Zeitgenössische Kunst, paarweise
Schloss Achberg – Hinter dem Motto „Kunst & Liebe“ verbirgt sich keine Werbeaktion für das Angebot, auf Schloss Achberg heiraten zu können. Vielmehr werden dort in der Ausstellung mit diesem Titel nun die Werke von 13 ganz unterschiedlichen zeitgenössischen Künstlerpaaren vorgestellt.
Szenenwechsel auf Schloss Achberg
Es ist ein kompletter Szenenwechsel. Bis vor Kurzem lief in den Räumen noch eine Ausstellung mit Arbeiten einer der populärsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts: Käthe Kollwitz. Beim Presserundgang konnte Achberg-Chef Michael C. Maurer stolz berichten, dass diese Präsentation mit über 11.000 Besuchern an 12 Wochenenden überhaupt die bisher erfolgreichste war. Nun präsentieren sich die Räume völlig verändert. Um die lichtempfindlichen Zeichnungen und druckgrafischen Blätter der Kollwitz zu schützen, waren die großen Fenster verhängt gewesen, oft mit ausführlichen Infotafeln. Auf solche Texte wird in der neuen Schau ganz verzichtet, die Fenster sind unverstellt. In Achberg ist das Schloss selber mit seinen überreichen Stuckdecken ja eigentlich immer das eindrucksvollste Ausstellungsstück. Wenn nun auch noch das durch die Fenster strömende Sommerlicht und das bewegte Grün der Bäume draußen dazukommen, verstärkt sich diese Präsenz der Location noch.

Der Leiter von Schloss Achberg Michael C. Maurer (links) und die Ausstellungskuratorin Andrea Dreher (rechts) mit Ria Wank und Wolfgang Ganter in der ehemaligen Schlosskapelle, Foto: Herbert Eichhorn
Ganz unterschiedliche Künstlerpaare
Und nun müssen also zeitgenössische Künstlerpaare, die sonst wahrscheinlich am liebsten in neutralen weißen Ausstellungsorten ihre Werke präsentieren, mit den eigenwilligen Räumen zurechtkommen. In der Regel bespielt jedes Paar einen einzigen Raum, ausnahmsweise auch mal zwei. Alle wichtigen Gattungen der heutigen Kunst sind mit dabei: Malerei, Zeichnung, Grafik, Fotografie, Skulptur, aber auch zahlreiche Installationen. Die Art, wie die Paare zusammenarbeiten oder eben gerade nicht zusammenarbeiten, ist unterdessen sehr verschieden. Schon die ersten Reaktionen auf die Anfrage der Ausstellungkuratorin Andrea Dreher fielen höchst unterschiedlich aus. Sie berichtet, ältere Künstler hätten sich oft schwerer getan als jüngere. Die beiden Bildhauer Andrea und Nikolaus Kernbach, seit 1977 ein Paar und mit der stillen Installation „Unterwegs“ vertreten, reagierten zunächst skeptisch: „Wen interessiert das, dass wir verheiratet sind?“ Mehr über die einzelnen Paare erfährt man dann in dem kostenlosen Begleitheft zur Ausstellung.

Ein Gemälde von Isa Dahl und eine Skulptur von Daniel Wagenblast, Foto: Herbert Eichhorn
Getrennte Ateliers
In getrennten Ateliers entstehen zum Beispiel die Werke der Malerin Isa Dahl und des Bildhauers Daniel Wagenblast. Sie haben immer wieder gemeinsam ausgestellt und auch hier funktioniert das gut. Isa Dahl hat, mit Blick auf die niedere Raumhöhe, neue Gemälde im Hochformat geschaffen, dazwischen finden sich die grob aus dem Holz gehauenen und anschließend bemalten Skulpturen, die für ihren Ehemann typisch sind. Dazwischen gibt es dann aber doch noch die gemeinsame Arbeit „Unter Protection“. Ähnlich bei Martina Sauter und Lorenzo Pompa: Sie zeigt ihre blaugetönten Fotoarbeiten, er seine Gemälde, in denen unter anderem die Muster von Gestricktem aufgegriffen werden. Und in der Mitte des Raumes kommen dann Arbeiten von beiden in einer Skulptur zusammen. Bildhauerei und Malerei treffen auch bei Irmela Maier und Bodo Kraft aufeinander. Sie baut aus Abfallmaterialien eindrückliche Affen, für die sie Studien im Karlsruher Zoo betreibt. Er malt ganz klassisch auf Leinwand. Daher ist es absolut stimmig, wenn er auf den schmalen Gemälden mit Ausschnitten aus den Wänden seines Ateliers Motive aus der Malerei des Barocks und der Renaissance zitiert. Dass man es hier mit ganz unterschiedlichen künstlerischen Temperamenten zu tun hat, wird auch klar, wenn er feststellt: „Ich könnte nicht arbeiten bei dem Chaos im Atelier meiner Frau.“

Plastiken von Irmela Maier und Gemälde von Bodo Kraft, Foto: Herbert Eichhorn
Künstlerduos
Ganz eng arbeitet dagegen das Künstlerduo zusammen, das sich Mukenge/Schellhammer nennt und zwischen Deutschland und dem Kongo pendelt. In der Ausstellung sind Christ Mukenge und Lydia Schellhammer dann allerdings mit Gemälden und Digitalarbeiten vertreten, die sich auf eine berühmte Begebenheit aus der deutschen Romantik beziehen. Der Dichter Heinrich von Kleist hatte seine Begeisterung für das Gemälde „Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich in dem Satz zusammengefasst, dort habe man das Gefühl „als ob Einem die Augenlider weggeschnitten wären“. Das Ehepaar Lina und Johannes Baltruweit – in Achberg vertreten mit der zuletzt auf Taiwan ausgestellten Skulptur „Western Gods“ – versteht sich ebenfalls als Künstlerduo. Das Duo tritt sogar unter einem eigenen Namen auf, nämlich Super Vivaz.

Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl, „Ada & Mary“, Foto: Herbert Eichhorn
Von Paris nach Oberschwaben
Die sicher schrillsten Kunstwerke der Ausstellung stammen ebenfalls von einem Künstlerduo. Die beiden Wiener Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl haben Teile ihrer Installation „Doppelgänger“ mitgebracht, die zuvor im Palais de Tokyo in Paris zu sehen war. Da wird es in den Achberger Räumen tatsächlich etwas eng. Aber gleichzeitig stammt von dem Paar auch eine besonders eindrucksvolle Arbeit. Ihre Skulptur „Ada &Mary“ erweist zwei außergewöhnlichen Frauen des 19. Jahrhunderts ihre Referenz. Von der Schriftstellerin Mary Shelley kennen wir vor allem ihren berühmten „Frankenstein“. Ada Lovelace ihrerseits war eine geniale Mathematikerin. In der Wirklichkeit haben sie sich nie getroffen. Hier sind sie zu einer Figur verschmolzen.
Schloss Achberg: ein besonderer Ort
Besonders interessant wird es, wenn die Künstler in ihren Werken auf das Schloss oder auch auf seine traumhafte landschaftliche Umgebung reagieren. Das kann auch durch eine Art Gegenreaktion geschehen. So legten es die beiden Berliner Stefan Kaminski und seine Partnerin Alex Tennigkeit, wie sie betonen, auf einen „Gegensatz zur Location“ an. Während sie in ihren Malereien, zum Teil in der altmeisterlichen Technik Öl auf Kupferblech, die Vermüllung unseres Planeten beklagt, erinnert er sich in seinen großformatigen Zeichnungen an seine Zeit als Punk. Auf die Landschaft um das Schloss scheinen sich auch die Arbeiten von Evelyn Weinzierl und Johannes Lauter zu beziehen. Ihre fein gearbeiteten Kinderplastiken aus Zirbelholz bewahren und betonen ihre Herkunft aus einem Baum.

Eine Zeichnung von Stefan Kaminski, Foto: Herbert Eichhorn
In der Schlosskapelle
In der um 1700 entstandenen Stuckdekoration des Schlosses geht es immer wieder um das Thema Jagd. Oben im Rittersaal scheinen Jäger aus Stuck sogar auf den Besucher zu zielen. Insofern passen die Arbeiten von Karin Brosa – sie stellt zusammen mit ihrem Partner Robert Matthes aus – gut hier hin. Sehr schlüssig wird die ehemalige Schlosskapelle von Ria Wank und Wolfgang Ganter bespielt. In ihren Arbeiten spielen Wachstumsprozesse eine wichtige Rolle. Er lässt Bakterienkulturen über die Reproduktionen von Gemälden wachsen, hier in einem Gemälde des Renaissance-Meisters Andrea Mantegna, das genau auf den Altar der Kapelle passt. In ihrem auf dem Boden liegenden Werk scheint sich die Ordnung der Stuckdecke in einem Geflecht aus Wurzeln zu spiegeln.

Die Installation von Karolin und Daniel Bräg im Rosenzimmer, Foto: Herbert Eichhorn
Von Leben und Tod
Sehr überzeugend ist schließlich die stille Installation im sogenannten Rosenzimmer und im sogenannten Sterbezimmer. Die Wände dieser Räume sind bemalt, im Rosenzimmer etwa mit Blumengirlanden. Karolin und Daniel Bräg konzentrieren sich daher auf die Raummitte, wo in flachen Tischvitrinen Briefe und Fotos von Blüten ausgelegt sind. Karolin Bräg hat für dieses neue Werk Freunde und Verwandte aufgefordert, Gedanken zum eigenen Tod aufzuschreiben. Diese Briefe, Daniel Brägs Fotografien von Blüten und die sich vor den Fenstern im Wind wiegenden Äste der Bäume: Das alles fügt sich zu einer berührenden Meditation über die Fülle des Lebens einerseits und seine Endlichkeit andererseits.
Ein besonderes Himmelbett
Das eindrücklichste Kunstwerk erwartet den Besucher dann ganz am Ende des Rundgangs. Simone Zaugg und Pfelder haben dafür genau recherchiert und dabei sogar im Schloss übernachtet. In einem Raum, in dem wohl früher Gäste untergebracht waren, haben sie ein ganz spezielles Himmelbett aufgebaut. Schon der strenge hellgraue Holzquader in der Mitte des Raumes spricht einen stark an, nachdem man in der Ausstellung so viel Unterschiedliches gesehen hat, darunter auch recht Schrilles. Der eigentliche Clou erwartet einen aber, wenn man um den Block herumgeht, seine Schuhe auszieht, zu dem Hochbett nach oben steigt, sich hinlegt und sich unmittelbar unter der Stuckfigur des Götterboten Hermes über Kopfhörer unter anderem die schöne alte Geschichte von Philemon und Baucis erzählen lässt.

Das „Himmelbett“ von Simone Zaugg und Pfelder, Foto: Herbert Eichhorn
Schon allein diese Arbeit und die der Brägs lohnen die Fahrt zum Schloss Achberg. Drumherum gibt es aber beim Gang durch die Ausstellung auch sonst viel Spannendes zu entdecken. Noch bis zum 2. November besteht Gelegenheit zu solch einem kurzweiligen Ausstellungsbesuch, der tatsächlich auch Einblicke in das gewährt, was im Untertitel der Ausstellung so formuliert ist: „Zeitgenössische Künstlerpaare im Miteinander und Gegenüber“.
Herbert Eichhorn
In der Bildergalerie weitere Impressionen aus der Ausstellung.
Zur Ausstellung ist ein informatives kostenloses Begleitheft erschienen.
„Kunst & Liebe. Zeitgenössische Künstlerpaare im Miteinander und Gegenüber!“
Ausstellung „Kunst & Liebe. Zeitgenössische Künstlerpaare im Miteinander und Gegenüber!“
12. Juli bis 2. November 2025
Schloss Achberg
Freitag 14.00 bis 18.00 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertag 11.00 bis 18.00 Uhr
Schloss Achberg bietet auch zu dieser Ausstellung ein breites Begleitprogramm an.
Informationen dazu unter www.schloss-achberg.de
















