Warum Bad Wurzach kein Biosphärengebiet braucht
Zur Diskussion um das von der grün-schwarzen Landesregierung geplante Biosphärengebiet Oberschwaben-Allgäu
Am kommenden Montag (13.10.) hat der Bad Wurzacher Gemeinderat dank eines Antrags der CDU-Fraktion die Möglichkeit, aus dem Projekt eines Biosphärengebiets Allgäu Oberschwaben auszusteigen. Wir sind der Meinung, dass die Stadt diese Gelegenheit nutzen sollte, denn keiner der ins Feld geführten Vorteile ist bei näherer Betrachtung stichhaltig.
Zuvorderst wird bei dem Projekt der Beitrag hervorgehoben, den ein Biosphärengebiet zum Natur- und Landschaftsschutz leisten könnte. Doch benötigen wir für den Schutz unserer schönen oberschwäbischen Landschaft weitere (Parallel-)Strukturen? Sorgen nicht bereits seit Jahrzehnten das geltende Agrar-, Umwelt- und Baurecht für eine mustergültig intakte Natur und Landschaft? Außerdem bieten 130 Naturschutz- und 11 Vogelschutzgebiete sowie das europadiplomierte Wurzacher Ried und „Natura 2000“, in den Landkreisen Ravensburg, Biberach und Sigmaringen vielerorts bereits jetzt deutlich darüber hinaus gehende Standards. Auf die geplante Industrialisierung des vorgesehenen 660-Quadratkilometer-Areals mit wohl 60 Windtürmen hat der Biosphärengebietsstatus dagegen keinen Einfluss, was manchem Naturfreund – und künftig Tourist – seltsam erscheint.
Des Weiteren loben die Befürworter eines Biosphärengebiets den positiven Beitrag zur Förderung der lokalen Wirtschaft. Doch auch hier bleibt bei näherer Betrachtung nichts Greifbares übrig, das nicht schon vorhanden ist oder auch mit einfacheren Mitteln zu erreichen wäre. Wie man sich regional vernetzt und wie landwirtschaftlicher Direktverkauf funktioniert, wissen unsere örtlichen Akteure seit vielen Jahren, dafür braucht es keine Geschäftsstelle eines Biosphärengebiets. Auch in der Förderkulisse von EU, Bund und Ländern bewegen sich unsere Bürgermeister zielsicher, ohne dass sie zusätzliche Hilfe benötigen.
Dagegen ist abzusehen, dass allein die neu zu schaffenden Stellen eine steuerfinanzierte Lohnsumme von jährlich über einer Million Euro verursachen werden, wobei der Aufwand eines bis zu 57-köpfigen Beirats und eines wahrscheinlich 20-köpfigen Lenkungskreises und sämtliche Sachkosten noch gar nicht mit eingerechnet sind. Es ist erkennbar, dass diese zusätzlichen staatlichen Verwaltungsstellen privatwirtschaftlichen Akteuren – insbesondere in der 17-prozentigen Pflegezone – zusätzliche Arbeit verursachen und Einschränkungen auferlegen werden. Und vor allem wird eine Gleichstellung dieser Pflegezone mit einem Naturschutzgebiet für Gewerbe und Landwirtschaft den Kampf um Flächen weiter anheizen. Dies sieht im Übrigen auch die IHK Bodensee-Oberschwaben so, die in einer ausführlichen Bewertung vom Oktober 2024 weit mehr Risiken als Chancen durch ein solches Gebiet sieht. Auch für den Tourismus wird kein nennenswerter Effekt erwartet!
Zumindest in Bad Wurzach entfällt darüber hinaus auch der gepriesene mögliche Mehrwert eines Biosphärengebiets für die (Umwelt-)Bildung. Denn das Wurzacher Naturschutzzentrum erfüllt dank Europadiplom diese Aufgabe bereits vorbildlich an sechs Tagen in der Woche. Im Sinne der Bildung sicher zielgerichteter ließen sich daher mit dem Geld zehn bis 20 Vertretungslehrerstellen in der Region schaffen, die dem grassierenden Unterrichtsausfall entgegenwirken könnten.
Hervorzuheben ist auch noch, dass die Situation bei uns in Bad Wurzach bezüglich des Nutzwertes der diskutierten Flächen in der Pflegezone nicht mit Gemeinden im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb verglichen werden kann. Dort ist man vielfach froh, wenn einem bei der Pflege ertragsarmer Flächen geholfen wird. Wir haben dagegen noch eine beträchtliche Anzahl von Haupterwerbslandwirtschaften.
Zuvorderst ist bei der Gesamtbetrachtung des Biosphärenprojekts aber auch eine Einordnung in die aktuelle Situation unseres Landes notwendig. Wir stehen vor einer historisch einmaligen Vielzahl von Aufgaben, die wir als Staat, Wirtschaft und Bürger in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bewältigen müssen: So verwenden wir in Deutschland heute noch zu 80 % fossile Energie und wollen diese in den nächsten 15 bis 20 Jahren auf null bringen, unter freiwilliger Opferung unserer Führungsposition in der Automobilindustrie. Gleichzeitig steht der Wirtschaft eine beispiellose Pensionierungswelle durch den Renteneintritt der „Boomer“-Generation bevor. Und China schickt sich an, durch seine schiere Größe, uns aus immer mehr Weltmärkten zu drängen. Das Steueraufkommen und die staatlichen Finanzen geraten dabei immer mehr – und vor allem dauerhaft – unter massiven Druck.
Darum appellieren wir an den Gemeinderat, aus dem Projekt „Biosphärenreservat Allgäu-Oberschwaben“ auszusteigen.
- Wir brauchen Entbürokratisierung sowie Deregulierung und nicht noch mehr administrativen „Wasserkopf“ und Parallelstrukturen – Wir brauchen weniger Staat, nicht mehr!
- Wir benötigen zielgerichtete personelle Investitionen in unsere bestehenden Bildungsstrukturen und nicht „Ranger“ und neue „Träger öffentlicher Belange“, die gefragt werden müssen!
- Baden-Württemberg verliert aktuell 120.000 Arbeitsplätze durch den Strukturwandel und das ist erst der Anfang: „Wir brauchen Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsförderung und nochmals Wirtschaftsförderung.“ (Manuel Hagel, BW-Ministerpräsident in spe). Da ist für ein solches Projekt mit seinen Kosten und Auflagen kein Platz!
- Es ist zu erwarten, dass man auch aus diesem Biosphärengebiet, wie bereits auf der Schwäbischen Alb, nicht ohne Zustimmung der Landesregierung wird wieder aussteigen können. Solch eine Verpflichtung sollten wir im Interesse unserer Kinder nicht eingehen.
Alois Jäger, Friedrich-Thorsten Müller, Manuel Haberer, sämtliche Bad Wurzach












