiedereröffnung am 7. Dezember durch die Kapelle.
Die Fresken stammen von Eustachius Gabriel (um 1760)
Eustachius Gabriel aus Unterschwarzach, bekannt als „kostengünstiger“ Schnell- und Vielmaler, schuf um 1760 höchst beachtliche Werke in dem Sakralbau. Sie entstanden also am Übergang vom Barock ins Rokoko. Einige davon sind Anlehnungen an Vorbilder beispeilsweise aus der Leutekirche Johannes Baptist in Haisterkirch oder aus der Dorfkirche Steinhausen. Zur Leutekirche Haisterkirch gehörten übrigens die Filialkirchen Mühlhausen, Haidgau, Ehrensberg, Mennisweiler, Molpertshaus, Gwigg und eben Mariä Opferung in Osterhofen. Eustachius Gabriels Arbeiten finden sich nicht nur in Osterhofen, sondern bis ins heutige Slowenien, Kärnten, im Schwarzwald und am Hochrhein, also in teilweise historisch österreichischen Gebieten. In unserem Raum finden sich Arbeiten in der Schlosskapelle Waldsee, Kreuzwegstationen in Haisterkirch, Frauenbergkapelle (Auftragsmalung Mariä Himmelfahrt), Deckenfresken in St. Peter und Paul zu Reute und Michelwinnaden. Zwar hatte Gabriel gewisse Probleme mit der Freskotechnik, dafür aber beherrschte er die perspektivische Malerei nahezu virtuos, was auch in Osterhofen unübersehbar ist. Das Käppele gilt als Kulturdenkmal besonderer Art (§ 12 Denkmalschutzgesetz).
Figuren, Motive
Um und am Altar sind die sieben Schmerzen Mariens dargestellt: Tod Jesu am Kreuz, Suche nach dem dreijährigen Jesu, Beschneidung Jesu im Tempel, Simeons Weissagung, Flucht nach Ägypten, Marias Begegnung mit Jesus am Kreuzweg und am Antependium des Altars (Sockel) die Grablegung Jesu.

Die Grablegung am Antependium des Altars.
Der Altar selbst zeigt zentral eine beeindruckende Pietá (Anlehnung an Haisterkirch?), oberhalb des Tabernakels das Herz Jesu (mit Rosenkranz) und Marias, vier Putten (Engel) unter anderem mit Werkzeugen, die zur Kreuzigung Jesu Verwendung fanden. Im Einweihungsgottesdienst bezeichnete sie Pfarrer Werner als Türöffner oder als Hinweisgeber zur Liebe Gottes!

Die Mutter trägt ihren toten Sohn: ein beeindruckendes Vesperbild (Pietá).
Oben sind eine Gottvaterbüste auf Wolken und das Dreifaltigkeitssymbol (Auge im Dreieck) angebracht. Ganz oben als Deckengemälde ist die Kreuzigungsszene dargestellt.
Links ist eine berührend-menschliche Darstellung des Heiligen Josef zu sehen, mit dem Kind Jesu auf den Armen, das ihn am Bart kitzelt. Rechts ist Johannes der Täufer mit Kreuzstab, Schriftband „Ecce’ und Zeigegestus zu sehen mit Lamm zu seinen Füßen.

Johannes der Täufer.
Außerdem noch im Chorraum sind links und rechts Figuren (Holzbildwerke) aufgestellt, Hl. Florian (Patron der Feuerwehrleute) und Hl. Rochus mit (geheiltem) Pestgeschwür am Oberschenkel (Patron der Kranken und Ärzte), die wohl nicht auf Gabriel zurückgehen.

Der Patron der Feuerwehrleute: St. Florian.
Rechts des Eingangs befindet sich der Hl. Sebastian (Patron der Soldaten, Kriegsinvaliden und Helfer bei Viehkrankheiten).

Mit Pfeilen beschossen: der Heilige Sebastian.
Im Schiff links erhöht ist eine seltene Kruzifixdarstellung mit blutüberströmtem Korpus angebracht.

Das Kruzifix im Schiff links.
Die Deckenfresken im Schiff
An der Decke im Schiff sind die vier Evangelisten von Gabriel dargestellt mit ihren Symbolen Matthäus (mit Engel), Lukas (mit Stier), Johannes (mit Adler) und Markus (mit Löwen). Außerdem sind die fünf Geheimnisse (Gesätze) des Glorreichen Rosenkranzes, die Auferstehung Jesu, Himmelfahrt Jesu, Pfingsten (Kirchengründung) und Aufnahme Mariens im Himmel und ihre Krönung zu sehen. Für Gabriel typisch sind die kussmundigen Gesichter mit rosigen Bäckchen, so die beiden Führenden.

Das Attribut des Evangelisten Lukas – der Stier – ist schemenhaft rechts der Hand zu erkennen.





Die beeindruckenden Fresken von Eustachius Gabriel.
Die beiden Marianischen Bruderschaften
Die Osterhofer Kapelle ist nicht nur religiöser Mittelpunkt der Gläubigen in Osterhofen, sondern auch d i e Kirche der Älteren (gegründet 1702) und Jüngeren (gegründet 1718) Marianischen Bruderschaften. Sie bestehen aus je 63 Mitgliedern. 63 deshalb, weil genau 63 Menschen in Osterhofen die Pest 1627 überlebten. Eine Mitgliedschaft erwirbt man als ältester Sohn nach dem Ableben des Vaters. Schlägt der Sohn aus beziehungsweise ist keiner vorhanden, erbt ein auf der Warteliste Stehender eine Mitgliedschaft. Der alljährliche Bruderschaftstag der Älteren ist jeweils am Gumpigen Donnerstag, die Jüngeren feiern ihn am Donnerstag nach Mariä Empfängnis (8.12.), in diesem Jahr also am 11. Dezember. Man feiert eine Heilige Messe zu Ehren Mariens und betet für die verstorbenen Mitglieder, nun endlich wieder in der angestammten Kapelle Mariä Opferung, um anschließend die Jahreshauptversammlung abzuhalten.
Die Bruderschaftsbilder
In der Kapelle sind im Schiff Votivbilder der beiden Bruderschaften zu sehen: links das Bild der Älteren und rechts das Bild der Jüngeren Marianischen Bruderschaften. Hecht-Lang hat die Arbeiten untersucht und erläuterte Entstehung (Künstler), Alter, Techniken und Inhalte/Aussagen. So sei das Bild der Älteren Bruderschaft relativ neu. Ob es zuvor eines gab, ist unbekannt. Eindeutig aber ist dieses Bild sehr hochwertig und von langer Haltbarkeit. Es ist von dem Waldseer Kunstmaler Johann Nepomuk Lang 1854 geschaffen und auf Metall gemalt. Nepomuk ist der Bruder von Alois Lang, der in New York und Washington Karriere machte (Werke von ihm sind im Kornhaus ausgestellt!).

Bruderschaftsbild der Älteren Marianischen Bruderschaft.
Das Bild der Jüngeren Bruderschaft wurde, ebenfalls 1854, vom Waldseer Künstler Alois Bieger restauriert. Beide Bilder zeigen das Anliegen der Bruderschaften zugunsten ihrer verstorbenen Mitglieder. Beide Bilder enthalten erhöht eine Pietá, darunter die Mitglieder der Bruderschaften mit Priestern. Das Bild der Älteren zeigt rechts unten drei arme Seelen dazu den Schriftzug „Erbarmet euch meiner aufs wenigste ihr meine Freunde“. Das Bild der Jüngeren (Öl auf Leinwand) zeigt loderndes Fegefeuer und das Schriftband „Liebe Brüder allzumal, helfet uns aus dieser Qual“. Das Bild der Jüngeren Marianischen Bruderschaft ist deutlich älter, es stammt von 1760, ist also offensichtlich zeitgleich mit dem Bau der Kapelle entstanden.

Bruderschaftsbild der Jüngeren Marianischen Bruderschaft.
Ideen für die künftige Nutzung willkommen
Vor dem Chorraum links stand eine Flipchart, in die man Wünsche eintragen konnte und Vorschläge für das machen konnte, was künftig in diesem Haistergauer Kleinod stattfinden sollte. Schließlich bezeichnete OB Matthias Henne dieses Kirchlein auch als Symbol für Heimat, Zusammenhalt und ehrenamtliches Engagement für die Menschen dortselbst, aber auch für all jene in Bad Waldsee und darüber hinaus, die dort innehalten möchten.

Der Beichtstuhl wurde nicht wieder in die Kapelle hineingenommen.
Der erneuerte Dachstuhl
Im Festzelt nebenan waren auf einer langen Bildschleife die Stationen der Sanierungsmaßnahmen von Beginn bis zu deren Abschluss zu sehen. Den Schreiber dieses Berichts beeindruckte ein Bild des stark beschädigten Dachstuhls sehr. Wer möchte, darf den neuen Dachstuhl besichtigen. Er ist über die Empore und von dort auf einer schmalen Treppe zu erreichen und zu inspizieren!
Text und Fotos: Peter Lutz
Dieser Bericht bezieht sich den Nachmittag des Eröffnungstages (7.12.), an dem die kunstgeschichtlichen Führungen stattfanden. Vom Vormittag mit Reden zur Wiedereröffnung der Kapelle nach jahrelanger Schließung hat Rudi Martin berichtet („Freudenböller zur Wiedereröffnung der Kapelle in Osterhofen”; DBSZ am 9.12.; siehe Link unten)
Unter „Downloads“ haben wir das Infoblatt (2 Seiten) von Günter Brutscher hinterlegt. Die empfehlenswerte sogenannte Mindmap liegt gratis in der Osterhofener Kapelle aus.












