Die Namen an der Sitzbank
Leutkirch – Der 21. Juli ist der internationale Gedenktag für Menschen, die aufgrund von Drogenkonsum verstorben sind. Dieser jährte sich 2025 zum 27. Mal. Rund 34.000 Drogentote waren in dieser Zeit allein in Deutschland zu beklagen, und es sind meist junge Menschen. Ein schweres Schicksal für Eltern und Angehörige, für Klassenkameraden, Freund/innen, das es oft über viele Jahre zu tragen gilt. Der 21. Juli fiel 2025 in Leutkirch mitten ins Kinderfest, es war Kinderfestmontag. Viele vergnügten sich auf der Wilhelmshöhe oder beim Kinderfesttheater, doch etliche kamen auch am Gedenkstein an der Evangelischen Kirche zusammen, um sich zu erinnern, zu singen, zu sprechen, zuzuhören und nachzudenken.
Eltern und ein Team vom Jugendhaus wirkten mit

Sie gedachten der Drogentoten mit berührenden Texte.
Es waren viele Mütter da, einige Väter, Geschwister und andere Angehörige, Freunde und Bekannte von Verstorbenen. Einige davon sind im Gedenkstein namentlich genannt, wo große weiße Rosen abgelegt wurden. Sänger und Gitarrist EMU, Emanuel Dreher aus Leutkirch, spielte und sang einige Coversongs, die zum Thema der Gedenkfeier passten, wie „Stand by me“. Er hatte sogar eine Eigenkomposition mitgebracht, „Für eine Sekunde“.

EMU (Bild) umrahmte auf wunderbar einfühlsame Weise diese alljährliche Gedenkfeier, die Beate Stör von der Elternselbsthilfe Allgäu-Oberschwaben (vormals Elternkreis Leutkirch) immer organisiert. Diese Selbsthilfegruppe für Eltern von Suchtgefährdeten und Suchtkranken trifft sich immer am 1. und 3. Mittwoch eines Monats. „Seit Jahren ist das Jugendhaus bei den Gedenkfeiern dabei. Ohne die Hilfe des Jugendhauses könnte ich diese Veranstaltung nicht durchführen, danke für das schöne Engagement“, betont Beate Stör.
„Trauer ist Liebe, die heimatlos geworden ist“

Jugendliche sprachen Worte, die unter die Haut gingen.
Einige Jugendliche trugen Texte, Gedanken, Impulse vor, die tief unter die Haut gingen. Ebenso tief ging das ins Herz, was einige Mütter zu sagen hatten. „Trauer ist Liebe, die heimatlos geworden ist“, über diesen Satz galt es nachzudenken, wie über vieles, was bei der Feier gesprochen wurde.
Erinnern, Verstehen, Begleiten, Kümmern
Die Gedenkstunde am Gedenkstein war geprägt war von Trauer, Mitgefühl, Erinnerungen, Sehnsucht, aber auch voller Hoffnung, Liebe und Dankbarkeit, für die Zeit, die man mit den Verstorbenen zuvor hatte, für gute und für schwere Tage, an denen man oft hilflos danebensteht, und nichts an der Situation ändern kann. Man spürte als Besucher die starke Verbindung der Angehörigen untereinander, den Zusammenhalt der Mütter, die mit ihren Beiträgen nicht nur erinnerten, sondern auch warnten. Drogen und Sucht gehöre als Unterrichtsfach in die Schule, war zu vernehmen; oft hätten die Schüler dann bereits schon erste Erfahrungen gemacht. Nicht nur, aber besonders Deutschland, wird überschwemmt von verschiedenen Suchtmitteln. Junge Menschen probieren gerne aus, und das sei die Falle, die oft zur Sucht führe. Verstehen, Begleiten und Kümmern sei angesagt, nicht „Abstempeln“, links liegen lassen, sich wegdrehen, wegsehen, so der Tenor der Mitwirkenden der Gedenkfeier.
Leutkirch hat nun ein „Gedenkbänkle“ am Gedenkstein
Zum 27. Jahr des Gedenktages bzw. zur 12. Gedenkfeier in Leutkirch konnte eine neue Sitzbank neben dem Gedenkstein eingeweiht werden, den ein Jugendhausmitglied feierlich vom roten Tuch befreite. Beate Stör erklärt zum „Gedenkbänkle“: „Erik und Sophie vom Jugendhaus-Team haben sich viel Mühe gemacht und mit Lötkolben einige Namen von verstorbenen Suchtkranken eingebrannt. Stellvertretend ist dies für die zahlreichen Menschen, die viel zu früh sterben mussten. Gestiftet wurde die Bank vom Reparatur-Treff Leutkirch, der Platz fürs neue Bänkle direkt neben dem Gedenkstein wurde von Leutkircher Bauhofmitarbeitern hergerichtet!“

Die Bank trägt die Namen von verstorbenen Suchtkranken.

Der Gedenkstein an der Evangelischen Kirche in Leutkirch.
Luftballons schweben davon – an den Kinderfestbändeln vorbei

Am Schluss der Feier wurden verschieden farbige Luftballons verteilt, die die Anwesenden dann gemeinsam in den blauen Himmel fliegen ließen. Sie verteilen sich am Himmel, flogen höher und höher, um dann in Richtung Nordosten zu verschwinden. Kinderfestbändel wehten im leichten Abendwind, Schweigen.
Es war eine ergreifende Feier, eine homogene Besuchergruppe, eine besondere Stimmung, viele Umarmungen, eine außergewöhnliche Musik. Danke Beate Stör, dank des Jugendhaus-Teams und aller, die vorbereitet und mitgewirkt haben.
Text und Fotos: Carmen Notz
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Infos, Beratung und Hilfe jederzeit bei Beate Stör
ElternselbsthilfeAllgäu-Oberschwaben, Suchtgefährdeter u. Suchtkranker, Ev. Kirchgasse 10, 88299 Leutkirch, jederzeit unter Mobil: 0176/766 657 71, oder E-Mail: b.stoer@gmx.de, www.Elternselbsthilfe-Allgaeu-Oberschwaben.de
Die Zahl der Toten steigt
Laut Internet (www.dhs.de) waren es im Jahr 2010 rund 1200 Verstorbene in Deutschland gewesen, 2023 waren es mehr als 2200, die an Drogenkonsum verstorben sind, Tendenz steigend, weltweit. Seit dem Jahr 2017 steigt die Anzahl drogenbedingter Todesfälle stetig an. Im Jahr 2023 wurden 2227 Drogentote registriert, was im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme um 11,9 % (2022: 1.990) entspricht. Der multiple Substanzgebrauch nimmt zu, was sich in den gestiegenen Zahlen der Mischintoxikationen widerspiegelt. Im Jahr 2023 sind 1479 Personen an Folgen eines Mischkonsums gestorben, 34 % mehr als im Jahr 2022. Derzeit nehmen 316 Millionen Menschen weltweit Drogen.











