Bürgermeister Krattenmacher führte zu drei historischen Gebäuden
Kißlegg – Sonntagnachmittag, 14. September ab 14.00 Uhr. Bürgermeister Dieter Krattenmacher führt öffentlich zu drei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden. Mitten in Kißlegg. Das bringt dem Rathaus-Chef lauten Applaus seines Publikums.


Am Neuen Schloss.
Rund 50 Leute warten schon am Neuen Schloss. Dort beginnt Krattenmacher seine Führung. Erstes Ziel: die „Löwen”-Sanierungsbaustelle. Beinahe bleibt das Ganze im Innenhof des einstigen Gasthof-Anwesens stecken. Denn der Schlüssel fehlt kurzfristig. Zimmerer Veser eilt herbei und öffnet die Tür.

Am „Löwen”.
Drinnen staunen viele erkennbar. Da erweist sich der „Löwen” nämlich als „Riesen-Gebäude”. Krattenmacher beziffert allein die beiden Stockwerke, die bald genutzt werden sollen, auf 800 Quadratmeter. Da sind Dachgeschoss und Kellergewölbe noch nicht mit einberechnet.

Im „Löwen”.
„Hier drin hätte auch eine Kirche Platz gehabt”
Beachtlich an dem Bau: Unter anderem ein 16 Meter langer Balken. Original-Bauteil – spätestens ab 1783 dort eingehoben. Im Dachgebälk selbst führe keine einzige senkrecht Säule die Last nach unten ab – das bewerkstellige allein die Dach-Balken-Konstruktion selbst. Auf einer Fläche von 16 x 24 Meter. Heißt: „Hier drin hätte auch eine Kirche Platz gehabt”, erläutert Bürgermeister Krattenmacher.
Wie das? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus einem der „schlimmsten Ereignisse” in der Kißlegger Geschichte. Nämlich dem großen Brand 1704. Er vernichtete fast alles in dem Mehr-Seen-Ort. Damals, im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 – 1714) entzündeten durchziehende Soldaten eine Art Lagerfeuer – wohl in einem der Holzhäuser. Das geriet außer Kontrolle. In ebenfalls hölzernen Verbindungsgängen breiteten sich die Flammen aus „wie mit einer Zündschnur”.
Wiedererrichtung danach. Krattenmacher: „Man hat ja zuerst die Gaststätten und die Kirche wieder aufgebaut.” 1783: eine weitere Bauphase am „Löwen”. „Der war quasi eine Repräsentations-Gaststätte”, sagt Bürgermeister Krattenmacher. Kein Wunder daher, dass Handwerker aus Vorarlberg mit anpackten. Also Kirchenbau-Könner. Daher auch die große Dachkonstruktion. Mehr noch: „Der Löwen ist ursprünglich ohne einen einzigen Nagel aufgebaut worden.”
Das Ganze hielt fast 200 Jahre. Bis in die 1950er-, 1960er-Jahre. Da wurden Bauteile im „Löwen” versiegelt – konnten bei Wassereinbruch nicht mehr austrocknen. Dieter Krattenmacher: „Ein Riesen-Problem sind die LKWs”. Auf ihren Planen im Winter: Salzwasser. Es frisst sich in die Balken. Doch die gegenwärtigen Arbeiten am und im „Löwen” haben sich offenbar gelohnt. Und zwar so, dass seine Stabilität „grundsätzlich funktioniert”. Bürgermeister Krattenmacher: „Hier unten sind wir jetzt so weit, dass das statisch hebt.”

Mächtige Balken, beeindruckend.
Wenn die Bauarbeiten vollständig fertig sind, bietet der „Löwen” im Erdgeschoss Platz sowohl für „Bürger für Bürger” und die Alten- und Sozialfachfrau des Rathauses, Susanne Mennig, als auch für Bewirtung. Im ersten Obergeschoss sollen sechs kleine Appartements für ältere Bürgerinnen und Bürger aus Kißlegg entstehen, „die unverschuldet in Not geraten sind”. Dieter Krattenmacher: „Wir merken das immer mehr in Kißlegg.” Dank dieser Appartements im „Bürgerhaus Löwen” kann geholfen werden, „dass diese Leute nicht einsam werden”. Mittun müssen diese älteren Personen dabei allerdings auch. Dieter Krattenmacher nennt ein Beispiel: „Das kann Socken-Stricken sein.”
Das “katholische Landratsamt”
Weiter geht’s bei der Führung hinter die katholische Barockkirche St. Gallus und Ulrich. Da erhebt sich ein mehrstöckiger Bau. Ebenfalls unter Denkmalschutz. Ebenfalls renovierungsbedürftig. Das übernimmt die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Sie möchte dort „das katholische Landratsamt für unsere Gegend unterbringen”, berichtet Dieter Krattenmacher. Also das kirchliche Verwaltungszentrum für das Dekanat Allgäu-Oberschwaben. Es umfasst in etwa das Gebiet des Kreises Ravensburg. Kostenpunkt: eine runde Million Euro. Diese Ausgabe gehe nicht zu Lasten der politischen Gemeinde Kißlegg.

Das künftige kirchliche Verwaltungszentrum.
Das Haus Walser
Letzte Station in Krattenmachers am Neuen Schloss begonnenen Rund-Kurs: das „Haus Walser”. Für Heimatfreunde, die handwerklichen Alltag von einst zeigen wollen, ein ganz seltenes Juwel. Jetzt aber erstmal renovierungsbedürftig. Dabei auch der „Selbstversorgergarten” der Familie Walser. Jetzt gelte es, erstmal Gegenstände aus dem Gebäude zu sichern. Wer dabei mittun möchte, möge sich zwanglos im Rathaus melden, sagt Bürgermeister Krattenmacher.
Text und Fotos: Julian Aicher
















