Privatisierung darf kein Tabu sein
Zur Krise des Bad Wurzacher Kurbetriebes
Der Vergleich mit Aulendorf ist nicht statthaft. Aber lehrreich.
Wir erinnern uns: Die kleine Kurstadt an der Schussen war vor zwei Jahrzehnten landauf, landab in den Schlagzeilen. Das städtische Kurwesen war völlig aus dem Ruder gelaufen, der Schuldenberg war untragbar geworden. Letztlich musste das Land einspringen.
Unter Bürgermeister Heinz Lang – er regierte von 1968 bis 1988 – setzte die kleine Stadt, die als Eisenbahnknoten aufgeblüht war, alles auf die Karte Kur. Man baute und investierte, es waren die goldenen Wirtschaftswunderzeiten. Wann der Niedergang begann, müssen regionale Wirtschaftshistoriker untersuchen. Langs Nachfolger Johannes Heinzler jedenfalls hatte mit Stagnation und Erosion zu kämpfen. Die großen Rahmenbedingungen änderten sich – Stichwort: Seehofer-Reform mit der Kürzung der Kur-Zeit von vier auf drei Wochen – und es gab gewiss auch hausgemachte Misswirtschaft.
Dabei waren die Indikationen der ursprünglich drei städtischen Reha-Kliniken alle zukunftsträchtig gewesen: Orthopädie, Onkologie und Psychosomatik. Dennoch schafften es die behördlichen „Unternehmer“ nicht, schwarze Zahlen zu schreiben, als die Großwetterlage schwieriger geworden war. Und Heinzler brachte es nicht übers Herz, marode Betriebsteile abzuschneiden, eine Gesundschrumpfung durchzusetzen.
Den entscheidenden Schnitt machte Bürgermeister Dr. Georg Eickhoff, der von 2004 bis 2008 amtierte. Er privatisierte. Manche mäkelten, da werde Tafelsilber verscherbelt. Aber er schaffte es, dass potente Fach-Unternehmen die einst städtischen Kliniken fortführten. Waldburg-Zeil übernahm das Parksanatorium mit der Onkologie, das ZfP führte die Schussentalklinik mit der Psychosomatik weiter. Lediglich die kleine Orthopädie wurde eingestellt.
Heute ist Aulendorf ein blühender Klinikstandort.
Was können private Manager, was im Öffentlichen Dienst stehende Unternehmensleiter nicht können? Es wird nicht nur an der Leitung liegen. Es ist eine systemische Frage.
Die dramatische Fehlentwicklung des Bad Wurzacher Kurbetriebes muss vorbehaltlos analysiert werden. Vermutlich krankt der Eigenbetrieb an jahrzehntelanger Unterfinanzierung. Die Schlüsse, die jetzt zu ziehen sind, dürfen auch ein Tabu nicht ausschließen: die Privatisierung.
Das Prädikat „Bad“ wird auch dann noch am Ortsschild stehen, wenn das besitzanzeigende Wort beim städtischen Kurbetrieb weggefallen sein sollte.
Gerhard Reischmann












