Fragen der Bürger

Diepoldshofen – In unserem Artikel „Drei Stunden, ein Thema“ (DBSZ am 30.6.) sind wir auf die Vorträge der fünf Referenten bei der Windkraftversammlung in Diepoldshofen eingegangen. Nun berichten wir über die Fragen aus der anwesenden Bürgerschaft, die sich weit überwiegend besorgt zeigte. Moderator Peter Aulmann rief dazu auf, keine Grundsatzdiskussion über Windkraft zu führen, sondern konkret zum Projekt „Diepoldshofer Wald“ zu fragen. Das Publikum hielt sich an die Vorgabe. Die große Fragerunde begann um 20.58 Uhr und dauerte knapp eine Stunde; der Vertreter der Windkraftfirma RES hatte zuvor von 20.05 bis 20.31 Uhr einige Fragen beantwortet.

Unsere Collage zeigt einige der Fragesteller in der Einwohnerversammlung. Fotos: Julian Aicher
Eine Frau fragte danach, wie die Baumaterialien, insbesondere die bis zu 90 Meter langen Flügel, in den Wald kämen. Die Waldwege müssten hierzu ertüchtigt und auf 5 Meter verbreitert werden, die Flügel würden senkrecht gestellt in den Wald gefahren, erläuterte Peter Neisecke vom Landratsamt den Vorgang. Und nannte in diesem Zusammenhang eine markante Zahl: „Allein das Generatorhaus wiegt 90 Tonnen.“
Der Vertreter der Pfarrgemeinde Diepoldshofen verwies auf den besonderen Schutzstatus der Kriegsgräber und fragte nach den Abstandsregelungen für diesen speziellen Fall. Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle sicherte eine Prüfung zu. Peter Neisecke bekannte, dass dem Landratsamt dieser Sachverhalt bisher nicht bekannt war.
Zur Frage nach der Strom-Speicherung sagte Dr. Wolfgang Heine vom Regionalverband, dass das entscheidend für das Gelingen der Energiewende sei. Dass hier noch ungelöste Fragen vorhanden sind, machte er mit den Worten, „da ist noch viel Musik drin“, deutlich. Um für Zeiten der Dunkelflaute gewappnet zu sein – wenn also kein Wind weht und die Sonne nicht scheint – seien bundesweit 50 Gaskraftwerke geplant.
Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle nannte in diesem Zusammenhang Milliarden-Summen, die ins Netz investiert würden, darunter ganz aktuell 1,5 Milliarden Euro von den OEW, dem im Eigentum der hiesigen Landkreise befindlichen Großgesellschafter der EnBW.
Eine Frage galt dem Haftungsrisiko für den Rückbau der Windkraftanlagen. Für den Ausfall eines insolventen Betreibers seien pro Anlage 250.000 € durch Bankbürgschaften abgesichert, lautete die Auskunft. Letztlich müssten sich die Verpächter privatrechtlich absichern, so die Einschätzung von Peter Neisecke. Moderator Peter Aulmann ergänzte: „Die Rücklage reicht nicht.“
Auch wurde – mit Blick auf das verstärkte Auftreten von starken Stürmen bis hin zu Tornados – nach der Betriebssicherheit gefragt. Im Falle zu starker Winde würden die WKA abgeschaltet, sagte Henle, der ganz aktuell von einem abgebrochenen Rotorblatt auf der Schwäbischen Alb berichtete. Die Betreiber würden sich gegen solche Schadensereignisse versichern.
Aus den Reihen der Bürgerschaft wurde auch das vereinfachte Genehmigungsverfahren kritisiert, bei dem der Artenschutz reduziert sei und eine Umweltverträglichkeitsprüfung sogar ganz entfalle.
Eine Frau fragte nach der Bedeutung der sogenannten „Superprivilegierung“. Das sei der ungesteuerte Windkraftausbau, wenn es zu keinem Regionalplan komme, führte Dr. Heine aus. Der Regionalplan befindet sich derzeit in der finalen Beratungsphase aufgrund der zweiten Offenlage; derzeit wird eine Vielzahl an Einwendungen seitens der Bürger und der Behörden abgearbeitet. Der Beschluss des Regionalplanes durch die Regionalverbandsversammlung ist für den Herbst vorgesehen.
Ein Mann fragte nach der Lärmbelastung. Peter Neisecke nannte die Grenzwerte (45 db(A) nachts; 60 db(A) tagsüber) und bekannte unverblümt: „Das ist mir zu hoch.“ Es wurde aber nicht deutlich, ob in Diepoldshofen die Grenzwerte erreicht oder gar überschritten werden.
Warum der Zeiler Rücken Richtung Altmannshofen nicht mit WKA bebaut werde, wurde gefragt. Schloss Zeil sei „höchst raumwirksam“, sagte Dr. Heine. Aus Gründen des Denkmalschutzes halte man Abstand. Im Kreis Ravensburg gebe es nur zwei solcher Fälle (außer Schloss Zeil noch die Waldburg), im gesamten Regionalverband (besteht aus den Kreisen Ravensburg, Sigmaringen und dem Bodenseekreis) gebe es nur achtmal die Einstufung als „höchst raumwirksam“. Der Denkmalschutz habe bei der Windkraftplanung „manche Kröte schlucken müssen“, so Dr. Heine.
Zur Flächenanfrage von RES bezüglich der städtischen Parzellen im Diepoldshofer Wald sagte OB Henle bei der Einwohnerversammlung am 26. Juni, dass aktuell städtische Flächen nicht zur Anpachtung anstünden (die Sache wurde dementsprechend auch auf der Gemeinderatssitzung am 30. Juni, wo sie noch auf der lange zuvor aufgestellten Tagesordnung gestanden hatte, abgesetzt). Es seien derzeit – ohne die Stadtgrundstücke – in Diepoldshofen Flächen für zwei WKA vorhanden. Grundsätzlich befürworte die Stadt den Windkraftausbau; das habe sich bei der Beplanung des Stadtwaldes Richtung Ottmannshofen gezeigt, den der Gemeinderat einstimmig für den Bau von WKA zur Verfügung gestellt habe (das Projekt scheiterte wegen der Einflugschneise des Unterzeiler Flugplatzes).
Aus zwei können noch vier werden
Aus dem Publikum wurde nachgefragt, ob zu den zwei jetzt beantragten WKA später noch weitere nachgeschoben werden könnten. Dr. Heine bestätigte, dass der Projektierer noch zwei Genehmigungen nachholen könne. Das sah auch OB Henle so.
Zur Frage, ob und wie die Bürger von den Großanlagen profitieren könnten und ob die Stadt da nicht Einfluss nehmen könnte, sagte OB Henle, dass die Stadt derzeit keine entsprechenden Möglichkeiten habe. Falls aber doch noch städtische Flächen angefragt würden, hätte man eine „Verhandlungsmacht“.
Moderator Peter Aulmann wollte wissen, wie sich die vom RES-Vertreter genannten 0,2 Cent pro Kilowattstunde in der Stadtkasse bemerkbar machen würde. OB Henle bezifferte den Zufluss auf 30.000 € pro Jahr; die Summe sei auf Leutkirch und Bad Wurzach aufzuteilen.
Als aus dem Auditorium die Erfassung eines Stimmungsbildes durch Handzeichen vorgeschlagen wurde, gab der Oberbürgermeisterzu bedenken, dass das für den Dorffrieden „nicht hilfreich“ sei. Dafür gab es viel Beifall und man sah von der Meinungsbekundung ab.
Moderator Peter Aulmann, der souverän durch den Abend geführt hatte, dankte allen, dem Publikum wie den (anwesenden) Referenten. So mancher schimpfe gerne auf „die Bürokraten“. Was hier an Kompetenz und Transparenz geleistet worden sei, mache Mut.
Gerhard Reischmann