Bad Waldsees Potenzial für eine Landesgartenschau
Bad Waldsee – Oberbürgermeister Matthias Henne bat am vergangenen Samstag (20.9.) zum Bürgerspaziergang über ein mögliches Gartenschaugelände der Kurstadt. Bekanntlich beschloss der Gemeinderat Ende vergangenen Jahres einstimmig, sich um die Durchführung einer Landesgartenschau zu bewerben. An den ersten Zukunftstagen der Stadt (19. bis 21. September) war Auftakt des hierfür vorgesehenen Beteiligungsprozesses. Vor gut 80 Interessierten gab es in der Stadthalle Impulsreferate durch den OB und durch drei Vertreter des Büros „Planstatt Senner“. Dieses Team beriet sehr erfolgreich bisherige Gartenschaustandorte wie beispielsweise Wangen, Überlingen, Heidenheim, Balingen, Freudenstadt-Baiersbronn etc. Die Kurstadt sei damit in besten Händen, ist sich Henne sicher.
Information in der Stadthalle

Zum Auftakt gab es Informationen in der Stadthalle. OB Henne (Bild) freute sich über das Interesse der Bürger an diesem Zukunftsprojekt gleich von Anfang an. Er sehe darin beste Chancen für die weitere Entwicklung der Stadt, für die Verbesserung ihrer Lebensqualität bei gleichzeitigem nachhaltigem Fortschritt. Eine Gartenschau sei gewiss mehr als bunte Blumenbeete, sie habe Einfluss auf Infrastruktur, Ökologie, Mobilität und Klimafreundlichkeit in der Kernstadt und in den Ortschaften. Über Landesfördermittel würden auch Wirtschaft und Tourismus dauerhaft profitieren. Eine Landesgartenschau wäre eine einmalige Chance für das gesamte Gemeinwesen, so der OB. Auch alle vier Ortschaftsräte bestätigten diese Sichtweise (gute Verkehrsanbindungen an die Kernstadt). Ideen und Gedanken von Bürgern sollen das Projekt mittragen, wodurch Miteinander, Bürgersinn und gemeinsames Erlebnis gedeihen könnten. Ein solches Ereignis wäre entscheidender Impulsgeber für unsere Zukunft. Lassen Sie uns diese Chance nutzen, appellierte der OB abschließend.
Starke Konkurrenz

Johann Senner (Bild), freier Landschaftsarchitekt und Chef des Beraterbüros, dankte Oberbürgermeister Henne für die konstruktive und interessante Zusammenarbeit. Er versprach, sehr große Ohren zu haben für die Ideen der Waldseer zur Gestaltung ihres Projektes Landesgartenschau. Immerhin gebe es ein stattliches Bewerberfeld von wohl 10 bis 15 baden-württembergischen Kommunen, denn eine Landesgartenschau ziehe langfristig hohe öffentliche Fördermittel bzw. Drittmittel aus Land, Bund und EU nach sich. Ehemalige Landesgartenschaustandorte würden dabei stets bevorzugt, weiß Senner. Gartenschauen seien eine Art Lokomotive für weitere Entwicklungen. Bei Gartenschauen entstünden heute vermehrt Daueranlagen ohne Rückbau und sie seien auch ein dauerhaftes Fest mit sozialen Aspekten, großem Miteinander und Zusammenrücken. An bisherigen Standorten seien auch effiziente Fördervereine für weitere Projekte entstanden.
Wenn der Zuschlag kommt, seien vor allem die Bürger gefordert. Bad Waldsee habe wohl gute Aussichten nach Abschluss des erfolgreichen Großprojekts „Altstadt für Alle“ geschaffen. Die Altstadt selbst mit Park und Seen sei Herzstück einer Planung mit historisch kundigen und kulturschaffenden Bürgern oder mit Vereinen und Verbänden; Roland Umbrecht vom BUND war ja unter den Besuchern. Auch die vielen Quellen, die Seen und die Fließgewässer seien von großem Vorteil bei einer Bewerbung.
Fünf Schlüssel
Fünf sogenannte Keypoints hat Planstatt Senner herausgearbeitet:
- historische Altstadt mit Klosterhof und Hasenwinkel
- Stadtsee und Healing-Park (Gesundheits-Park)
- Wasserschloss im Dornröschenschlaf und verwunschener Landschaftspark
- Hangpark rauf zum Frauenberg mit Aussichtsturm
- Bahngelände mit BAG-Green Tower

Die fünf Entwicklungsgebiete für eine Landesgartenschau. Grafik: Planstatt Senner

Die Gewässer sollen erlebbar werden.
Zeitplan
Das Senner-Team stellte einen möglichen Zeitplan vor: 2025-26 Bewerbung, Zuschlag 2027, Rahmenplan 2028-29, Wettbewerb Freiraum und Städtebau 2030, Ausführungsplanung und Umsetzung 2031-36 und Eröffnung 2037. Die beiden Mitarbeiterinnen erläuterten im Detail verschiedene Möglichkeiten in den Keypoints, auch an Projektbeispielen ihres Büros im In- und Ausland. Auch Ideen für die Ortschaften wurden angedacht.

Tina Mühlbeck vom Senner-Team.
Der Bürgerspaziergang
Am Bürgerspaziergang nahmen zwei Gruppen mit etwa je 40 Personen teil. Gruppe I führte OB Henne gemeinsam mit Kerstin Wilandi und Tina Mühlbeck von Planstatt Senner. Gruppe II führte Bürgermeisterin Monika Ludy gemeinsam mit Johann Senner. Am Ausgang der Stadthalle erklärte Henne seine persönliche und langfristige Sicht des schon länger bestehenden Städtischen Rahmenplans.
Neue Stadthalle?
Demnach sollte es eine neue und moderne multifunktionelle Stadthalle geben (Standort auf Kiesrücken oder Krankenhaus?), die Blechlawinen auf der Bleiche sollten gegebenfalls in ein Haus oder unter die Erde, sogar ein Fahrradhaus wünscht der OB, die Festwiese sei Bedarf und die Tennisanlage sollte Richtung Skateranlage gehen. Beide Planerinnen stimmten dem zu, womit ein wirklicher Hangpark zur Geltung käme.
Der Döchtbühlturm
Den alten Aussichtsturm auf dem Döchtbühl aus dem Jahr 1888 (Kaiser-Friedrich-Turm) könnte man wiederbeleben, indem man ihn sinnvoll umgibt, beispeislweise mit einem Kletterpark. Der Stationenweg müsste barriereärmer werden, womit auch die Schulwege zeitgemäßer würden. Der grüne Ring um die Altstadt müsste weiter ertüchtigt werden.
Der leise Teil der Gartenschau
Am Schlosssee-Ufer hinter dem Hofgarten sollte es eine Wiederbelebung einschließlich der Quellen geben, beispielsweise durch eine behutsame Wegführung durch den Baumbestand mit Ruhebänken. Hier im „leisen Teil“ einer Gartenschau solle viel Platz für Mensch und Natur sein. Früher war dort übrigens ein Cricketplatz, heute ist es eine klimatische Idylle der Kurstadt. Zu denken wäre hier am Ausgang auch an eine Art Künstler-Café mit kreativen Treffs. Auch am 2018 abgebrannten Kavaliershaus und am Hühnerstall im verwunschenen Schlosspark wären heimelige Gestaltungsmöglichkeiten. Eine Teilnehmerin brachte auch eine Konzertmuschel ins Spiel. Ob damit der gewünschte leisere Teil der Gartenschau bewahrt sei, bezweifelt der Verfasser!

Im Klosterhof. Am Mikro Florian Becker.
Gondolettas
Nächste Halts des Spaziergangs waren der Klosterhof und der Steg am Bootsverleih. Der bisherige Boule-Platz solle auf jeden Fall bleiben, aber über die Parkmöglichkeiten müsse im Sinne eines architektonischen Ensembles zwischen Altstadt und Wasser (Stadtsee) diskutiert werden, was im Hasenwinkel weniger der Fall sei, weil es sich dort um einen Hinterhof handele. Am Steg wurde über den BAG-Green-Tower diskutiert, wäre das doch ein idealer Aussichtsplatz über den See zur Altstadt-Silhouette? Auch Wege- oder Wasserverbindungen Altstadt-Bahnhofgelände für Gartenschaubesucher war Thema (Gondolettas? Laut Wikipedia ein Bootsbetrieb, bei dem die Boote mit einem unter der Wasseroberfläche geführten Seil über einen vorgegebenen Kurs gezogen werden). Statt des Treppenaufgangs vom See zum Bahnhof wäre ein Aufzug denkbar.
Kosten-Szenarien: Großer privater Hebel
Abschließend wurde über die Kosten einer Gartenschau gesprochen. Henne erhielt von OB Michael Lang aus Wangen die Information, es seien dort 330 Millionen Euro eingesetzt worden, davon nahmen private Investoren 310 Millionen Euro in die Hand, womit der Stadt selbst 20 Millionen Euro blieben, allerdings für eine Jahrzehnte währende nachhaltige Infrastruktur. Henne bot an, bis zum Bewerbungsschluss noch viele Spaziergänge zu führen! Angekommen am Neuen Rathaus gab es Getränke und Häppchen. Gleichzeitig hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, Ideen und Vorschläge auf Zetteln an einer Pinnwand anzubringen.
Text und Fotos: Peter Lutz
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