Heilige erledigen die Drecksarbeit
Isny – Der Kanzler hat vor Kurzem – in einem anderen Zusammenhang – den Begriff Drecksarbeit wieder hoffähig gemacht. Und es gibt sie ja, die wichtigen Aufgaben, die aber keiner übernehmen will. Die Ausstellung „Wer in unserem Land die Arbeit macht“, derzeit zu Gast bei der Katholischen Seelsorgeeinheit Isny, macht sich über das Thema Gedanken.

Ungewöhnliches in der Pracht der Rokokokirche; Foto: Herbert Eichhorn
Eine ungewöhnliche Ausstellung macht Station
Die Isnyer sind sich darin einig, dass St. Georg und Jakobus die schönste Rokokokirche des Westallgäus ist. Und tatsächlich zieht es einen, wenn man die ehemalige Klosterkirche betritt, regelrecht hinein in die spätbarocke Pracht dieses hellen, aufwändig mit Stuck und Malerei geschmückten Raumes. Zurzeit bleiben aber viele Besucher gleich hinter dem Eingang unter der Orgelempore stehen. Dort macht noch bis Ende November auf Einladung des Eine-Welt- & Caritasausschusses der Seelsorgeeinheit Isny eine ungewöhnliche Ausstellung Station. „Wer in diesem Land die Arbeit macht. Über Leute in prekären Arbeitsverhältnissen. Kleine Ausstellung in 12 Portraits“ nennt Daniel Lienhard, ein in Bregenz lebender Illustrator und visueller Gestalter, sein Projekt.

Eine Ausstellung unter der Orgelempore; Foto: Herbert Eichhorn
Gezeigt werden zwölf Tafeln mit – am digitalen Zeichenbrett geschaffenen – Bildern, die typische, oft prekäre Arbeitssituationen unserer Zeit zeigen. Aber in Lienhards Werken fällt das Personal, das hier beschäftigt ist, ziemlich aus dem Rahmen. In perfekt gemachten Bildmontagen sind Fotos von Heiligenfiguren aus dem Mittelalter, aus der Dürer-Zeit oder aus dem Barock in die Szenen eingesetzt. In kurzen Texten gibt der Künstler dazu noch blitzlichtartig Einblicke in die Lebensumstände dieser Arbeitskräfte.
Am Anfang stand eine Heiligengeschichte
In einem Postkarten-Set, das Wiedergaben aller Tafeln enthält, erläutert Daniel Lienhard, wie er auf die Idee für sein Projekt kam. Es begann mit einer Heiligengeschichte und zwar derjenigen des Stadtheiligen von Palermo, Benedetto il Moro, auf Deutsch – politisch heute nicht mehr ganz korrekt – Benedikt der Mohr. Dieser wurde im 16. Jahrhundert auf Sizilien als Kind zweier aus Äthiopien verschleppter Sklaven geboren. Wie seine Eltern arbeitete auch er auf den Orangenplantagen seines Besitzers. Nach seiner Entlassung aus der Sklaverei trat er in Palermo in ein Minoritenkloster ein, wo er in der Küche beschäftigt war. Auch als der Analphabet später zum Abt gewählt wurde, machte er weiterhin in der Klosterküche Dienst, und das bis zu seinem Lebensende. Ein versklavter Erntehelfer mit afrikanischen Wurzeln: Die Geschichte des 1807 Heiliggesprochenen könnte tatsächlich auch in unserer Gegenwart spielen. Dieser Gedanke gab dem Künstler den entscheidenden Anstoß. Er schreibt: „Aus denen, die für uns die Drecksarbeit erledigen, Heilige zu machen – das fand ich eine interessante Idee.“

Yanko – Spargelstecher aus Bulgarien; Bilddaten: Daniel Lienhard
In der Pandemie gewann das Thema an Brisanz
Der Künstler begann mit seinem Projekt noch vor der Corona-Pandemie. Mit der Pandemie gewann sein Thema besondere Brisanz. Nun erfuhren viele sonst eher übersehene Berufsgruppen plötzlich große Aufmerksamkeit. Auf einmal wurde den nun als „systemrelevante Beschäftigte“ Eingeschätzten applaudiert – was allerdings letztlich ohne wirkliche langfristige Konsequenzen blieb.
Die Pflegefachkraft und der Spargelstecher
In der Ausstellung begegnen wir zum Beispiel Margret, der Pflegefachkraft in der Intensivpflege. Daniel Lienhard hat dazu eine mittelalterliche Skulptur der Hl. Margarete aus den Niederlanden an ein Krankenbett in einer Intensivstation gesetzt. In einer anderen Bildmontage sehen wir Yanko den Spargelstecher aus Bulgarien. Für ihn verwendet Lienhard eine barocke Skulptur des Hl. Christopherus aus Peru. Ebenfalls aus der Barockzeit stammt die Figur des Hl. Petrus von Alcántara. Der hat hier seinen Auftritt als Paketausfahrer, der die Bestellungen von Amazon, Zalando und Co. unter enormem Zeitdruck zu seiner Kundschaft bringt. Auf der nächsten Tafel geht die Hl. Katharina, ursprünglich aus dem Metropolitan Museum in New York, als Kathy ihrer Arbeit an einer Supermarktkasse nach.

Margret – Pflegefachfrau Intensivpflege; Bilddaten: Daniel Lienhard
Wie bei allen Szenen wird auch hier eine kleine erfundene, aber eben sehr gut die Realität unserer heutigen Arbeitswelt treffende Geschichte erzählt. Kathy berichtet zum Beispiel, dass sie erst um halb zwölf zu Hause sein wird, sich dann noch schnell etwas Warmes kocht und dann vor dem Fernseher versackt. Oder die andere Katharina, Katarzyna, die rund um die Uhr den demenzkranken Herrn Kayser versorgt, bevor sie nach vier Wochen wieder zurück zu ihren drei Kindern in Polen fahren kann. Mit dem Jüngsten, Tomasz, macht sie abends per Skype die Hausaufgaben. Die Bilanz fällt bei allen etwa gleich aus: Viel Stress, wenig Lohn, keine Anerkennung.

Kathy – Kassierin im Supermarkt; Bilddaten: Daniel Lienhard
Die Ausstellung – fast ein Selbstläufer
Die kleine Ausstellung wurde, bevor sie nun in St. Georg und Jakobus Station macht, schon an verschiedenen Orten in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland gezeigt. Die Seelsorgeeinheit Isny als Veranstalter befindet sich da übrigens in bester Gesellschaft: So waren die 12 Portraits zuvor zum Beispiel in der Stiftskirche St. Gallen, im Haus der Religionen in Bern und im Limburger Dom zu Gast. Überall gab es zu der Schau ganz unterschiedliche Begleitveranstaltungen. So hat in Limburg zum Beispiel Bischof Georg Bätzing an Allerheiligen letzten Jahres im Dom zu den Portraits gepredigt. Auch in Isny gab es zu der Ausstellung unter anderem einen Gottesdienst und eine Podiumsdiskussion mit Betriebsräten, Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus Isny. Daniel Lienhard berichtet, dass der Erfolg der Ausstellung gewissermaßen ein Selbstläufer ist. Sie wurde einfach immer wieder von Menschen, die sie gesehen haben und von ihr angesprochen wurden, weiterempfohlen.

Katarzyna – 24 Stunden-Pflegerin aus Polen, mit Herrn Kayser; Bilddaten: Daniel Lienhard
Einfach mal hinschauen
Die originelle Ausstellung gibt wichtige Denkanstöße. Vielleicht kann sie ja auch diejenigen in unserer Gesellschaft erreichen, die sich gerade etwa an vermeintlich zu viel verschleierten Frauen im Bus stören oder daran, dass heute Kollegen nicht mehr nur Bernd und Susanne heißen, sondern eben auch Mohamad und Gülnur. Vielleicht schaut der eine oder andere dann auch einmal danach, wer denn abends in der Schule nebenan die Klassenzimmer putzt, wer hinten in der Küche des Lieblingslokals die leckere Entenbrust zubereitet oder wer auf der Intensivstation die schwerkranke Nachbarin mit großer Professionalität betreut – wer also letztendlich unsere Gesellschaft entscheidend mit am Laufen hält.
Herbert Eichhorn
In der Bildergalerie sind einige der Ausstellungstafeln zu sehen. (Bilddaten: Daniel Lienhard)
„Wer in unserem Land die Arbeit macht“
Katholische Kirche St. Georg und Jakobus Isny
Noch bis 23. November 2025
Weitere Informationen:
Katholisches Pfarramt Isny unter 07562-97110 oder kathpfarramt.isny@drs.de
www.lienhardillustrator.com


















