Späte und begrenzte Erkenntnis bei den Stadtverantwortlichen
Zur Stellungnahme von Bad Waldsee zur Regionalplanung (DBSZ-Artikel “„Osterhofen“ reduzieren! „Urbach“ und „Aulendorf Ost-1“ streichen!”, DBSZ vom 28. Mai)
Bad Waldsee von der Kernstadt aus sichtbar eingerahmt mit nahezu 300 m hohen Windradgiganten laut Regionalplanung? Da wurden endlich die Verantwortlichen der Stadt wach. Das geht doch nicht, dass man die Optik vom Kurstädtle so zerstört, denn Waldsee mit seinem einmaligen Flair soll doch weiter “gut tun”. Dabei ist die Quelle zur Erkenntnis doch keinesfalls neu, denn der vor etwa vier Jahren vom baden-württembergischen Umweltministerium publizierte Potenzialatlas dokumentiert doch die Möglichkeit, auf dem Stadtgebiet bis zu 61 Windkraftanlagen aufzustellen, also Waldsee mitten in einen großen Windpark zu versetzen. Warnend habe ich mich deshalb vor drei Jahren mit einem Schreiben an Oberbürgermeister Henne gewandt (und an weitere Bürgermeister und Landräte der Region, die auch in den Versammlungen des RVBO mitgewirkt haben) und auf die geplante weiträumige Zerstörung von unserer Landschaft und unseren Lebensräumen hingewiesen, ohne Antwort.
Und was passiert mit den Menschen vor den Stadttoren in den Teilgemeinden und Streusiedlungen, die künftig im Nahfeld dieser Giganten leben sollen? Da wird es schwammig im Einspruch der Stadt an den Regionalverband mit Hinweisen wie: “größtmöglichen Abstand einhalten”, “Bedrohung für das unmittelbare Lebensumfeld”, “Eingriff in die Lebensqualität und das Heimatgefühl”, “visuelle und psychologische Belastung”, “Umzingelung von Ortschaften”.
Es fehlt aber der Mut zu folgender Erkenntnis und zu folgendem Widerspruch an die “Obrigkeit”: In unserem flächig dicht besiedelten Oberschwaben und Allgäu funktioniert der gesamte Plan nicht, denn es gibt nur wenige Flächen für Windkraftanlagen, ohne den grundgesetzlich gewährten Gesundheitsschutz der Anlieger zu missachten. Klarer formuliert: Wenn man bei uns 2 % Fläche durchboxt, dann muss man einige Menschen aus ihren angestammten Wohnhäusern “rausboxen”. Das haben die Verantwortlichen in Berlin und Stuttgart noch nicht verstanden. Denn in unserer Siedlungsstruktur gibt es kaum Flächen, wo von einem Haus zum anderen mehr als 1000 m Abstand ist, das liegt an den ursprünglichen Hofgrößen. Will man also die Energiewende durchboxen, dann muss man an die Häuser und deren Bewohner recht nah ran. Das ist das Dilemma, bisher nur am politischen Tisch entschieden, über eine formelle Abstandsdiskussion (Verbot der 10 H-Regelung von Bayern; Minister Altmaier wollte noch 1000 Meter Abstand; letzte Position des Habeck-Ministeriums: “es braucht keinen Mindestabstand zwischen WKA und Wohnung” = freie Fahrt zum grenzenlosen Ausbau ohne Rücksicht auf Mensch und Tier).
Niemand kann derzeit seine Hand ins Feuer legen und sagen, ab welchem Abstand zu einer nahezu 300 m hohen Windkraftanlage der Schutz des Menschen (und der Tiere) gesichert ist. Und da das Habeck-Ministerium noch Grünes Licht zum Bau ohne jegliche Abstandsvorgabe gab, geht man in der Planung jetzt auf 600 m und noch weniger an die Häuser ran. Vom Gesundheitsschutz geht es aber nicht nur um den messbaren hörbaren Schall und den Schattenwurf, wo man sich auf fragwürdige Grenzwerte geeinigt hat. Betroffene Anlieger berichten vermehrt über körperliche Reaktionen (Schlafstörung, Innere Unruhe, Konzentrationsschwäche), besonders wenn starker Wind zum Haus gerichtet ist. Das ist aber physikalisch kein Schallproblem, sondern ein Wirkungsmechanismus des Strömungsfeldes im Sekundentakt der Flügel, völlig ungeklärt und ohne Bewertung im Rahmen der Genehmigung, nach dem Motto “was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß”.
Mit meinem Einwand an den Regionalverband im hier verlinkten Artikel “Man geht viel zu nah an die Häuser ran” (https://www.diebildschirmzeitung.de/allgaeu-oberschwaben/allgaeu-oberschwaben/man-geht-viel-zu-nah-an-die-haeuser-ran-32072/) habe ich den Regionalverband aufgefordert, die Frage nach dem zulässigen Mindestabstand zur Wohnbebauung aus Sicht des Gesundheitsschutzes zu klären, dazu sind die dort gestellten drei einfachen Fragen zu beantworten.
Erfreulicherweise hat inzwischen das genehmigende Landratsamt Ravensburg mir die Möglichkeit eingeräumt, die Begründung zu diesen Fragen demnächst im persönlichen Gespräch zu erläutern.
Dr. Wolfgang Hübner (Diplom-Physiker), Bad Wurzach
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