Barocke Kirchenschätze präsentiert
Isny – Der „Tag des offenen Denkmals“ – dieses Jahr mit rund 6500 Veranstaltungen – ist wohl das größte Kulturevent Deutschlands. Mit dabei war auch die AG Heimatpflege, die sich diesmal etwas Besonderes ausdachte: In Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirchengemeinde präsentierte sie barocke Kirchenschätze.
Ausstellung in „der schönsten Rokokokirche des Westallgäus“
Im Unterschied zu anderen Städten des Allgäus wie Leutkirch oder Kempten liegt Isny nicht an der Oberschwäbischen Barockstraße. Warum auch immer. Aber die Stadt liegt natürlich mittendrin in den vom Barock geprägten Sakrallandschaften von Allgäu und Oberschwaben. Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege Rudolf Daumann nannte bei seiner Begrüßung in der Stadtpfarrkirche St. Georg und Jakobus diese denn auch nicht ohne Grund „die schönste Rokokokirche des Westallgäus“. Gut 40 interessierte Besucher waren am Sonntag, 14. September, kurz vor Mittag in die ehemalige Klosterkirche der Benediktiner gekommen, zur ersten von mehreren Führungen. Bei diesen wurde eine ganz besondere Ausstellung präsentiert, die zwar nur für einen Tag aufgebaut worden war, aber bedeutsame, normalerweise nicht zugängliche Kostbarkeiten zeigte: Im Mittelgang und im Chorraum der Kirche hatten die Ehrenamtlichen der AG Heimatpflege über speziellen Gestellen edle liturgische Gewänder aufgehängt und auf einer Tafel wertvolles Kirchengerät aufgebaut.

Stadt- und Kirchenführerin Petra Frey führte sehr sachkundig durch die Ausstellung; Foto: Herbert Eichhorn
Nachdem die Zuhörer auch von Vertretern der katholischen Seelsorgeeinheit, von Annette Steybe und Kirchengemeinderat Rainer Leuchtle, begrüßt worden waren, übernahm Petra Frey von der Heimatpflege die Führung. Schnell wurde klar, dass die auch als Stadt- und Kirchenführerin aktive ehrenamtlich Tätige genau die Richtige ist, einem diese Schätze und ihre Bedeutung näher zu bringen. In den letzten Jahren hat sie die Textilien und Goldschmiedearbeiten des Isnyer Kirchenschatzes akribisch inventarisiert und dabei viel Spannendes herausgefunden.
Die neue Herrschaft war ein Glücksfall
Zunächst ordnete sie die ausgestellte Pracht aber historisch ein und gab dazu gewissermaßen einen kurzen Crash-Kurs in Geschichte und Kirchengeschichte. Sie erläuterte auch die besondere Isnyer Situation, wo diese reichen Bestände bis heute erhalten blieben. Anderswo gingen die Dinge oft schon in der Zeit der Säkularisation unwiederbringlich verloren. Angestoßen von Napoleon, wurden damals die Herrschaftsverhältnisse im Reich völlig verschoben und 1803 Hunderte von Klöstern aufgelöst und neuen Besitzern übergeben. Der wertvolle Besitz der Klöster wurde häufig sofort „versilbert“. Die Isnyer hatten mit ihrer neuen Herrschaft aber Glück. Die Grafen von Quadt-Wickrath, die wie die meisten neuen Besitzer mit Kirchengut für den Verlust ihrer linksrheinischen Ländereien entschädigt wurden, ließen den Kirchenschatz vor Ort und schenkten ihn später der Kirchengemeinde.

Die liturgischen Gewänder und Gerätschaften wurden im Mittelgang und im Chorraum der Kirche präsentiert; Foto: Herbert Eichhorn
Kirchen und Gottesdienste als Gesamtkunstwerk
Dem heutigen Publikum stellt sich natürlich zuallererst die Frage: Warum diese ganze Pracht? Petra Frey erläuterte, dass der Prunk kein Selbstzweck war oder etwa nur die Eitelkeit der Äbte befriedigen sollte. Die kirchliche Prachtentfaltung, mit der natürlich auch die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges endgültig überwunden wurde, war sozusagen offizielle Politik. Die katholische Kirche setzte in der Gegenreformation auch auf sinnliche Überwältigung der Gläubigen. In den Kirchen und Gottesdiensten wurde ganz bewusst ein „Theatrum Sacrum“ (heiliges Theater) angestrebt. In einem Gesamtkunstwerk sollte dabei alles zusammenwirken: die Architektur, die Ausstattung der Kirchen mit Malerei, Plastik und Stuck, die Musik, die Lichtführung – und natürlich auch die Gewänder und Gerätschaften, die im Gottesdienst verwendet wurden.

Eine solches – Dalmatik genanntes – Gewand wurde in der Barockzeit von Diakonen getragen; Foto: Herbert Eichhorn
Kostbare liturgische Gewänder
Zuerst wandte sich die Referentin den ausgestellten liturgischen Prachtgewändern zu. Die verwendeten, äußerst kostbaren Stoffe wurden in aufwändigster Handarbeit zunächst gewebt, später häufig zusätzlich bestickt. Gerade mit den – in der Regel mit Goldfäden – reliefartig bestickten Gewändern konnten ganz besondere Effekte erzielt werden. Die Stoffe zeigen häufig rankende pflanzliche Ornamente. Aber man entdeckt auch figürliche Darstellungen wie etwa Engel oder, auf der Kapuze eines Chormantels, einen Pelikan, der als Symbol für den Opfertod Christi galt.
Ein Höhepunkt der kleinen Ausstellung war zweifellos die komplette Ausstattung an Gewändern, die Abt Alfons Torelli 1724 in einem süddeutschen Frauenkloster in Auftrag gegeben hatte. Die verschiedenen Teile – Kasel, Stola, Chormantel sowie Mitra des Abtes – sind in rotem Samt gehalten, der kunstvoll bestickt ist. Petra Frey wies auf die Nähe der hier verwendeten Ornamente zum Stuck der im Barock sehr angesagten Wessobrunner Stuckatoren hin, die damals auch in Isny arbeiteten. Aber auch die übrigen Textilen, vor allem die verschiedenen, für die Besucher ausgestellten weiten Chormäntel, beeindruckten.

Wann hat man schon Gelegenheit, in einem Messbuch aus dem Jahr 1765 zu blättern?; Foto: Herbert Eichhorn
Wertvolle Goldschmiedearbeiten
Auch ein prachtvolles großes Messbuch aus dem Jahr 1765 war von den Organisatoren der Ausstellung ausgelegt worden. Mit weißen Baumwollhandschuhen durfte man sogar in diesem blättern. Glanzstücke der Ausstellung, und das im ganz wörtlichen Sinn, waren natürlich die kostbaren Goldschmiedearbeiten. Auch hier war für die Isnyer Äbte der Barockzeit nur gerade das Beste gut genug. Die liturgischen Geräte kommen daher zum Großteil aus den Werkstätten der Augsburger Gold- und Silberschmiede. Diese galten damals in diesen Dingen unangefochten als Weltmarktführer.

Die ausgestellten kostbaren Goldschmiedearbeiten; Foto: Herbert Eichhorn
Ein besonderes Objekt stammt allerdings von dem Bregenzer Goldschmied Christian Lenz. 1737 schuf er für Isny ein mit Edelsteinen und Emailmalereien reich verziertes, kreuzförmiges Reliquiar. Dieses enthält einen Kreuzpartikel, also einen Splitter vom Holz des Kreuzes, an dem Christus gestorben ist. Wie wichtig diese Reliquie für das Selbstverständnis der Isnyer Abtei war, wird klar, wenn man im Chorraum nach oben blickt. Dort ist in der Deckenmalerei die Szene zu sehen, als ein Bote des Papstes dem Isnyer Abt die Reliquie übergibt. Darüber öffnet sich der Himmel, von wo aus die Heilige Helena, die einst das Kreuz wieder aufgefunden hatte, die Begebenheit beobachtet.
Am meisten Eindruck auf die Besucher machte aber sicher die große blattförmige Monstranz, die die Abtei um 1700 bei dem Augsburger Goldschmied Michael Hafner in Auftrag gegeben hatte. In diesem prachtvollen Schaugefäß wurde früher an besonderen Feiertagen und natürlich vor allem an Fronleichnam den Gläubigen die Hostie gezeigt, in der nach der katholischen Lehre der Leib Christi präsent ist.
Film von Liane Menz
Wer liturgische Gewänder und Gerätschaften sozusagen im Einsatz sehen wollte, für den gab es ergänzend noch einen Film. Dieser stammt von Liane Menz und dokumentiert die verschiedenen Feste im Lauf des Kirchenjahrs.

Die Schätze sind das Erbe jener Äbte, die eine Blütezeit des Klosters prägten; Foto: Herbert Eichhorn
Projekt der AG Heimatpflege: ein klimatisierter Raum für die Schätze
Die Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege hat mit ihrer Ausstellung ein Thema gewählt, das ideal zum diesjährigen Motto des „Tags des offenen Denkmals“ passte: „Wertvoll: unbezahlbar oder unersetzlich?“. Nach einer Stunde verließ man tief beeindruckt die Kirche. Petra Frey hatte einem die Schätze aus einer Blütezeit des Klosters engagiert und mit großer Sachkenntnis nahegebracht. Und bei den Besuchern wurde sicher auch ein Gefühl der Verantwortung geweckt, das man für diese Kostbarkeiten haben sollte, die in Isny, auch durch glückliche Umstände, in so großer Fülle bis heute bewahrt wurden. Um die wertvollen Stücke auch für die Zukunft zu sichern, setzt sich die AG Heimatpflege dafür ein, dass eine der Sakristeien mit einer Klimaanlage ausgestattet wird, die dann ein konstantes geeignetes Raumklima für die Objekte gewährleisten soll. Dass der Verein mit diesen Bestrebungen Erfolg hat, ist natürlich unbedingt zu wünschen.
Herbert Eichhorn
In der Galerie gibt es weitere Bilder aus der Ausstellung und von der Führung.

















