Lustvolles Zappen von Kunstwerk zu Kunstwerk
Kißlegg – Die Ausstellungen, die Flaschnermeister Wolfgang Huber in seinem Schauraum und Kabinett zeigt, sind längst kein Geheimtipp mehr. Die in seinen eleganten Räumen stets perfekt gehängten Präsentationen lohnen immer einen Besuch, so jetzt auch die neue mit Werken von Heike Pillemann.
Die aktuelle Ausstellung, die noch bis zum 15. Dezember läuft, ist nicht die erste der Münchner Künstlerin in Kißlegg. Bei einem Rundgang erzählt sie, dass sie zusammen mit dem Ravensburger Raimund Wäschle an der Stuttgarter Kunstakademie studiert habe. Durch ihn sei sie dann auch mit den Kißlegger „Kulturermöglichern“ Anton Schmid und Wolfgang Huber in Kontakt gekommen. Schmid zeigte schließlich 2002 eine Ausstellung ihrer Arbeiten im Neuen Schloss und Huber eine erste in seinen Räumen im Jahr 2018.

Die Künstlerin führt durch die Ausstellung. Foto: Herbert Eichhorn
Große Vielfalt
Wolfgang Huber hat die aktuelle Ausstellung selber zusammengestellt. Er hat die Werke im Atelier der Künstlerin ausgewählt. Dabei sei es ihm darum gegangen, möglichst viele und auch unterschiedliche Seiten ihres Schaffens zu zeigen. Und das gelingt hervorragend. Da die Auswahl auch viele eher kleinformatige Kunstwerke umfasst, kann sich der Besucher jetzt anhand von fast 100 Exponaten ein gutes Bild davon machen, was Heike Pillemann beschäftigt und wie sie arbeitet. Es ist eine richtige Werkübersicht zustande gekommen, vor allem mit Arbeiten aus den letzten fünf Jahren, aber auch mit älteren Sachen. Die Vielfalt des Schaffens von Heike Pillemann, ja das Nebeneinander geradezu gegensätzlicher Ansätze erschließt sich dem Besucher sofort, wenn er durch die Räume geht: Großformatiges hängt neben Kleinformatigem, Zeichnungen und Malereien an der Wand neben auf Sockeln präsentiertem Dreidimensionalem, kraftvolle breite Pinselhiebe neben ganz fragilen Linien, Ernstes neben Humorvollem. Auch die Vielfalt der künstlerischen Techniken, die zum Einsatz kommen, fällt gleich ins Auge. Neben Zeichnung und Malerei in Acrylfarben oder Eitempera entdeckt man Hinterglasmalerei, Collagiertes, mit Stempeln Gedrucktes, Keramik und schließlich auch kleine stehende Mobiles. Man sieht auch, dass die Künstlerin gerne gefundenes, bereits gebrauchtes Material verwendet, häufig zum Beispiel alte Papiere, ob bedruckt oder unbedruckt.

Großformatige Kohlezeichnungen als Blickfang im Schauraum. Foto: Herbert Eichhorn
Im Katalog, der zur Ausstellung erschienen ist, wird der Augsburger Galerist Konrad Oberländer beim Betrachten der Kunstwerke von Heike Pillemann an das Zappen von einem Fernsehkanal zum nächsten erinnert. So viel Unterschiedliches kommt bei ihr oft schon in einer einzigen Arbeit zusammen. Die Kißlegger Schau als Ganzes ermöglicht dem Besucher tatsächlich auch so ein lustvolles Zappen, hier eben von Bild zu Bild.
Alltägliche Beobachtungen als Ausgangspunkt
Die Künstlerin geht häufig von alltäglichen Szenen aus, die sie beobachtet, sei es nun im eigenen Atelier, im Umkleideraum oder im bzw. am Badeteich. Und sie hat ein untrügliches Auge für die Merkwürdigkeiten, die es da manchmal zu sehen gibt. Aber nicht nur Gesehenes, auch beiläufig Gehörtes fließt ein. So finden sich in den Werken kurze notierte Satzfetzen wie „Kochen ohne Zwiebeln“. Häufig werden diese Funde aus unserer Alltagssprache dann auch gleich als Bildtitel verwendet, so etwa bei „WarteWarte“ oder „Vielen Dank wir hatten schon“. Das Werk von Heike Pillemann kann man daher auch als eine Art augenzwinkerndes Tagebuch sehen.

„MokaMoka, Kohlezeichnung (1989). Foto: Herbert Eichhorn
Heike Pillemanns Medium ist die Zeichnung
Das ureigenste Medium der Münchnerin ist die Zeichnung und diese in ganz unterschiedlichen Varianten. Auf den ersten Blick machen ihre großformatigen Zeichnungen natürlich den stärksten Eindruck. Breite Kohlestriche können sich dort zu tiefen Schwarzflächen verdichten. Eine ganze Gruppe dieser Arbeiten mit dem Großformat „MokaMoka“ im Zentrum bildet an der Stirnwand des Schauraums den attraktiven Blickfang. Ebenso eindrucksvoll sind daneben an der Längswand die großen Blätter aus der Serie „Lago“. Hier handelt es sich um Malereien mit Eitempera. Die ist aber schwarz und der Eindruck ist daher ein ganz ähnlicher. Auch wo Farben wie eben die Eitempera oder Acrylfabe eingesetzt werden, dominiert das Zeichnerische. Daher werden hier die Motive häufig – wahrscheinlich mit dem Pinselstiel – in die frisch aufgetragene Farbe geritzt.

Keramikschüssel, Engobe-Glasur (2021). Foto: Herbert Eichhorn
Der Einsatz von Farbe in Heike Pillemanns Arbeiten auf Papier ist aber meistens nicht gleichbedeutend mit Farbigkeit oder gar Buntheit. Meistens verwendet sie zurückgenommene oder gebrochene Töne. Grau etwa begegnet einem häufig. Aber es gibt zwei Werkgruppen – beide sind in Kißlegg mit schönen Beispielen vertreten – , bei denen es sich anders verhält: In der Keramik der Künstlerin und in ihren Hinterglasbildern werden die Farben flächiger vermalt – und es wird hier auch richtig farbig.
Keramik und Hinterglasbilder
Seit zehn Jahren arbeitet Heike Pillemann immer wieder in einer italienischen Keramikwerkstatt. Die Schüsseln und Teller, die dort entstehen, scheinen alle etwas vom Licht des Südens mitzubringen und knüpfen überdies an die große Tradition der Keramik in Italien an. Und eine große, nun aber spezifisch bayerische Tradition findet ihr Echo dann in den Hinterglasbildern der Künstlerin. Eine einprägsame Farbigkeit ist ein Merkmal dieser Technik. Diese zeichnete schon die volkstümliche Hinterglasmalerei aus und dann auch die Hinterglasbilder von Gabriele Münter, die diese Technik für die moderne Kunst entdeckte. Heike Pillemanns Hinterglasarbeiten, vor allem ihre Stillleben mit allerhand Nippes aus dem Atelier, erinnern übrigens auch thematisch an Münter.

„Atelierstillleben mit Echse“, Hinterglasmalerei (2023). Foto: Herbert Eichhorn
Mobiles und Leporellos
Eine weitere originelle Werkgruppe der Künstlerin sind die fragilen stehenden Mobiles aus der Serie „Wilde Gefährten“, die im hinteren Kabinett präsentiert werden. Kleine, aus Papier ausgeschnittene und bemalte Formen, häufig Tiere, hängen an schnell zurechtgebogenen Drähten, denen ein ausgemusterter Pinsel Halt gibt. Dem Charme dieser kleinen Kunstwerke, die sich leicht im Luftzug bewegen, kann sich wahrscheinlich niemand entziehen. Blickfang in diesem Raum ist allerdings ein Objekt, das auf einem flachen Sockel platziert ist, das auseinandergefaltete Leporello „Tapete aus Wedding“. Solche harmonikaartig gefalteten Bücher sind ebenfalls ein Lieblingsthema der Künstlerin, ebenso wie die dort neben der Collage verwendete Technik des Stempelns. Heike Pillemann erzählt zu dieser Arbeit, dass sie in Berlin eine feuchtgewordene alte Tapete aus einem Container gefischt habe und sich dann von ihr habe inspirieren lassen. Kombiniert mit gestempelten Motiven und ebenfalls gestempelten skurrilen Texten taucht die Tapete dann tatsächlich auf jeder Seite des Leporellos auf und gibt ihm schließlich auch seinen Titel.

„Tapete aus Wedding“, Leporello (2021). Foto: Herbert Eichhorn
Ausstellung und Katalog rundum gelungen
Man geht vielfältig angeregt und oft auch schmunzelnd durch diese so breit angelegte Ausstellung im Schauraum und im Kabinett von Wolfgang Huber. Am besten trifft es vielleicht der Künstlerkollege Franz Hitzler. Der stellt im Katalog fest: „Es braucht nur Papier, Flecken und Schnüre, um die vertrackte Geschichte unseres Lebens sichtbar zu machen. Heike Pillemann hat daraus eine zugleich rohe und dennoch subtil zarte Bildwelt erschaffen, in der wir uns in all unserer Fragwürdigkeit wiederfinden.“
Überhaupt der Katalog zur Ausstellung. Der ist in jeder Hinsicht gut gemacht: unaufgeregte grafische Gestaltung, hochwertiges Papier, guter Druck. Und er ist ein Produkt der Region. Wolfgang Huber hat hier mit Firmen aus Kißlegg und Wangen zusammengearbeitet. Fazit also: Ausstellung und begleitende Publikation sind rundum gelungen.
Herbert Eichhorn
In der Bildergalerie weitere Impressionen aus der Ausstellung (Fotos: Herbert Eichhorn)
Ausstellung „Heike Pillemann. Mit den Augen denken“
26. Oktober bis 15. Dezember 2025
Schauraum und Kabinett Huber
Kißlegg, Schlossstraße 58/1
Samstag und Sonntag 14.00 bis 17.00 Uhr
oder mit Voranmeldung unter info@flaschnerei-huber.de
Zur Ausstellung ist ein Katalog zum Preis von 15 Euro erschienen.



















