Dann wird es vorbei sein mit „beschaulich“
Zur Diskussion um Windkraft im württembergischen Allgäu und im Altdorfer Wald
Das beschauliche Allgäu, speziell das Hinterland zwischen Bad Waldsee und Isny, soll nun die Heilsregion für die Energiewende und vorrangig die Windenergie werden. Jahrzehntelang bewusst übersehen von den hohen Herren in Berlin, Stuttgart und auch im Landratsamt Ravensburg, hing und hängt man beim Straßenbau, bei der Kommunikationsinfrastruktur und beim öffentlichen Nahverkehr um viele Jahre zurück. Dagegen hat der ehemalige RVBO-Chef Franke schon vor 15 Jahren erkannt, wohl eher zum Schaden der Region, dass eine dringend benötigte Ausdehnung der Industrielandschaft nur in diesem Gebiet noch möglich ist, da die Ballungsräume Bodensee und Schussental restlos verbaut und verschachtelt worden sind.
Neben wenigen verbliebenen Milchbauern und ihrem Grünland überwiegen nun unendliche Maisfelder und blendende PV-Flächen. Biologisch wenig sinnvoll, aber im Sinne der Grünen-Energiewende wird jeglicher Widerspruch im Keim erstickt beziehungsweise schöngeredet. Gravierende Unterschiede sind bei dieser „Bebauung“ zu komplett versiegelten Flächen kaum vorhanden und wie weit uns Biogasanlagen wirklich nach vorne bringen, deren Grundlage mit überdimensionalen Maschinen bis zu 100 km herangefahren werden, um dann eine „saubere Energie“ liefern zu sollen, wird natürlich nicht hinterfragt.
Zweifelhafte Studie
Zweifelhafte StudieWindräder sind dabei das „Zugpferd“ hin zum „sauberen Strom“ und werden, basierend auf dem Windatlas aus dem Jahre 2019, welcher in Zusammenarbeit vom Frauenhofer-Institut und der von der Windenergie profitierenden Firma AL-Pro erstellt wurde, in die unverbaute Landschaft geplant. Wie unabhängig und frei solche Institute wirklich sind, kann oftmals mit einem Blick auf ihre Finanzierung erkannt werden. Zwar hat eine wissenschaftliche Arbeit vor wenigen Wochen nachgewiesen, dass die Aussagen in diesem Windatlas um bis zu 30 Prozent überzogen sind, und dass laut Windatlas ankommender Wind aus der Richtung Österreich und Schweiz sich an der Landesgrenze zu Baden-Württemberg auf wundersame Weise verstärkt, aber dies hindert Umweltministerin Walker von den Grünen nicht, sich auf diese zweifelhafte Studie zu stützen. So werden auch die geplanten Windräder im Altdorfer Wald damit begründet und mit der vollmundigen Ankündigung, mit ihnen alle Haushalte im Landkreis Ravensburg mit „sauberem Strom“ zu versorgen können. Diese oftmals von Verantwortlichen und Politikern getätigte Aussage ist dabei fachlich wie auch sachlich falsch. Nicht einen einzigen Haushalt kann man dabei an 365 Tagen über jeweils 24 Stunden mit Strom versorgen. Die bis zu 300 Meter hohen Ungetüme, welche ein Jahrtausende altes Landschaftsbild verschandeln werden, erreichen bei uns gerade einmal eine Jahresleistung von 14 bis 20 Prozent ihrer Nennleistung. Wer kauft sich schon ein Auto mit 100 PS, mit dem er immer nur 20 PS abrufen kann und die nicht einmal dann, wann er sie benötigt?
Geschönte Visualisierungen
Die von den Projektieren vorgelegten Visualisierungen ergeben einen unzureichende Vorstellung, wie sich der Blick in unsere Landschaft verändert. Denn sie sind technisch geschönt. Nicht mit der vom menschlichen Auge benutzten Brennweite von rund 20 mm, sondern mit 50 mm wurde diese Aufnahmen gefertigt. Damit wird die Wirkung dieser Ausblicke verharmlost.
Unzureichende Beteiligung der Anwohner
Es ist bemerkenswert, mit welchen Zahlen und Erfolgsmeldungen die Bevölkerung geködert wird, um dann die wirklich erreichten Zahlen bei der Stromgewinnung schön verschlossen zu halten. Auch die versprochene Beteiligung pro erzeugtem Kilowatt ist reine Augenwischerei, zahlt sie doch der Stromkunde über die Netzgebühren quasi selbst. Wenn schon so belastende Monster im Vorgarten stehen, dann gehört es sich, dass die Anwohner substantiell an den Erträgen beteiligt werden.
Gefährdung des Trinkwassers
Auch den berechtigte Zweifel am Schutz von Trinkwasser speziell im Altdorfer Wald versucht Ministerin Walker abzuschwächen; umfangreiche geologische Gutachten werden derzeit erstellt, um die Besorgnis auszuräumen. Es ist dabei nur zu hoffen, dass das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau außen vor bleibt. In peinlicher Manier hat es vor drei Jahren versucht die Arbeit des Geologen Dr. Schad bezüglich der unterirdischen Wege des Trinkwassers der Weißenbronner Quellen (Wasserversorgung Baienfurt und Baindt) zu untergraben und dabei in stiller Harmonie mit der Leiterin des zuständigen Dezernats im Landratsamt Frau Steger, den Altdorfer Wald im Ganzen und den Waldburger Rücken im Speziellen als keine geologische Besonderheit darzustellen. Welch fachlichem Irrglauben diese beiden Behörden dabei (bewusst?) unterlagen, hat der renommierte niederländische Geologe Mat. G.G. de Jong (Universität Amsterdam), welcher seit rund 30 Jahren die Geologie unserer Region bis nach Vorarlberg erforscht, in Zusammenarbeit mit örtlichen Wissenschaftlern mit seiner kürzlich veröffentlichten Arbeit zum Waldburger Rücken bescheinigt. In einem bisher nicht bekannten ultrahochauflösendem digitalen Geländemodell wurde der Waldburger Rücken als ein in Europa einmaliges und bedeutendes Archiv der Natur- und Kulturgeschichte der letzten 20.000 Jahre eingestuft, der bisher in seiner Gesamtheit nicht geschützt ist.
Wo bleibt das Landschaftsschutzgebiet Altdorfer Wald?
Es verwundert daher die Einwohner im Landkreis Ravensburg, dass trotz diesem Wissen – oder gerade deshalb? – noch immer keine Entscheidung bezüglich der Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes (LSG) Altdorfer Wald getroffen ist. Könnte hierbei ein Zusammenhang bestehen zwischen der bekannten Absicht des Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann und der Führungsringe der Grünen in Baden-Württemberg, die dieses Gebiet auch weiterhin für den Kiesabbau beibehalten wollen, damit der fragwürdige Export dieser Ware nach Österreich und in die Schweiz erhalten bleibt? Dass sowohl sieben von acht im oder am Aktdofer Wald ansässigen Gemeind als auch mehr als 15.000 Unterschreibende das LSG in der bisher größten Unterschriftenaktion im Landkreis ebenfalls befürworten, läßt die Verantwortlichen im Landratsamt kalt. Man spielt auf Zeit, obwohl selbst Planungsbüros und an der Einstufung Beteiligte sich eindeutig für ein solches Schutzgebiet ausgesprochen haben. Die Aussage der Dezernentin bei der Gemeinderatssitzung in Waldburg vor drei Jahren lässt sich nachträglich auch deutlich einstufen. „Es gibt bezüglich der Ausweisung kein Klagerecht und außerdem ist der Altdorfer Wald weder bedroht beziehungsweise ganz hervorragend geschützt.“ Hier zeigt sich, wie wenig Eigeninitiative, Eigenverantwortung und Entscheidungsinitiative die Befehlsempfänger im Ravensburger Landratsamt doch besitzen. Zeiten in denen ein verantwortungsbewusster Förster dem RP in Tübingen erläutert hat , was wichtig ist für die Region, sind schon Jahrzehnte vorüber. So sind die Erwartungen an einen Landrat, der sich nicht in den Zuständigkeiten bezüglich verschiedener Schutzgebiete auskennt, dafür aber einen rund 82 Quadratkilometer großen Wald nach einem Besuch etwas mehr als 40 Minuten bestens zu kennen glaubt, nicht all zu hoch einzustufen.
Wie unabhängig ist der Regionalverband?
Wundersam auch die Abläufe beim Regionalverband Bodensee-Oberschwaben. Der gerade erst verabschiedete Regionalplan sieht ausdrücklich weiteren und neuen Kiesabbau in den erwähnten außergewöhnlichen geologischen Schichten am/im Waldburger Rücken vor. Der von der örtlichen Politikerprominenz so hochgelobte Plan weist in den Gebieten Heißer Wald, Oberer Tannenwald, Baienfurter Forst und Erbisreuter Wald aber auch Vorranggebiete zum Schutz von Wasser aus, welche bedingt durch ihre zahlreichen naturnahen Quellen, einmal bedeutend für unsere Wasserversorgungen werden könnten. Daher ist im neuen Plan dortjegliche Art der Veränderung und Bebauung untersagt. Genau die gleichen Personen mit ihrem Vorsitzenden Heine veröffentlichen nur Stunden später Kartenmaterial zum Teilregionalplan Energie, wo genau diese Vorranggebiete nun speziell zum Ausbau der Windenergie vorgesehen sind. Wer nunmehr noch immer glaubt, der RVBO ist ein unabhängiges Gremium zum Wohle der Bevölkerung mit Rücksicht auf Natur, Landschaft und Kultur, der glaubt auch, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet. Der RVBO ist mittlerweile zu einem reinen Ausführungsinstrument von Politikern und örtlichen Lobbyisten geworden, die ihre abstrusen Ideen rechtlich absichern wollen.
„Gespaltene“ Kritik
Auch ist in diesem Zusammenhang verwunderlich, dass Kritikergruppen des neuen Regionalplanes dessen Flächenverbrauch anprangern, beim Flächenverbrauch der umstrittenen Flächen für Windkraft und PV sich aber in ihr stilles Kämmerchen zurückziehen.
Schwer tun sich auch die Naturschutzverbände beim Umgang mit der Windenergie speziell in Waldgebieten. Natur- und Landschaftsschutz auf der einen Seite gegen CO2-Problem auf der anderen Seite. Ausweisung von Bannwaldgebieten als Ersatz für Kahlschlag im Altdorfer Wald ist wohl eher keine Lösung. Erhalt der vorhandenen regionalen Natur sollte hier doch gegenüber dem abstrakten Klimamodell mit möglichen Auswirkungen der CO2-Zunahme Vorrang besitzen. Allein die CO2-Zunahme der Volksrepublik China im Jahre 2019 war doppelt so hoch wie der jährliche CO2-Ausstoß der Bundesrepublik Deutschland. Vielleicht spielt auch die Besetzung der Vorstandschaft des BUND in Baden-Württemberg und deren Vergangenheit bei der Windindustrie eine nicht unerhebliche Rolle. Die Zustimmung des BUND für Windkraft im Altdorfer Wald führt zum „Bruch der Dämme“, zum Bau weiterer „Industrieanlagen“ in diesem grünen Juwel.
Schall, Infraschall und Druckwellen werden ignoriert
Die einst als sauber geltende Lösung Windkraft, die teilweise Kultcharakter und und den Status eines Glaubensbekenntnisse erreicht, ist mittlerweile restlos entzaubert. Nachgewiesene Probleme für die menschliche Gesundheit werden dabei bewusst ausgeblendet. Beim Thema Schall, Infraschall und Druckwellen wird in Deutschlands Führungsriegen auf taube Ohren geschaltet, obwohl es bereits durch Gericht anerkannte Fälle in Frankreich gibt. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch hierzulande sich solche Probleme nicht mehr „wegwischen lassen“.
Mikroklima, Balso-Holz, Entsorgung
Ähnlich sieht es dabei bei Veränderungen von Mikroklima, dem Problem Balsaholz, der Entsorgung von Propellern usw. usw. aus. Auch ist es verwunderlich, dass Windkraftbetreiber zum Schutz ihrer Anlagen Abstände von 800 Metern einhalten, der Abstand zu bewohnten Gebieten aber mittlerweile bis 600 Meter möglich ist. Zählt hier der Mensch mittlerweile weniger als der wirtschaftliche Gewinn?
Doppelmoral bei Atomkraftgegnern
Was Ausblenden von Tatsachen herbeiführen kann, sehen wir bei der Atomstromgewinnung. Der „Abfall“ von damals ist nun ein Problem für die nächsten Generationen. Aber anstatt sich diesem Problem zu stellen und mittels neuer Technik den ohnehin strahlenden Müll sinnvoll einzusetzen, seine Strahlungsintensität entscheidend zu verkürzen und dabei noch Strom für rund 100 Jahre gewinnen zu können, wird bei uns jegliche Forschung dazu eingestellt und dieser Müll lieber unter der Erde versteckt. Ganze Gruppen von Atomgegnern feiern die Abschaltung dieser Technik und nutzen dabei den seit Mai 2023 benötigten Importstrom aus Frankreich, Südschweden oder aus Tschechien, welcher genau mit dieser Technik produziert wird, um das Stromdefizit in Deutschland auszugleichen. Auch stören sie sich nicht daran, dass bei der Gewinnung von Neodym (ein Metall der seltenen Erden), ein wichtiger Baustoff beim Windradbau, erhebliche Abfallmengen von strahlendem Uran anfallen und die Abbaugebiete nicht mehr bewohnbar sind, weil das Grundwasser atomar verseucht ist. Aber das alles passiert ja im fernen China und unsere Windräder sind ja „grün“.
Wenn kein Wind weht
In den Monaten seit Ende April 2023 konnte Deutschland seinen eigenen Strombedarf nicht mehr decken. Daran werden auch die tausende geplanten neuen Windräder nichts verändern, denn wenn kein Wind weht, dann kann kein Strom erzeugt werden. Diese Binsenweisheit mussten schon die Müller mit ihren Windmühlen vor 150 Jahren erfahren, als sie von dampfgetriebenen Mühlen abgelöst wurden. Die derzeit geplanten Windräder in der Region werden während ihrer Nutzungsdauer auch keine Speicheranbindung erhalten. Weder die Speichertechnik noch die Stromnetzstruktur ist dazu in der Lage. Konventionelle Kraftwerke sichern auch weiterhin unsere Versorgung und stillstehende Riesen zeugen dann von Ideologie anstatt Vernunft.
Warner werden in die Ecke gedrängt
Auf all diese Probleme versuchen verschieden Gruppen, Vereine und Initiativen hinzuweisen. Sie kämpfen um den Erhalt unserer einmaligen Landschaften wie dem Haistergau, dem Wurzacher Becken oder dem Württembergischen Allgäu im Gesamten. Es wird dabei von der regionalen Tageszeitung auch eine faire und ausgewogene Berichterstattung erwartet. Wenn dabei noch versucht wird Akteure, deren einziges Ziel der Natur- und Landschaftsschutz ist, mit der „rechten Ecke“ in Verbindung zu bringen, so ist dies wenig erbaulich und relativiert die Behauptung, dass unser regionales Tagblatt unabhängig berichtet.
So bleibt derzeit nur die Illusion, dass die Ideologen und selbsternannten Fachkräfte nicht länger noch das Sagen haben werden und reell denkendes und agierendes Personal wieder die Oberhand gewinnt.
Alexander Knor, Bad Wurzach