Ohne Speicher geht es nicht
Zur Diskussion um Windkraft hat uns die Bürgerrunde Haistergau eine Stellungnahme zukommen lassen, die wir ungekürzt veröffentlichen (Titel und Zwischentitel stammen von der Redaktion der Bildschirmzeitung):
Angesichts der kursierenden Berichte und Diskussionsbeiträge zum Thema Energiewende stellt sich mehr und mehr die Frage: „Gibt es eine unterlassene Hilfeleistung bei der Meinungsbildung?“ Und wenn ja, was genau ist das? Wir kennen den Begriff bisher nur aus den StGB und in einem anderen Zusammenhang.
Gehören Details wegzulassen, ergänzende, aber wichtige Informationen zurückzuhalten oder nicht aufklären usw. auch schon dazu? Sie alle kennen, bei genauerem Nachdenken, genügend Beispiele, die hier anwendbar sind. Eines solchen, nennen wir es einfach „Unterlassungsdeliktes“ , wollen wir, die Bürgerrunde Haistergau, uns auf keinen Fall schuldig machen. Ja, unser Ansatz ist es, die Menschen zu informieren, sie in der Meinungsbildung zu unterstützten mit faktenbasierten und nachprüfbaren Informationen. Mit dieser Vorgehensweise wollen wir die Menschen in die Lage versetzen, eine eigene Meinung zu bilden, eine Position zu finden und diese auch zu vertreten. Warum? Ganz einfach, weil wir den Bürgern und deren Intelligenz vertrauen. Heute wollen wir Sie über wissenswerte Fakten zur Energiewende informieren. Lesen Sie und bilden Sie sich Ihre Meinung.
In der öffentlichen Debatte um die Energiewende werden die Rufe nach einem ungebremsten oder sogar beschleunigten Ausbau von Photovoltaik und Windenergie immer lauter – oft jedoch ohne ausreichenden Rückhalt in der Bevölkerung und ohne tragfähige Konzepte für Speicherung und Netzstabilität. Doch die Realität holt diese Forderungen längst ein: Ein Blick auf die aktuellen Strommarktdaten genügt, um die Schattenseite dieses schnellen Ausbaus zu erkennen.
Negative Strompreise!
So verzeichnete Deutschland allein im Mai 2025 über 112 Stunden mit negativen Strompreisen, wie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) berichtet. Am 11. Mai fiel der Strompreis an der Strombörse EPEX Spot sogar auf bis zu minus 250 Euro pro Megawattstunde – ein historischer Tiefstand. In dieser Zeit wurde der Strom nicht nur verschenkt, es mussten sogar Zahlungen geleistet werden, damit jemand ihn überhaupt abnimmt. Das ist kein Fehler im System – das ist das System, wenn Erzeugung hochgefahren wird, ohne dass Speicher, flexible Verbraucher oder Steuerungsmechanismen ausreichend vorhanden sind.
Im gesamten Jahr 2024 gab es laut der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in München 459 Stunden mit negativen Preisen. Das bedeutet: Fast jeden Tag eine Stunde, in der das Angebot an (meist erneuerbarem) Strom die Nachfrage deutlich überstieg. In einem Markt, der auf Angebot und Nachfrage basiert, ist das ein klares Signal für ein strukturelles Ungleichgewicht.
Auch der Gesetzgeber reagiert inzwischen auf diese Entwicklungen: Neue Photovoltaikanlagen, die ab dem 25. Februar 2025 in Betrieb gehen, erhalten keine Einspeisevergütung mehr während Stunden mit negativen Preisen. Das geht auf eine Änderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zurück, die unter dem Stichwort „Solarpaket I“ beschlossen wurde. Die entfallene Förderung soll durch eine Verlängerung der Laufzeit um entsprechend viele Stunden kompensiert werden – ein technokratischer Ausgleich, der aber an der Kernfrage nichts ändert: Wer soll den Strom nutzen, wenn er nicht gebraucht wird?
Ein bloßes „Mehr“ an Windrädern und Solarfeldern bringt uns also nicht weiter. Ohne regionale Speicherlösungen, intelligente Stromnetze und flexible Verbraucher – vom Batteriespeicher im Privathaushalt bis zur Industrieanlage mit Lastverschiebung – verschärfen wir die bestehenden Probleme. Wenn die Menschen in unserer Region den Eindruck haben, dass immer neue Anlagen errichtet werden, ohne dass sie gefragt werden oder der Strom sinnvoll genutzt wird, entsteht ein Vertrauens- und Akzeptanzproblem.
Ein Beispiel für eine sinnvolle Nutzung von Überschussstrom ist das gezielte Lastmanagement in der Industrie: In Norddeutschland steuern beispielsweise Tiefkühllager ihre Kühlleistung nach dem Strompreis und nutzen Windstrom, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Solche Modelle müssen zum Standard werden – nicht zur Ausnahme.
Flächenversiegelung, Bodenverdichtung, Waldrodung …
Zugleich melden sich immer mehr Bürgerinitiativen, Naturschutzverbände und Anwohner zu Wort, die sich gegen die Industrialisierung unserer letzten naturnahen Flächen wehren. Was als „grüne Energie“ verkauft wird, führt mancherorts zu Flächenversiegelung, Bodenverdichtung, Waldrodung und Eingriffen in sensible Lebensräume. Die Ironie: Ausgerechnet eine Politik, die sich den Naturschutz auf die Fahnen schreibt, zerstört Rückzugsräume, die sie eigentlich erhalten wollte.
Wenn Photovoltaikanlagen auf artenreichen Wiesen entstehen oder Windräder in ökologisch sensible Waldgebiete gebaut werden, ist das kein Fortschritt, sondern ein Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Naturschutz. Beides darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Wir brauchen die erneuerbaren Energien. Aber mit Augenmaß
Natürlich brauchen wir die erneuerbaren Energien. Aber wir brauchen sie mit Augenmaß, mit Rücksicht – und mit Plan. Vorrang müssen Dachflächen, Konversionsflächen, versiegelte Industriebrachen, Lärmschutzwälle und infrastrukturnahe Standorte haben – nicht wertvolle Biotope oder bereits überbeanspruchte Kulturlandschaften.
Die Menschen vor Ort mitnehmen
Die Energiewende wird nur gelingen, wenn die Menschen vor Ort sie mittragen. Wer sich übergangen fühlt, wer den Verlust seiner Heimat, seiner Lebensqualität oder der Artenvielfalt vor Augen hat, wird sich abwenden – nicht nur vom Projekt, sondern womöglich von der Idee an sich.
Versöhnung von Technik und Natur
Grüne Politik darf nicht zur Entfremdung führen, sondern muss zur Versöhnung beitragen: zwischen Technik und Natur, zwischen Fortschritt und Bewahrung. Zwischen globalen Klimazielen und regionalen Lebensräumen.
Es gelingt nur, wenn …
Fazit: Die Energiewende gelingt nicht durch Maximalforderungen, sondern durch regionale Konzepte mit gesellschaftlichem Rückhalt. Wir brauchen echte Bürgerbeteiligung, Speicherstrategien, intelligente Netze und dynamische Stromtarife – nicht pauschale Ausbauziele, die an der Lebensrealität und dem Naturschutz vorbeigehen. Nur so gelingt es, Energie zu erzeugen, ohne das zu zerstören, was wir eigentlich schützen wollen.
Karl Merk, Osterhofen (für die Bürgerrunde Haistergau)
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