Vom Tauchen in anderen Welten
Isny – „beyond“ lautet der Titel der stillen, fast meditativen Ausstellung von Barbara Ehrmann in der Städtischen Galerie im Schloss. Auf Deutsch: außerhalb oder jenseits. Aber in den Arbeiten der Ravensburger Künstlerin ist nicht d a s Jenseits gemeint, sondern eher eine poetische Gegenwelt abseits unserer Alltagserfahrungen.

Schmale Papierfahnen unter dem mächtigen Gewölbe, Foto: Herbert Eichhorn
Heitere meditative Gelassenheit
Wenn der Besucher den von mächtigen Gewölben überspannten Ausstellungsraum betritt, in dem in vergangenen Zeiten die Mönche und die Grafen von Quadt ihren Fuhrpark unterbrachten, stellt sich schnell ein Eindruck heiterer meditativer Gelassenheit ein. Durch die großen Fenster flutet das Sommerlicht in den Raum. Von der Decke hängende schlanke hohe Bildfahnen aus Japanpapier scheinen sich leicht im Luftzug zu bewegen. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass diese Fahnen immer paarweise, also gewissermaßen Rücken an Rücken, gehängt sind. Einige wenige Fahnen finden sich auch an den Wänden, wo sonst vor allem kleinformatige Bilder und Bildobjekte gezeigt werden.
Was man ebenfalls sofort wahrnimmt und was mit zu der gelassenen, aber auch konzentrierten Atmosphäre beiträgt, ist die (minimalistische) Musik, die zu hören ist. Sie kommt aus der Tiefe des Raumes. Später erkennt man, dass es diejenige Musik ist, mit der die Videoarbeiten von Barbara Ehrmann unterlegt sind, die auf einem großen Bildschirm an der hinteren Stirnwand laufen.

Rätselhafte Motive: schwebende Figuren, Unterwasserpflanzen, Foto: Herbert Eichhorn
Das Tauchen ohne Sauerstoff als Inspiration
Die schlanken Papierfahnen zeigen eine Motivwelt, die einem zunächst rätselhaft bleibt. Vor Flächen in hellem, ins Blaue tendierendem Türkis sind schwarze Tuschezeichnungen von schwebenden menschlichen Figuren zu sehen. Zum Teil tragen sie weit ausschwingende Gewänder oder eng sitzende Kopfbedeckungen. Daneben erkennt man ungewöhnliche pflanzliche Formen. Man denkt etwa an lianenartige Unterwassergewächse. Diese Bildwelt entschlüsselt sich zumindest teilweise, wenn man erfährt, dass Barbara Ehrmann eine leidenschaftliche Taucherin ist. Seit vielen Jahren betreibt sie mit ihrem Partner Alexander Nelles das sogenannte Apnoetauchen, also das Tauchen ohne Sauerstoffgerät. Das Apnoetauchen, das nicht ganz ungefährlich ist und viel Training und Erfahrung erfordert, ist aber unübersehbar viel mehr als nur ein Sport. Dieses Tauchen mit jeweils nur einem Atemzug ist die älteste und ursprünglichste Form, sich unter Wasser zu bewegen. Und sie führt offensichtlich zu ganz besonderen Erfahrungen, die eben auch das Schaffen der Künstlerin vielfältig inspirieren.

Überall in den Zeichnungen Tauchende und Schwebende, Foto: Herbert Eichhorn
Faszinierende Unterwasserwelt
Barbara Ehrmann und ihr Partner tauchen im Bodensee, im Mittelmeer, aber auch im Roten Meer. Hier entstehen ihre experimentellen Unterwasserfilme. Diese werden dann von der Künstlerin zuhause am Computer weiterbearbeitet, also etwa mit entsprechenden Motiven aus ihren Bildern und Zeichnungen überblendet. Einige dieser Videoarbeiten sind in der Ausstellung zu sehen und bilden letztlich ihren eigentlichen Bezugspunkt. In diesen Filmen begegnen wir einer lichtdurchfluteten, in herrliche Blautöne getauchten Welt, deren Faszination man sich als Betrachter kaum entziehen kann. Wir bemerken Schwärme von Fischen oder sich in ruhigem Rhythmus bewegende Felder von Seegras. Das Sonnenlicht dringt durch die Wasseroberfläche gebrochen in die Tiefe. Luftbläschen steigen nach oben. Dazwischen sehen wir die Künstlerin, die unter Wasser in einer Art Performance mit den von ihr geschaffenen Objekten hantiert. Andere ihrer Objekte sind am Grund montiert und scheinen beinahe zu Teilen der Unterwasserpflanzenwelt zu werden.

Manchmal werden Unterwasserfilme mit Motiven aus Zeichnungen überblendet, Foto: Herbert Eichhorn
Mit Wachs überzogene Japanpapiere
Für die Zeichnungen und Bilder, in denen die Motivwelt dieser Videoarbeiten ein Echo findet, bedient sich die Künstlerin einer besonderen Technik. Die Japanpapiere mit ihren Malereien in Tusche und Acrylfarben werden anschließend mit Wachs überzogen, was eine gewisse Unschärfe mit sich bringt. Das passt gut zu dieser im Schweben begriffenen, fast mythischen Bildwelt, die wohl nicht zufällig auch an die Sphäre unserer Träume erinnert. Auch dort oder genauer: nur dort können wir ja die Schwerkraft ohne technische Hilfe überwinden und schließlich fliegen und schweben.

Handschriftliche Spuren: Briefe oder Tagebuchseiten?, Foto: Herbert Eichhorn
Nachdenken über die menschliche Existenz
Dass Barbara Ehrmanns Motive nicht nur die beim Tauchen gemachten Erfahrungen wiedergeben wollen, sondern für mehr stehen, wird nicht zuletzt an einigen der in der Ausstellung gezeigten kleinformatigen Wandbilder deutlich. Zwar begegnen wir auch hier wieder den Tauchern und den Schwebenden. Aber es kommt noch etwas dazu. Die Künstlerin legt hier zwei Schichten des wachsgetränkten Japanpapiers übereinander. Dazwischen montiert sie Ausrisse von Handschriftlichem, vermutlich von gefundenen Briefen oder Tagebuchseiten. Das eine oder andere Wort kann man entziffern, aber nicht die ganzen Textpassagen. Darum geht es auch nicht. Eher scheint die Künstlerin hier das Nachdenken des Menschen über die Bedingungen seiner Existenz zu thematisieren. Werden dem Menschen ein solches Schweben und eine solche Schwerelosigkeit doch eben nur hin und wieder im Traum gegönnt. Barbara Ehrmanns in Isny gezeigte Arbeiten verweisen uns als Betrachter in überzeugender Weise auf diese Welt jenseits unseres Alltags.
Herbert Eichhorn
In der Bildergalerie gibt es weitere Impressionen aus der Ausstellung.
Noch bis 20. Oktober
Ausstellung „Barbara Ehrmann. beyond. Bilder in Wachs, Installation, Video“
Noch bis 20. Oktober 2025
Städtische Galerie im Schloss Isny
Montag, Donnerstag und Freitag 14.00 bis 18.00 Uhr
Samstag, Sonntag und Feiertag 10.00 bis 17.00 Uhr
Informationen unter www.schloss-isny.de

















