Skip to main content
ANZEIGE
Neobiota: Bereicherung oder Gefahr für unsere Natur?

Dr. Nehring hielt Vortrag über “Die neuen Wilden”



Foto: Ulrich Gresser
Referent Dr. Stefan Nehring während seines Vortrages.

Bad Wurzach – „Die neuen Wilden – Bereicherung oder Gefahr für unsere Natur?“ so lautete der Titel des Vortrages von Dr. Stefan Nehring, einem Experten, der viele Jahre am Bundesamt für Naturschutz tätig war. Dabei ging es um das Phänomen der Neobiota, den immer häufiger auftretenden gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten, die in unseren Wäldern, Gewässern und Fluren immer mehr Platz beanspruchen und dabei heimische Arten verdrängen.

Das Biologische Kolloquium ist eine Veranstaltungsreihe, die es seit Anfang der siebziger Jahre am Salvatorkolleg gibt und die seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Naturschutzzentrum Wurzacher Ried organisiert wird.

ANZEIGE

Das Thema Neobiota stand im Mittelpunkt des diesjährigen Biologischen Kolloquiums, das an Mittwoch, 5. November, im Foyer des Salvatorkollegs in Bad Wurzach stattfand. Rund 50 Besucher, Schüler, Lehrer, Studierende aber auch zahlreiche andere Naturfreunde verfolgten den spannenden und informativen Vortrag von Dr. Stefan Nehring. Dr. Stefan Nehring ist promovierter Diplom-Biologe mit Hauptausrichtung in mariner und limnischer Ökologie. Seine Arbeitsschwerpunkte waren und sind Naturschutz und Umweltmanagement und eben invasive Arten.

Viele dieser Arten wurden absichtlich eingeführt, sei es aus Interesse oder wirtschaftlichen Gründen, oder sind unabsichtlich durch den globalen Handel und Reiseverkehr eingeschleppt worden. Was einst als kurioser Trend wahrgenommen wurde, sorgt mittlerweile für ernsthafte Diskussionen und Probleme. Die steigende Zahl von Neobiota führt zu negativen Auswirkungen auf heimische Arten, stellt eine zunehmende Bedrohung für die Gesundheit der Menschen dar und verursacht erhebliche finanzielle Einbußen in zahlreichen Wirtschaftszweigen.

Dr. Nehring hatte seinen Vortrag in drei Themenbereiche gegliedert: Das Wissen um die Grundlagen, die Dimension des Problems, aber er zeigte auch im dritten Teil Strategien zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt vor diesen Eindringlingen auf, wobei es für den Umgang damit bereits seit 2014 eine EU-Verordnung gibt.

ANZEIGE

Dr. Nehring begann seinen Vortrag, nach einer kurzen Begrüßung durch Schulleiter Klaus Amann und einer fachlichen Einführung durch Dr. Siegfried Roth, dem Leiter des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried, mit einem kurzen Blick auf den Chile-Flamingo, der seit 1982 sich in Holland verbreitet. Weitere ortsfremde Arten sind z.B. Krokodile oder die schon öfters in Presseberichten negativ aufgefallenen Waschbären. Oder die Nandus, eine Straußenart, die nach ihrer Flucht aus einem Zoo sich im ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen angesiedelt haben. Der Wolf wurde durch Wiederansiedlung hier wieder heimisch gemacht. Gründe für eine Neuansiedlung von Pflanzen können auch die Veränderung eines Areals sein.

In Vogelfutter wurde etwa die hochallergene Ambrosie eingeschleppt. Bei Tieren etwa trägt auch der Mensch seinen Teil bei: Durch Import gelangen sie ins Land, entweichen den Haltern oder werden gar ausgesetzt.

ANZEIGE

Enorme wirtschaftliche Schäden

Nehring verdeutlichte die Dimension und die Geschwindigkeit dieser Invasion. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts verzeichnete die Forschung einen extremen Anstieg von 1200 Arten am Artenbestand, die sich etabliert haben, die meisten kommen aus Nordamerika und Asien. Auch der Klimawandel trug und trägt seinen Teil dazu bei. Dass diese invasiven Arten auch enorme wirtschaftlichen Schäden verursachen, zeigt sich etwa in den USA, wo diese sich auf 1,1% des Bruttosozialprodukts belaufen. In Deutschland sei die Datenlage dazu sehr schwach, aber EU-weit dürften die Zahlen sich in einem ähnlichen Rahmen bewegen.

Die Forschung unterteilt zwischen Archäobiota und Neobiota. Das entscheidende Datum dazu: 1492 beginnt mit der Entdeckung Amerikas der globale Handel. Zitat von Christoph Columbus, sechs Tage nach der Landung in Amerika: „Es quält mich sehr, dass ich die vielen Kräuter, Sträucher und Pflanzen nicht kenne….Ich werde von den meisten Proben nach Hause nehmen.“ Auf diese Weise kamen die Süßkartoffel und der Kürbis nach Europa.

Aber auch der Adel trug seinen Teil bei: Bei der Anlage von Schlossgärten etwa schmückte er sich mit fremden Arten wie exotischen Hölzern, nach dem Motto je exotischer desto besser. Auf diese Weise wurde tausende neuer Tier- und Pflanzenarten absichtlich importiert.

ANZEIGE

Der globale Welthandel im 20. Jahrhundert steigt exponentiell, neue Handelswege werden eröffnet und neue Tourismusziele erschlossen, mit dem Ergebnis, dass zehntausende Arten absichtlich importiert oder unabsichtlich mittransportiert werden.

Auch die Presse trage durch kontroverse Berichterstattung, die von Akzeptanz bis Ablehnung in der Diskussion berichtet, ihren Teil dazu bei, dass bei Behörden, Politikern, Wirtschaft und Öffentlichkeit Verunsicherung herrsche, denkt Nehring. Er zeigte in seinem auch Vortrag auf, wie unterschiedlich die Etablierungszeit sein kann: Der große Höckerflohkrebs etwa etablierte sich innerhalb eines Jahres , beim Götterbaum dagegen dauerte es 120 Jahre. In Deutschland sind über 3.000 Arten nachgewiesen, die bisher nicht als etabliert gelten und damit 4,4% des Artenbestandes.

ANZEIGE

Die Biodiversität werde auch durch innerspezifische Konkurrenz gefährdet, durch Vermischung von verschiedenen Entenarten, aber auch durch Krankheitsübertragung vom amerikanischen Flußkrebs auf die heimischen Krebsarten. Nehring zählte auch weitere Schäden auf, die durch Neobiota entstehen: Im Tourismus etwa bei Badegewässern, der Infrastruktur durch Stromausfälle und Wegeschäden, aber auch bei der Fischerei durch Parasiten.

Die bereits erwähnte EU-Verordnung 1143/2014 führt auf einer sogenannten Unionsliste die aufgrund von naturschutzfachlichen Invasivitätsbewertungen entsprechend eingestuften 114 Arten auf. Diese Liste wird sukzessive durch verschiedene EU-Gremien fortgeschrieben. Sie regelt zum Schutz der biologischen Vielfalt und zur Klärung, welche Natur wir bewahren wollen, das meiste. Die aktuelle Rechtslage sieht die etwaige Nutzung von gebietsfremden Arten, deren Nutzung unter kontrollierten Bedingungen und im Einzelfall deren etwaige Beseitigungsmaßnahmen vor. Eine Verschärfung könne durchaus erfolgen, durch nationale Listen invasiver Arten.

ANZEIGE

Vorbeugung

Als Strategiemaßnahmen empfiehlt die Verordnung, vorzubeugen: Kein Verkauf, kein Besitz und keine Freisetzung. Auch die Früherkennung sei mitentscheidend: es könnten bei Auftreten von noch nicht weit verbreiteten Arten Sofortmaßnahmen eingeleitet werden. Aber auch das Management sei wichtig: Bei weitverbreiteten Arten die weitere Ausbreitung zu verhindern, die Umwelt zu überwachen und amtliche Kontrollen durchzuführen.

Bei seinem Fazit sieht Dr. Nehring als wichtigen Faktor die Stärkung der heimischen Arten, denn Neobiota seien kein Ersatz für Missmanagement der Umwelt. Die „McDonaldisierung“ der Umwelt müsse verhindert werden. Auch wichtig: Die Stärkung des Problembewusstseins in der Öffentlichkeit. Handlungsmaximen müssen Prävention und Früherkennung sein.

ANZEIGE

In der anschließenden Fragerunde beantwortete Dr. Nehring Fragen der Besucher, etwa wie die umstrittene Douglasie zu behandeln sei, die von Teilen der Forstwirtschaft als Baum der Zukunft angesehen wird und von anderen als invasiv eingestuft wird.

Ausführlich ging er auch auf die angesprochene asiatische Hornisse ein, die sich bei uns mehr ausbreitet. Deren Nester seien, weil sie sehr hoch oben an Bäumen nisten, schwer zu entdecken. „Wenn sie bei 350 Nestern ein Nest übersehen, dann war die ganze Arbeit umsonst.“ Ein Faktor, warum die Arbeit dabei so mühselig sei, sieht er auch in der finanziellen Ausstattung des Naturschutzes. Eine weitere Frage galt ebenfalls der asiatischen Hornisse: Warum sie in Asien kein Problem darstelle: „Aufgrund von natürlichen Feinden gibt es dort keine Probleme,“ war die Antwort von Dr. Stefan Nehring.
Text und Bilder: Uli Gresser

Weitere Bilder in der Galerie

ANZEIGE


BILDERGALERIE

Fotos: Ulrich Gresser

NEUESTE BEITRÄGE

Bad Wurzach
Am Freitag, 5. Dezember, auf dem Dorfplatz

Feuerwehr lädt zu Arnacher Weihnachtsmarkt

Arnach – Am Freitag, 5. Dezember, findet wieder der Arnacher Weihnachtsmarkt statt. Dieser wird bereits zum elften Mal von der Freiwilligen Feuerwehr Bad Wurzach, Abteilung Arnach, durchgeführt.
Mit dem Mönnerchor Beuren

„Advent bei Kerzenschein” in St. Martin in Eintürnenberg

Eintürnenberg – Die Adventszeit beginnt – eine Zeit der Stille, des Gebets und der Begegnung. Wir laden herzlich ein, gemeinsam bei Kerzenschein in der Kirche St. Martin Eintürnenberg innezuhalten und adventliche Atmosphäre zu erleben: am 2. Adventssonntag um 19.30 Uhr.
33 Kinder und Jugendliche und 17 Erwachsene mit Erfolg dabei

50-mal das Sportabzeichen für TSG-Turner

Bad Wurzach – Das Deutsche Sportabzeichen ist die höchste Auszeichnung außerhalb des Wettkampfsports und kann in allen Altersklassen absolviert werden. Dafür lohnt es sich, jedes Jahr zu trainieren! So trainierten dieses Jahr im Sommer Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Turnabteilung Bad Wurzach und hatten Erfolg. 33 Turnerkinder und jugendliche Sportler legten erfolgreich das Deutsche Sportabzeichen ab und wurden dafür mit einer Urkunde und einem Abzeichen in Bronze, Silber oder Gold gee…
Für Arnach, Bad Wurzach (Stadt), Haidgau und Seibranz

Ausschuss benennt Ortsheimatpfleger

Bad Wurzach – Der Verwaltungs- und Sozialausschuss des Gemeinderates ließ sich über die Arbeit des Vereines Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege (AG) württembergisches Allgäu, bei dem sowohl die Stadt als auch der Heimatverein Wurzen Mitglied sind, von dessen Vorsitzendem Stephan Wiltsche über die Betätigungsfelder der AG und der Ortsheimatpfleger informieren.
In Ziegelbach

Stadt Bad Wurzach unterstützt private Initiative zum Aufbau eines Primärmedizinischen Zentrums

Ziegelbach / Bad Wurzach – In Ziegelbach soll mit dem „Adler”-Quartier ein Primärmedizinisches Zentrum entstehen. Ausgangspunkt ist eine private Initiative der Familie Jäger, die das Projekt architektonisch und strukturell entwickelt und damit den Impuls für eine langfristige Stärkung der medizinischen Versorgung in der Region setzt.
ANZEIGE

MEISTGELESEN

Bad Wurzach
Mit der 4-köpfigen Band „marshy soil“

Erste X-Mas-Party im Torfstecher war ein großer Erfolg

Bad Wurzach – Sie war laut, die erste X-Mas-Party im Torfstecher, aber ein voller Erfolg. Nach dem Ende des Weihnachtsmarktes am Samstagabend zog es viele Glühwein- und Punschselige die wenigen Schritte weiter in den Saal des Torfstechers, um bei Rockmusik von Marshy Soil noch abzutanzen und sich am Vorabend des ersten Advents noch einmal auszutoben.
mit Bildergalerie
veröffentlicht am 2. Dezember 2025
Bei Diepoldshofen

Fahrzeug landet nach Unachtsamkeit in der Wurzacher Ach

Leutkirch – In der Nacht von Freitag auf Samstag (28./29.11.) kam es auf der B 465 zwischen Reichenhofen und Diepoldshofen zu einem spektakulären Verkehrsunfall, bei dem ein 28-jähriger Autofahrer leicht verletzt wurde. Nach derzeitigen Erkenntnissen war der Mann mit seinem Pkw in Fahrtrichtung Diepoldshofen unterwegs gewesen, als er aus Unachtsamkeit nach rechts von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug geriet zunächst auf die Grünfläche und fuhr teilweise auf der Leitplanke weiter. Anschließend …
Eine große Zahl von Besuchern

Bad Wurzacher Weihnachtsmarkt am Samstag: Wetterglück und viele Neuerungen

Bad Wurzach – Albertine Häring und Jeanine Lack von der Bad Wurzach Info (BWI) und Gisela Brodd vom Orga-Team hatten im Vorfeld nicht zuviel versprochen: Der diesjährige Weihnachtsmarkt zog dank idealem Wetter und vielen Neuerungen wieder eine große Zahl von Besuchern an.
mit Bildergalerie
veröffentlicht am 1. Dezember 2025
Ausführlicher Bericht

Bad Wurzach lehnt Biosphärengebiet ab

Bad Wurzach (dbsz) – Bad Wurzach steigt aus dem Prüfprozess zur Schaffung eines Biosphärengebietes in Oberschwaben aus. Mit 17 zu 4 Stimmen wurde am Montagabend (13.10.) in der Gemeinderatssitzung der Antrag der CDU-Fraktion angenommen. Ein Antrag der zweiköpfigen Fraktion der Grünen auf Vertagung einer Beschlussfassung wurde mit derselben Mehrheit abgelehnt. Die Entscheidung Bad Wurzachs gilt als schwerer Rückschlag für den Prozess, verfügt die Stadt doch mit dem Wurzacher Ried über ein Herz…
Klarer Wahlsieg für den 21-jährigen Bad Wurzacher

Jan Jäckel zum Bürgermeister in Asselfingen gewählt

Bad Wurzach / Asselfingen (rei) – Der Name Jäckel ist in Bad Wurzach ein Begriff: Stefan Jäckel ist Personalchef der Stadtverwaltung. Jetzt wissen auch die Bürger der Gemeinde Asselfingen (bei Ulm) etwas mit dem Namen anzufangen: Jan Jäckel heißt ihr neugewählter Bürgermeister. Er ist der Sohn des Bad Wurzacher Amtsleiters und er ist erst 21 Jahre alt. Mit 84 Prozent gewann der Verwaltungsstudent die Wahl in der am Rande der Schwäbischen Alb gelegenen 1000-Einwohner-Gemeinde klar. Jan Jäckel …

TOP-THEMEN

Bad Wurzach
Ziegelbach / Bad Wurzach – In Ziegelbach soll mit dem „Adler”-Quartier ein Primärmedizinisches Zentrum entstehen. Aus…
Bad Wurzach – Die schönste Zeit des Jahres steht bevor – und der Handels- und Gewerbeverein Bad Wurzach lädt alle Kun…
Bad Wurzach / Baden-Baden – Barny Bitterwolf und Edi Graf haben eine Passion: Oberschwaben. Sie halten ihre Heimat ho…

Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk in Allgäu-Oberschwaben

VERANSTALTUNGEN

Bad Wurzach