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Leserbrief

Das Verhökern der Heimat



Zu den bei Mennisweiler geplanten Windkraftanlagen

In Bad Wurzach fast unbemerkt, soll am heutigen Dienstag, 27. Februar, 19.00 Uhr, im Dorfgemeinschaftshaus Mittelurbach eine Veranstaltung zum Thema Windkraft stattfinden. Zuvor hatten die Projektierer die Windkraft als „den höchsten gemeinnützigen Zwecken dienend“ angepriesen. Schließlich sollen die Gemeinden um den avisierten Standort herum mit 0,2 Cent/KWh = 2 € / Megawattstunde bedacht werden. Diese uneigennützige „Großzügigkeit“ kann man erst richtig einschätzen, wenn man überschlägt, welche Summen auf Kosten der jubelnden Allgemeinheit von den Betreibern eingenommen werden können.

Nach den frei zugänglichen Angaben wird an Land erzeugter Windstrom in den ersten fünf Jahren nach Inbetriebnahme der Anlage mit 9,2 Cent/KWh, anschließend mit 5,02 Cent/KWh vergütet. In den ersten fünf Jahren erhalten die Betreiber also das 46-fache, nach fünf Jahren „nur“ noch  das 25,1-fache dessen, was die unmittelbar betroffenen Gemeinden erhalten.

Nebenbei: Die 0,2 Cent sind keine freiwillige Leistung der Projektierer, sondern sie sind ihnen von Gesetz wegen auferlegt.

Angedacht sind im Bereich Mennisweiler Maschinen mit 7 MW-Generatoren, die prognostiziert mindestens 2000 Volllaststunden im Jahr laufen sollen. (Diese häufig versprochene Volllaststundenzahl wurde nach meiner Kenntnis in Baden-Württemberg bisher auch nicht annähernd erreicht.) Rechnerischer Stromertrag also ca. 14.000 Megawattstunden.  (Rechnung: 2000 Volllaststunden mal 7 MW = 14.000 MWh). Die Megawattstunde bringt demnach in den ersten fünf Jahren 90 €, danach 50,02 €.

In den ersten fünf Jahren spült das jedes Jahr 1,26 Millionen € in die Kasse der Betreiber, ab dem sechsten Jahr „nur“ noch 700.280 € / Jahr. Für die Gemeinden verblieben unter der Voraussetzung der 2000 Vollaststunden gerade mal 28.000 € pro Jahr.

Das gilt alles pro Anlage!

Angesichts dieser Geld-Ernte verwundert es nicht, dass einige Grundbesitzer ganz wild darauf sind, möglichst viele derartige Anlagen auf ihren Grundstücken stehen zu haben. Wenn sie nicht selbst als Investoren / Betreiber auftreten, können sie, laut Staatssekretär Baumann bei einer Veranstaltung der Grünen in der Bauernschule von Bad Waldsee, mit einer Jahrespacht von bis zu 135.000 € / Anlage rechnen. Das gilt selbstverständlich auch für die Bauerngrundstücke im Raum Mittelurbach.

Diese Aussage des Herrn Baumann mag man kaum glauben; allein, sie wird vom Fachblatt „Agrar heute“ bestätigt.

Wurden bisher in der Regel zwischen 50.000 und 150.000 Euro Pacht für ein Windkraftgrundstück pro Jahr gefordert, sie geht es in jüngster Zeit anscheinend noch viel höher hinauf: Die Wirtschaftswoche nennt  460.000 Euro Jahrespacht pro Windrad bei 20 bis 25 Jahren Laufzeit im hessischen Hochtaunuskreis. „Da ist die Gier ausgebrochen“, sagte der Nachhaltigkeits-Manager Jens Kriete (Koehler-Holding) gegenüber der Zeitschrift.

Bei der Veranstaltung heute (27. 2.) in Mittelurbach könnte doch offen die Frage gestellt werden, welche Pachtpreisangebote die Projektierer abgegeben haben.

Sofern die Zustimmung der Grundeigentümer vorliegt, könnte das Vorhaben mit Hilfe des „Windkraft-an-Land-Gesetzes“ innerhalb eines Jahres durchgepeitscht werden.

Auf die Dorfgemeinschaft in Mittelurbach / Mennisweiler kommt eine Zerreißprobe zu: hier die Glücksritter mit den enormen Pachterlösen, da die Habenichtse, denen die Riesentürme vor die Haustüre gesetzt werden.

Die optische Wirkung der Anlagen endet nicht bei der Nabenhöhe, sondern mit der Spitze des senkrecht nach oben stehenden Rotorblattes. Da die Anlagen voraussichtlich auf dem Moränenkamm zu stehen kommen, muss dessen Höhe zur Gesamthöhe der Anlage hinzuaddiert werden. Für die Bewohner der Senke zwischen Rossberg und Volkertshaus bedeutet das einen Blick von weit über 300 m nach oben. Für die in der Nähe wohnenden Personen besteht dann die Gefahr, sich dabei die Halswirbel auszurenken.

In Bad Wurzach scheinen weder die Verwaltung noch der Gemeinderat Interesse an den Vorgängen zu haben. Dabei sieht man von der kleinen Anhöhe zwischen Kurhaus und Albers den bestehenden Funkturm bei Mennisweiler in seiner vollen „Schönheit“. Allerdings werden die Windkrafttürme von Mittelurbach / Mennisweiler nicht einfach so ruhig dastehen wie der Funkturm, sondern sie werden kräftig rotieren.

Da die Windkraftanlagen ca. viermal so hoch werden sollen wie der Funkturm, werden sie auf die Optik im Wurzacher Becken aufgrund ihres Standortes unmittelbar am Beckenrand oder sogar auf dem Beckenrand eine verheerende Wirkung haben.

Anlass zur Hoffnung, dass sich Bad Wurzachs Verwaltung und Gemeinderat auch nur zu einer wenigstens halbwegs deutlichen Stellungahme gegen dieses das Wurzacher Ried schädigende Vorhaben bewegen lassen, besteht allerdings nicht. So hat ein Gemeinderat, nachdem ich ihn auf die Problematik aufmerksam gemacht hatte, mit der rhetorischen Frage geantwortet, wo der Strom denn herkommen soll, wenn nicht von den Windkraftanlagen.

Dabei ist die Antwort doch ganz einfach: Von den französischen, tschechischen und den projektierten polnischen Atomkraftwerken. Wenn die nicht ausreichen, eben aus den Kohlekraftwerken jener  Regionen. Um die letzten drei völlig intakten, stillgelegten deutschen Atomkraftwerke zu ersetzen, müssten mindesten 3000 Windkraftanlagen neuer Bauart ihren Betrieb aufnehmen.

Wer das für übertrieben hält, der möge doch seinem Computer die Frage stellen, wieviele Windkraftanlagen ein Atomkraftwerk ersetzen können. Die Antwort, die man erhält, ist leider unvollständig, da vernachlässigt wird, wie Windflauten überbrückt werden.

Die Gewissensfrage bleibt: Für welchen Betrag ist man bereit, seine Heimat zu verhökern?
Hans-Joachim Schodlok, Bad Wurzach




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