Bürgerbeteiligungsprozess vorzeitig abgewürgt
Zur Ablehnung des geplanten Biosphärengebietes durch den Bad Waldseer Gemeiderat
Als Teilnehmerin an der gestrigen öffentlichen Gemeinderatssitzung möchte ich deutliche Kritik, insbesondere an den Äußerungen des jungen CDU-Fraktionsvorsitzenden, üben. Eigentlich halte ich mich für eine ziemlich politisch interessierte und engagierte Bürgerin, saß ich nicht ebenso als junge, berufstätige Mutter dreifachbelastet Anfang der 90er-Jahre im Leutkircher Stadtrat. Ein solch unverfrorenes, nahezu ehrabschneidendes Statement zur Motivation unseres Oberbürgermeisters für das eigentlich vorgesehene Bürgerbeteiligungsverfahren in Sachen Biosphärengebiet macht mich allerdings fassungslos. Mag sein, dass den Gemeinderäten und den gut vernetzten Landwirten und Jägern der Austausch über Für und Wider eines solchen Gebietes als längst ausreichend erscheint und sie sich ihre Meinung dazu gebildet haben. Ich kann allerdings rückmelden, dass dies in der breiten Bevölkerung längst nicht der Fall ist.
Viele hätten sich gewünscht, dass es einen Bürgerrat, der den Bevölkerungsquerschnitt abbildet und sich tiefergehend in die Thematik einarbeitet und erst dann entschieden wird, gegeben hätte. Wenn nun repräsentativ gewählte Volksvertreter diesen Informations- und vor allem auch Bürgerbeteiligungsprozess mit gänzlich offenem Ausgang vorzeitig abwürgen mit der hanebüchenen Begründung, man wolle die Bürger damit vor Enttäuschungen / Täuschungen bewahren, so fühle ich mich unangenehm bevormundet und um meine Bürgerrechte beschnitten.
Auf diese Weise hinterließ der Abend den bestürzenden Eindruck, dass hier zwei große Fraktionen nahezu einstimmig – Bernhard Schultes an dieser Stelle ein großer Dank für sein Standing – ihre – und nur ihre – Klientel bedient haben und sich nun zufrieden zurücklehnen. Was Bad Waldsee versäumt hat an Chance für das dringend notwendige Einüben von neuen bürgerlichen Beteiligungsformen, wie sie namhafte Soziologen wie Steffen Mau, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, lange schon fordern, um Politikverdrossenheit wirksam entgegenzuwirken, kann man kaum bemessen. Angst vor der Meinungsvielfalt ist ein sehr schlechter Ratgeber für politische Volksvertreter.
Dr. med. Brigitte Reuther, Bad Waldsee
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