Skip to main content
Links: Solche Riesenschnecken dienten in der Südsee als Kühlschränke. Rechts: Gewinde verschiedener Schnecken haben den gleichen Bauplan.

Ochsenhausen – Wer auf ebenso lehrreiche wir unterhaltsame Weise erfahren möchte, was es mit dem Goldenen Schnitt in der Natur auf sich hat, was Ingenieure und Architekten von  Schnecken und Muscheln abgeschaut haben und wie der Klimawandel sich auf die Bewohner des Meeres auswirkt, der sollte sich durchs Muschelmuseum in Ochsenhausen führen lassen und sich überwältigen lassen von der unglaublichen Schönheit der Farben und Formen dieser uralten Lebewesen. 

Zugegeben bis vor kurzem wusste ich nicht, was Bivalven und Gastropoden sind: Muscheln und Schnecken. Und obwohl ich Museen aller Art liebe, kam ich erst im verregneten Juni auf die Idee, die weltweit größte Sammlung dieser Lebewesen im Muschelmuseum Ochsenhausen zu besuchen. Nanni Schenk-Kapitza, gelernte Erzieherin, Lehrerin und Tauchlehrerin, führt einige Damen durch das nur 140 Quadratmeter große Museum, während ich mich einer Familie anschließen darf, der ihr Mann gerade einen aufgeschnittenen Nautilus-Kopffüßler präsentiert und erklärt, wie sich die Spirale proportional zum Goldenen Schnitt vergrößert. 

ANZEIGE

Beide tauchen seit 45 Jahren und sammeln seit über 40 Jahren Muscheln und Schnecken. Bernd Kapitza, gebürtiger Ochsenhausener, studierte in Berlin Gartenbau- und Landschaftsarchitektur. Nach Jahren der Selbstständigkeit kehrte er mit seiner Berliner Frau  nach Ochsenhausen zurück. Als im 1680 erbauten Haus der Familie in der Bahnhofstraße 9, in dessen Erdgeschoss sich heute das Café Crumbles befindet, zwei Wohnungen frei wurden, entkernte man das Obergeschoss. In den Räumen mit rot gestrichenen Wänden fanden Land- und Baumschnecken ein Zuhause, in den sandfarbenen Räumen Meeresschnecken, die blauen Räume beherbergen Muscheln. Von den 250.000 Exponaten befindet sich viele in Kisten oder in Sonderausstellungen, für 80.000 reicht der Platz in den Vitrinen.

Inspirationsquelle für Architekten. Fotos: Andrea Reck

Das Aussterben der Tiere

Die Kapitzas führen nicht nur Zoologen der Uni Tübingen durch ihre Sammlung und diskutieren mit Wissenschaftlern der Uni Ulm über Muschelarten, die sich mit Krebszellen gegenseitig anstecken, sie bieten auch Kindergeburtstage im Museum an. Drei Stunden  kosten pauschal 50 Euro inklusive Eintritt, Führung und Quiz. Da muss man schon begeistert sein von seiner Sache und Kinder mögen. Bei meiner besagten ersten Führung im Juni hatten die Kinder auch nach zwei Stunden noch nicht genug, so spannend waren die Exponate und die Geschichten dahinter. Dass man die teilweise sehr wertvollen Tiere anfassen darf, kommt gut an. Ganz nebenbei lernen nicht nur Kinder unglaublich viel über Technik und Design. Und über die den Klimawandel. „Die Folgen er Erderwärmung können wir nicht mehr stoppen, nur noch bremsen“, sagt Kapitza. „Es gibt einige Arten, die von der Hitze profitieren, es gibt aber mehr die aussterben. 50 Prozent der Tierarten werden in den nächsten 30 Jahren vom Planeten verschwinden.“  Kapitza möchte mit seiner Arbeit vermitteln, „wie toll unsere Meere sind. Obwohl 75 Prozent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind, wird es Krieg um das Wasser geben“. Problematisch für viele Meeresbewohner sei nicht nur die Menge an Mikroplastik, sondern auch die Entsalzung durch das Schmelzen der Gletscher. „300 Milliarden Tonnen Süßwasser kommen derzeit hinzu. So schnell können sich die Tiere nicht umstellen. Das Mittelmeer war im letzten Jahr fünf Grad zu warm, das zusätzlich verdunstete Wasser kommt als Starkregen herunter.“ Kapitza beschreibt die großen Zusammenhänge ohne den Bezug zu den Exponaten zu verlieren. 

ANZEIGE

Er zeigt die größten Schnecken „aus Afrika, sie werden natürlich dort gegessen“ und knallbunte Winzlinge. „Jetzt kommt der Kaugummiautomat“, lacht er und weist darauf hin, dass auch Weinbergschnecken unter Artenschutz stehen. „Wir haben noch nie eine Muschel hochgetaucht“, beteuert er.  „Wir kaufen sie von Fischern und haben zwei große Sammlungen übernommen.“ Nun zeigt er eine heilige Schnecke der Hindus, verziert mit Sterlingsilber, die man in Nepal erworben hat, ihre Ausfuhrgenehmigung liegt in der Vitrine. Wie viele  Künstler, Designer und Architekten sich Muscheln und Schnecken zum Vorbild nahmen, begeistert den Ingenieur. Norman Foster etwa ließ sich beim Entwurf der Reichstagskuppel von der  Sonnenuhr-Schnecke inspirieren, Frank Gehry beim Umbau des Guggenheim Museums in New York von der Thatcheria mirabilis. 

Der schönste Arsch der Welt

Wir sehen Seesterne, die das Great Barrier Reef fressen, das derzeit noch mehr Sauerstoff produziert als der Amazonas Regenwald, erschrecken vor Kegelschnecken, „dem giftigsten Tier auf dem Planeten, den Weberkegel aus Madagaskar“ und erfahren von Prialt, einem von Schecken produzierten Schmerzmittel, das tausendmal stärker ist als Morphium. Wir bewundern die bunten, perforierten Seeigel, die Kapitza mit der Taschenlampe von innen anleuchtet. Zweifellos: „Der Seeigel hat den schönsten Arsch der Welt.“ „Und jetzt kommen unsere Models“, macht er auf besonders schön gezeichnete Schnecken aufmerksam, zeigt woraus Perlmuttknöpfe gefertigt werden und wie viel die  größte Meeresschnecke wiegt, die in der Südsee als Kühlschrank verwendet wird. Wir passieren das Tritonshorn, auf dem römische Feldherren geblasen haben, und erfahren, dass 10.000 Purpurschnecken getötet werden mussten, um ein Gramm des edlen Farbstoffes zu gewinnen. Schließlich die Königin der Meere, die einzige Schnecke, die Perlen produziert. Ich bin schon am Ende meiner Aufnahmekapazität, als mir auffällt, dass wir bisher ausschließlich Schnecken, keine Muscheln gesehen haben.

ANZEIGE

Im letzten Raum mit den blau gestrichenen Wänden werden – na endlich – Muscheln präsentiert. Auf die Frage, warum er seine Schatzkammer nicht Schnecken-Museum nennt, lacht Kapitza: „Weil sonst kein Mensch kommen würde. Dabei sind Schnecken so faszinierend.“ Wie wahr!

Nun also noch ein Blick auf riesige Hahnenkamm-Austern und Röhrenmuscheln von den Philippinen, Perlmuscheln, Jakobsmuscheln, 300 Millionen Jahre alte Stachelmuscheln und und und. 

Buchtipp: Priya Hemenway, Der Geheime Code, Die rätselhafte Formel, die Kunst, Natur und Wissenschaft bestimmt, Evergreen Verlag, preiswert antiquarisch erhältlich. 

www.muschelmuseum-ochsenhausen.d

bis 14. Oktober geöffnet Do. bis So. von 12 -18 Uhr, ab 15.10 Fr. bis So 13 – 18 Uhr und nach Vereinbarung. Eintritt 7 €, Familien 15 €.

Autorin: Andrea Reck



NEUESTE BLIX-BEITRÄGE

Editorial BLIX November 2024

Liebe Leserinnen, liebe Leser, dieser November wird in Erinnerung bleiben. Und zwar egal wie die Präsidentschaftswahl in den USA ausgeht. Es macht sich zuallererst an dem Votum für oder gegen Donald Trump fest, und erst dann an Kamala Harris, die womöglich erste Frau im Weißen Haus und die erste schwarze überdies. Deren Wahl historisch wäre. Wird stattdessen Trump tatsächlich ein zweites Mal gewählt, ist das eine demokratische Katastrophe mit unabsehbaren Folgen. 

„Demokratie ist Mannschaftssport“

Memmingen – Die Überraschung ist gelungen, als der Memminger Oberbürgermeister Jan Rothenbacher im kleinen Sitzungssaal des Rathauses den Träger des „Memminger Freiheitspreis 1525“ bekannt gibt: der „verflossene“ Fußballtrainer des Sportclubs Freiburg Christian Streich erhält im kommenden Jahr 2025 als sechster Preisträger die Auszeichnung, die sich auf die Erklärung der „Zwölf Artikel“ der aufständischen Bauern vor 500 Jahren in der Kramerzunft der Stadt bezieht. Das Jubiläum im nächsten Jah…

Geschichte und Kunst

Oberschwaben – Es ist so weit, das große Jubiläum wirft seinen Schatten voraus. „500 Jahre Bauernkrieg“ wird im nächsten Jahr das historische Großereignis. Zurecht, denn mit den „Zwölf Artikel“, verfasst im März 1525 in der Kramerzunft in Memmingen, forderten die aufständischen Bauern erstmals in der Geschichte Menschen- und Bürgerrechte. Diese „Ungeheuerlichkeit“ entsprang der feudalen Diktatur und stellte sie radikal in Frage. Jede Geschichte hat ihre Geschichte, so auch der Bauernkrieg. Di…

Die extreme Rechte im Landkreis Biberach

Biberach – Die „Partnerschaft für Demokratie im Land-kreis Biberach“ veranstaltete am 24. Oktober einen aufschlussreichen Vortrag mit dem Titel „Die extreme Rechte und ihr Umfeld – Ein Blick auf den Landkreis Biberach und die Region“. Etwa 70 interessierte Teilnehmende fanden sich ein, um sich über die Untersuchungsergebnisse der Fachstelle „Mobirex“ (Monitoring | Bildung | Information zur extremen Rechten in Baden-Württemberg), angesiedelt im Demokratiezentrum Baden-Württemberg, zu informier…

Leserbriefe

Auch für den Monat November erreichten uns wieder Zuschriften.

100 Jahre Bio

Voggenreute – Ein runder Geburtstag ist immer etwas Besonderes. Und wenn dann noch eine lange Geschichte dahinter steckt erst recht. 100 Jahre ist fraglos ein Zeitraum, der Aufmerksamkeit verdient. Und erst recht, wenn darin eine Idee gewachsen ist, die Früchte trägt und aktueller nicht sein kann. Denn damals – nur sechs Jahre nach dem Ersten Weltkrieg – wie heute – angesichts der Klimakrise – stellen sich die Fragen: Wie wollen wir leben und wovon wollen wir leben? Vielfalt statt Einfalt war…

Zum 100. Geburtstag nach Rom

Bad Wurzach / Rom – Über 600 Reisende des Salvatorkollegs waren vom 4. bis 11. Oktober 2024 unterwegs nach und in Rom. Das Schuljubiläum zum 100-jährigen Bestehen war der Anlass für die Schulreise der gesamten Schulgemeinschaft.

Lernen mit und in der Natur 

Berg – 8 Uhr morgens an einem Donnerstag im Oktober: Schulbeginn für die fünf Fünftklässler an der neu gegründeten Freien Naturschule Ravensburg. Seit Ende der Sommerferien ist nicht nur für die Gründungsmitglieder der Freien Naturschule Ravensburg ein Traum wahr geworden. Auch für die Eltern der Schulkinder, die hier – in einem Nebengebäude des Horrachhofs bei Weingarten-Berg – zur Schule gehen. Kurz vor Schuljahresbeginn hat die Schule die Zulassung erhalten und kann nun mit 25 Kinder in de…

„Das gibt mir Hoffnung“

Bad Schussenried – Berthold Porath ist Coach, Unternehmens- und Männerberater – und Trauerredner. Was befähigt den 62-Jährigen dazu? Ein Leben voller Erfahrungen und die Bereitschaft, immer dazu zu lernen. Sein Weg ist der eines Mannes, der erfahren hat: Erfolg kann in die Irre führen. Sein Ziel: Balance mit sich – den Menschen und der Natur. Und dazu gehört der Tod, ist er überzeugt. Nachgefragt.

Wasser ist ein Menschenrecht

Ochsenhausen – Es braucht immer einen Anstoß, damit sich was bewegt. Und es braucht Menschen, die sich anstoßen lassen, damit daraus ein Projekt wird. In diesem Fall war es ein Artikel in BLIX, der Theresia Moosherr inspirierte. Die in Bad Schussenried wohnhafte Künstlerin entwickelte folgende Idee. Sie stiftet der Stadt Ochsenhausen eine Skulptur, eine „Wasserhüterin“, die passend platziert auf der „Rottuminsel“ das neu geschaffene Zentrum schmückt mit der Botschaft: „Wasser ist ein Menschen…

„Ich wage zu scheitern“

Ravensburg – Wer reist, braucht einen Koffer. Was aber mitnehmen in die neue Welt, die eine alte ist? Wolfram Frommlet hat sich für Musik und Bücher entschieden. Es ist das Eigene, das ihm viel bedeutet, was er in die Fremde mitnimmt. Das Fremde ist Afrika, von Ost nach West. Lusaka, Hauptstadt von Sambia, dorthin bricht der Ravensburger 1978 mit schwangerer Frau auf ohne Rückflugticket. Es ist der Beginn einer langen Reise, die eine Suche ist. Im Koffer Johann Sebastian Bach, dessen Musik de…

Türlein öffne dich!

Erinnern Sie sich noch an die Adventszeit, wie wir sie in unseren Kindheitstagen erlebt haben? Drei Wochen waren unendlich lang, aber zum Glück versüßt, indem wir Tag für Tag ein weiteres Türchen unseres Adventskalenders öffneten und so der großen Bescherung Stück für Stück näher rückten. Meistens handelte es sich dabei um klassische Adventskalender mit weihnachtlichen Motiven, hinter deren 24 Türchen leckere, in Form gegossene Schokostückchen darauf warteten, noch vor dem Frühstück verzehrt …

Bratapfel auf dem Brot

Äpfel haben Saison und weihnachtliche Düfte sorgen im trüben November für Wohlbefinden. 

Winterschlaf? Noch nicht! 

Im November kommen Boden und Pflanzen zur Ruhe. Ehe der Gärtner die Winterruhe einläutet, hat er noch ein paar Aufgaben zu erledigen.

Krisenstimmung beim BVB

Bei Borussia Dortmund ist bereits zu Saisonbeginn mächtig Feuer unterm Dach. Drei verlorene Auswärtsspiele in Folge und dazu Absturz auf Platz sieben in der Liga und auch sieben Punkte Rückstand auf Leipzig sind keine guten Vorzeichen für Coach Sahin, zumal der FC Bayern seinen Vorsprung auf den ewigen Rivalen nach einem 5:0 Kantersieg gegen den VfL Bochum bereits auf zehn Punkte ausbauen konnte.

ANZEIGEN

BLIX-NEWSLETTER

VERANSTALTUNGEN

ALLGÄU-OBERSCHWABEN

Wangen – Einhundertacht Jahre alt ist das Westallgäu-Klinikum, es hat vieles erlebt: Notfälle und Pandemien, Geburte…
Bad Waldsee – Traditionell läuten die Narren am 11.11. auf der Hochstatt an ihrem Federlesbrunnen die neue Fasnetsais…
Bärenweiler – In Bärenweiler findet zum zweiten Mal ein Weihnachtsmarkt statt. Das Kleinod Bärenweiler vor …
Kreis Ravensburg – Das Landwirtschaftsamt des Landkreises Ravensburg und die Bio-Musterregion Ravensburg laden herzli…