Zwei realistische Maler im Dialog
Isny – Nach dem Tod von Friedrich Hechelmann im letzten Jahr eröffnete die Kunsthalle in Schloss Isny nun ihre erste Sonderausstellung. Man entschied sich für eine Gegenüberstellung der Werke des Isnyers mit Arbeiten von Matthias Holländer. Beide Künstler hatten in den 1970er-Jahren in Wien beim gleichen Lehrer Malerei studiert.

Werke von Matthias Holländer; Foto: Herbert Eichhorn
Vor zwei Jahren Ausstellung auf Schloss Achberg
Vor zwei Jahren zeigte Schloss Achberg auf Initiative von Friedrich Hechelmann die sehr erhellende Ausstellung „Wiener Wirklichkeiten. Realistische Malerei aus der Meisterklasse Rudolf Hausner“. Hausner galt als einer der bedeutendsten Vertreter des „Phantastischen Realismus“. Mit Malern wie unter anderem Ernst Fuchs und Arik Brauer hatte dieser in Wien ein wichtiges Zentrum. Auch deswegen waren die Wiener Kunstakademie und dort vor allem die Malklasse von Hausner in den 1970er-Jahren ein begehrtes Ziel für all jene, die – entgegen dem damaligen Zeitgeist – realistisch und in altmeisterlichen Techniken malen wollten. In der Achberger Ausstellung wurden die Werke des Lehrers den Gemälden von neun seiner Schüler gegenübergestellt. Zu sehen waren Arbeiten aus der Zeit ihres Studiums, aber dann vor allem solche, die später und bis in die unmittelbare Gegenwart entstanden sind. Und schon in Achberg war man erstaunt darüber, welche ganz unterschiedlichen Wege die Künstler auf der Basis der Anregungen Hausners schließlich einschlugen. Mit von der Partie war damals auch Matthias Holländer, der heute am Bodensee lebt und der nun zusammen mit Werken Hechelmanns die aktuelle Doppelausstellung in Schloss Isny bestreitet.

Friedrich Hechelmann, „Studie Schmelze“ (1993), Matthias Holländer, „Arche V“ (1991); Foto: Herbert Eichhorn
Hechelmann und Holländer gehen ganz unterschiedliche Wege
Schon der Untertitel der neuen Ausstellung verweist darauf, in welche – auf den ersten Blick geradezu gegensätzlichen – Richtungen sich diese beiden Maler entwickelt haben: „Das Licht der Sphären. Das Licht der Dinge. Zwei Realisten im Dialog“. Gleich am Eingang der Präsentation haben die Organisatoren zwei kleinere Aquarelle der Künstler vom Anfang der 1990er-Jahre gegenübergestellt, die schon andeuten, wo die unterschiedlichen Interessen der beiden Künstler liegen. Holländer hat sich ein – für ihn ganz typisches – Motiv ausgesucht, das dem Besucher später auch noch als großformatiges Gemälde begegnen wird. Er blickt in einen mit großen Glasvitrinen mit ausgestopften Hirschen vollgestellten Raum, wahrscheinlich im Naturhistorischen Museum in Wien. Solche etwas mysteriösen, scheinbar aus der Zeit gefallenen Räume, die spiegelnden oder auch einmal erblindeten Gläser dort, das sind die Motive, die ihn interessieren. Als „lost places“ (verlorene Orte) sind solche Motive in den letzten Jahren in der Kunst sehr in Mode gekommen. Matthias Holländer beschäftigt sich mit ihnen allerdings schon seit vielen Jahrzehnten. Er geht dabei immer von Fotografien aus, die er im Atelier dann aufwändig digital bearbeitet und schließlich in raffinierter Feinmalerei in Öl oder Acryl umsetzt.
Hechelmanns Studie „Schmelze“ daneben zeigt eine nebelige Felslandschaft, aber keine wirklich gesehene Landschaft, die man etwa in einer Fotografie festhalten könnte. Eher fühlt man sich erinnert an die idealisierten Landschaftsdarstellungen der chinesischen Malerei. Und solche Landschaftsformen – Wolken, Lichtstrahlen, Wasserfälle –, die eben nicht in der Natur beobachtet, sondern der Phantasie des Malers entsprungen sind, begegnen einem in Hechelmanns Gemälden immer wieder. Dabei werden diese Motive gewissermaßen überhöht und bereiten den dort auftretenden Figuren – ob diese nun der Bibel oder der Mythologie entstammen – eine Bühne. Holländers Räume sind dagegen menschenleer. Im langen Gang der Kunsthalle, wo Großformte der beiden Künstler einander gegenüber aufgehängt sind, lassen sich diese so gänzlich verschiedenen Ansätze eindrucksvoll beobachten.

Friedrich Hechelmann, „Blick in den Garten“ (1979); Foto: Herbert Eichhorn
Göttliches Licht
Aber bleiben wir beim Motiv Licht, auf das der Ausstellungstitel ja die Aufmerksamkeit lenkt. In Hechelmanns frühem Großformat „Der Morgen“ etwa bricht sich das Licht reizvoll an der Oberfläche des Wassers, auf die wir von unter her blicken. Hauptmotiv ist aber der Oberkörper einer nackten männlichen Figur unter Wasser, die man wohl als Personifizierung des Morgens verstehen muss. In der Ausstellung finden sich noch viele ähnliche – oft in Blau gehaltenen – symbolisch aufgeladenen Naturräume, manchmal bevölkert von Engeln und anderen Gestalten aus Mythos oder Märchen. Aber auch dort, wo die Figuren fehlen, stehen Naturphänomene, und eben gerade auch das Licht, bei Hechelmann nie nur für sich. Ein schönes Beispiel dafür ist in der Ausstellung die große Wasserfarbenmalerei „Blick in den Garten“ von 1979. Zu sehen sind Wolkenberge, stürzende Wasser und ein breiter Lichtstrahl, der auf ein Gewässer fällt, in dem noch nicht recht definierte Lebensformen zu schwimmen scheinen. Hechelmann blickt also offensichtlich nicht in irgendeinen beliebigen Garten, sondern schildert hier den Anfang der Welt, so wie er zu Beginn der Bibel in den ersten Versen der Genesis geschildert wird: „Und Gott sprach: Es werde Licht!“

Friedrich Hechelmann, „Maria mit dem Kind“ (2004-2006); Foto: Herbert Eichhorn
Dem göttlichen Licht begegnet der Besucher dann zum Beispiel auch eine Etage tiefer. Auf der Empore der Marienkapelle sind einige der Gemälde Hechelmanns zum Neuen Testament ausgestellt. Die Krippenszene mit Maria und dem Kind wird bei dem Künstler zum elementaren Naturereignis. In einem wahren Sturzbach von Licht dringen von oben Engelsjünglinge in die Höhle mit dem neugeborenen Menschensohn ein.

Matthias Holländer, „Das letzte seiner Art“ (2000); Foto: Herbert Eichhorn
Räume und Dinge
Ganz anders das Licht bei Matthias Holländer: „Das Licht der Dinge“ nennen es die Ausstellungsmacher. Holländer beobachtet das Licht auf den blind gewordenen Glasscheiben in seinen verlassenen Räumen, aber auch auf Naturformen wie Fruchtkörpern oder Wachteleiern. Zwischen all seinen melancholischen Raumansichten stößt man auf ein Gemälde mit einem großen goldbraunen Objekt, das einem zunächst rätselhaft bleibt. Auch der Bildtitel „Das letzte seiner Art“ hilft einem erst einmal nicht weiter. Dann erkennt man, um was es sich handelt, nämlich um ein simples altes Schreibmäppchen aus Leder, dessen brüchige, ausgetrocknete Oberfläche der Künstler aufwändig in Öl und Acryl protokolliert hat.

Matthias Holländer, „Kontinentalverschiebung“ (1988); Foto: Herbert Eichhorn
Schönheit und Verfall
Den Blickfang der Holländer-Räume in der Ausstellung bildet schließlich das Großformat „Kontinentalverschiebung“. Der Titel erklärt sich zunächst dadurch, dass das fotorealistische Gemälde 1988 während eines Arbeitsaufenthalts in New York entstanden ist. Es ist das Porträt einer attraktiven jungen Frau. Aber eben nicht nur: Die Frau steht entspannt angelehnt in einem heruntergekommenen Raum und blickt durch ein trübes großes Fenster hinaus auf einen New Yorker Hinterhof. Ins Zentrum seines Gemäldes hat der Künstler aber die großflächig abblätternde Wandfarbe gerückt, die ihn offensichtlich faszinierte und die er penibel in Malerei umsetzte. Damit knüpft Matthias Holländer an ein großes Thema der abendländischen Kunst an. Vor allem in der Barockzeit erfreuten sich Motive großer Beliebtheit, die den Gegensatz, aber eben auch die Gleichzeitigkeit von Schönheit und Verfall thematisierten und so auf die Endlichkeit der menschlichen Existenz verwiesen. Die schöne junge Frau begegnet dem Besucher in den anderen Bildern der Ausstellung nicht mehr. Die verlorenen Orte bleiben und mit ihnen die diesen eigene Melancholie.

Matthias Holländer, „Dunkler Flügel“ (2013); Foto: Herbert Eichhorn
Der Dialog der zwei Künstler ist gelungen
Die Idee der Ausstellungsmacher der Kunsthalle, den Werken Hechelmanns einen Gast gegenüberzustellen und so die Schöpfungen zweier Künstler gewissermaßen in einen Dialog zu bringen, funktioniert ausgezeichnet und hilft dem Betrachter das Schaffen des Isnyers noch einmal differenzierter zu sehen. Und in diesem Fall macht die Gegenüberstellung natürlich ganz besonders Sinn: Friedrich Hechelmann und Matthias Holländer wurden in ihren Anfängen vom gleichen Lehrer geprägt und sind doch schließlich ganz unterschiedliche Wege gegangen. Es bleibt zu hoffen, dass die Friedrich-Hechelmann-Stiftung auch in Zukunft in ihrem Ausstellungsprogramm solche spannenden Gegenüberstellungen ermöglichen wird.
Herbert Eichhorn
In der Bildergalerie gibt es weitere Impressionen aus der Ausstellung. Fotos: Herbert Eichhorn
Bis 28. Februar zu sehen
Ausstellung „Friedrich Hechelmann. Matthias Holländer. Das Licht der Sphären. Das Licht der Dinge. Zwei Realisten im Dialog“Noch bis 28. Februar 2026
Kunsthalle Friedrich Hechelmann in Schloss Isny
Montag, Donnerstag und Freitag 14.00 bis 18.00 Uhr
Samstag, Sonntag und Feiertag 10.00 bis 17.00 Uhr
Heiligabend und Silvester geschlossen
Informationen unter www.schloss-isny.de












