Wer sind die Frauen, die alljährlich den Blutwagen schmücken?
Bad Wurzach – Jedes Jahr beim Heiligblutfest in Bad Wurzach ein Hingucker: der Heiligblutwagen. Der von vier Rössern gezogene Landauer, mit dem jener Geistliche, der das Heiligblutreliquar segnend in Händen hält, durch die Fluren gefahren wird, ist stets wunderbar mit Blumen geschmückt. Nach der Reiterprozession am Blutfreitag wird der Heiligblutwagen auf dem Klosterplatz „geparkt“, bewundert von den zahlreichen Pilgern und Besuchern des Glaubensfestes. Bis 16.00 Uhr muss jeder seine Begierde zügeln; dann darf man Blumen aus den üppigen Buketts herausziehen und heimnehmen. Da herrscht dann ein gehöriges Gedränge an dem historischen Fahrzeug. Und eine halbe Stunde später sieht der Landauer recht gerupft aus. Wer sind die Frauen, die alljährlich ein Floristikkunstwerk für einen Tag herbeizaubern?


Der Heiligblutwagen wird nach der Prozession auf dem Klosterplatz präsentiert. Am Kutschbock sieht man den Zettel mit der Bitte, bis 16.00 Uhr keine Blumen rauszuzupfen. Ab 16.00 Uhr ist das Mitnehmen von Blumen erlaubt – ein begehrtes Mitbringsel vom Bad Wurzacher Blutfreitag.
Maria Schöllhorn ist den Insidern bekannt als Schöpferin des wunderbaren Blumenschmucks, der alljährlich am zweiten Freitag im Juli, dem Termin des Heilig-Blut-Festes, den Landauer ziert und der alljährlich soviel Bewunderung erfährt. Doch ist sie und war sie nie allein bei dieser gleichermaßen kreativen wie mühsamen Arbeit.
In der Anfangszeit – vor mehr als einem halben Jahrhundert – half ihr eine Frau Albrecht und eine Frau Molnar. Mit dem Leiterwägele zogen die beiden Frauen durch Bad Wurzach und baten um Blumen. Auch Elsa Buchschuster half einige Jahre mit. Und Gretel Butscher.
Bald bekam Maria Schöllhorn Hilfe aus der Familie. Martha Mahle, ihre Schwester, die nach Isny geheiratet hatte, machte mit, später dann ihre andere Schwester Helene Ebenhoch aus Seibranz. Und nun seit einigen Jahren sind mit Melanie Müller, Daniela Wodniok und Tamara Müller die Töchter ihres Bruders Eugen im Team mit dabei.
Wie kam Maria Schöllhorn an diese Aufgabe? Die 78-Jährige war in ihrer Kindheit befreundet mit den Kindern von Stadtgärtner Franz Multer, dessen Gärtnerei und Wohnhaus auf dem Gelände des heutigen Feuerwehrhauses lag. Das junge Mädchen half gelegentlich in Multers Blumenladen aus. Beim Schmücken des Heiligblut-Wagens durfte sie vor langer Zeit als „Handlangerin“ mithelfen. „Ich durfte ihm die Blumen vorbereiten, die Blumen steckte der Meister dann selbst.“ Als betagter Mann fragte er sie eines Tages, ob sie es sich vorstellen könne, die Kutsche zu schmücken.
Es war kein leichter Anfang. Die Kutsche stand im Hinterhof der Ökonomie von „Maria Rosengarten“ in einem Schuppen. Als einzige Hilfe stand ihr damals eine alte Dame zur Verfügung. Daher war es für Maria Schöllhorn wie ein Lottogewinn, als sich nach einigen Jahren ihre Schwester Martha aus Isny beteiligte. „Sie ist nicht nur eine wunderbare Schmückerin, sondern auch eine Blumenbeschafferin. Ihr Hauptspender, der seit vielen Jahren Blumen kostenlos zur Verfügung stellt, will nicht erwähnt werden, „weil es einfach von Herzen kommt.“ Auch vom ortsansässigen Gärtner bekommen die Frauen am Mittwochnachmittag vor dem Festtag immer einen Kombi voller wunderschöner Blumen geliefert.
Das Material der Edelstahlwannen, in denen die Blumen zur Schonung des Landauers eingepflanzt werden und die von einem der Söhne gefertigt wurden, wurde von dessen Chef gestiftet, als er hörte, dass es für den Blumenschmuck des Heiligblut-Wagens sei.
„Aber was wäre das Ganze ohne die fleißigen Bauhofmitarbeiter, die immer dafür sorgen, dass die Blumenwannen und das Reisig pünktlich vor Ort sind.“
Für das leibliche Wohl sorgen zwei Bad Wurzacherinnen, die dabei nicht nur an die fleißigen Wagenschmückerinnen, sondern auch an die Festordner denken.
Nach dem Abbruch des kleinen Schuppens kamen die Blumenschmückerinnen für ihre Arbeit einige Jahre bei Omnibus-Wild unter, bis dieser den Platz für seine Busse selbst benötigte. Ab diesem Zeitpunkt schmückten Maria und Martha den Wagen dann in der Werkstatt von Familie Fimpel in der Schulstraße. Der im Volksmund „Schmied Fimpel“ genannte damalige Bürgermeisterstellvertreter konnte sie von Berufs wegen mit zahlreichen Hilfsmitteln ausstatten, die ihnen die Arbeit erleichterten. Sie schwärmen noch heute davon, wie herzlich sie dort alljährlich aufgenommen und unterstützt wurden und werden.
Dann stieß auch die dritte Schwester Helene Ebenhoch dazu und brachte gleich Buchs für die Girlande mit.
„Eine kostbare Zeit“
„Es ist unbeschreiblich, wieviel kostbare Zeit wir Schwestern dadurch miteinander verbringen durften. Zeit die uns lebenslang in Erinnerung bleiben wird“, sagt Maria Schöllhorn.
Die Nachfolge
Die drei Schwestern wurden älter und es stellte sich irgendwann die Frage: „Wer wird nach uns den Heiligblut-Wagen schmücken?“ Eines Morgens wachte Maria Schöllhorn auf und hatte eine Idee. Wie wäre es, fragte sie ihre Schwestern, wenn unsere drei Nichten (die Töchter ihres Bruders Eugen) mit einsteigen würden?
An der Supermarktkasse
Zufällig traf Maria an jenem Tag ihre Nichte Melanie beim Einkaufen an der Supermarktkasse und fragte sie, ob sie und ihre Schwestern sich vorstellen könnten zu übernehmen. „Fragen kostet ja nichts.“ Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Wir haben uns zusammengesetzt und entschieden: Ja, wir machen das.“ Natürlich zuerst einmal mit dem „älteren“ Schwesterntrio gemeinsam. Und tatsächlich zeigten Melanie Müller, Daniela Wodniok und Tamara Müller sogleich ihr Talent. Inzwischen hat jede ihren eigenen Bereich, für den sie zuständig ist. „Das ist für uns alle jetzt jedes Jahr wie ein Urlaubstag“, sagen die sechs Frauen unisono. Seit sieben Jahren sind die drei Nichten dabei. Ein Schwestern-Trio wie ihre Tanten auch.
Ach ja, auch die übernächste Generation steht schon in den Startlöchern: Die Jungs von Melanie hatten den drei Priestern Pfarrer Stefan Maier, Pfarrer Patrick Meschenmoser und Pater Konrad Werder, Superior der Salvatorianer auf dem Gottesberg, je ein Blumensträußchen gebunden, als diese bei den fleißigen Schmückerinnen vorbeischauten. Und dabei ihr Talent schon einmal unter Beweis gestellt …

Pfarrer Stefan Maier, Pater Konrad Werder SDS und Pfarrer Patrick Meschenmoser (von links) erhielten kleine Blumengebinde, als sie bei der Blumenschmückerfamilie vorbeischauten – ausgehändigt von der dritten Generation.

Maria Schöllhorn, Martha Mahle, Elsa Buchschuster (von links). Im Hintergrund das Rolltor von Omnibus-Wild, wo seinerzeit die Blumenschmuckarbeiten stattfanden.

Aufnahme aus den 1980ern.

1986.

1995. Links Maria Schöllhorn, in der Mitte Frau Butscher („Gretele”), rechts Martha Mahle.

2010.

2013. Die drei Schwestern Helene Ebenhoch (links), Maria Schöllhorn (Zweite von links) und Martha Mahle mit Alois Fimpel, in dessen Werkstatt der Heiligblutwagen damals geschmückt wurde (und immer noch wird).

Ca. 1980.

Der aus Bad Wurzach stammende Priester Elmar Morein. Undatiertes Bild.

Ende der 1990er Jahre.

Helene Ebenhoch, Josefa Fimpel, Maria Schöllhorn, Martha Mahle (von links). In Fimpels Werkstatt. Undatiert.

Mit dem ehemaligen Justizminister Guido Wolf, der ein Verehrer des Heiligen Blutes ist und beim Blutfreitag in Weingarten viele Male mitgeritten ist. 2022. Links Maria, rechts Martha.

Alois und Josefa Fimpel. Frau Fimpel ist vor einigen Jahren verstorben.

Die drei Schwestern mit Pater Karl, damals Superior auf dem Gottesberg. Pater Karl Niederer SDS starb im März 2020.

2010.

Auf dem Klosterplatz in Sichtweite der Bad Wurzacher Verena-Kirche. Undatiert.

Undatiert.

Maria (links) und Martha mit Bürgermeisterin Alexandra Scherer. 2022.

Beim Heiligblutfest 2025 zeigte Bürgermeisterin Scherer den Heiligblutwagen ihren Gästen aus Jersey. Foto: privat

Ein Bild aus der Anfangszeit: Elsa Buchschuster, Maria Schöllhorn, Martha Mahle (von links). Damals in der Halle von Omnibus-Wild.
Text und die Fotos aus jüngerer Zeit: Uli Gresser
Die historischen Bilder stammen aus den Foto-Alben der Blumenschmückerinnen











