Ravensburg / Weingarten – Der Steckbrief lautet: Filmtage Oberschwaben in Ravensburg und Weingarten vom 10. bis 13. Oktober; 4 Tage, 4 Kinosäle, 35 Filme, 45 Vorstellungen, über 50 Filmschaffende! Helga Reichert und Adrian Kutter laden dazu ein, und BLIX sprach mit der Intendantin der Filmtage Helga Reichert über das bevorstehende Festival.
Frau Reichert, Sie und Ihr Mann Adrian Kutter veranstalten nun schon zum vierten Mal die Filmtage Oberschwaben. Wie fühlen Sie sich kurz vor dem Event?
Immer noch aufgeregt, und ich denke, das wird sich auch nach vielen Jahren nicht legen. Wir stemmen hier in einem sehr kleinen Team ein ganzes Festival, und jedes Mal habe ich wieder Angst, ob ich irgendetwas ganz Wichtiges übersehen habe. Gleichzeitig freue ich mich darauf, die ausgewählten Filme präsentieren zu dürfen und viele liebe Menschen wiederzutreffen.
Die Filme werden wieder an zwei unterschiedlichen Orten gezeigt, in Ravensburg am Frauentor und in Weingarten in der Linse. Hat sich diese örtliche Aufteilung bewährt und welche Filme werden wo gezeigt?
Alle Festivalfilme laufen im Ravensburger Frauentorkino mit mindestens einer Vorstellung. Einige werden dort wiederholt, und für acht Filme findet die zweite Vorstellung in diesem Jahr in Weingarten statt. Die Auswahl, welche Filme auch dort gezeigt werden, trifft der dortige Programmleiter Henning Däuber. Er kennt sein Publikum am besten und weiß, welche Filme in der Linse besonders gut ankommen. Auch in Weingarten finden alle Vorstellungen mit anschließendem Filmgespräch statt. Da ich nicht hin- und herfahren kann, übernimmt mein Mann Adrian Kutter komplett die Betreuung der Linse. Er hat quasi seinen eigenen Festivalsaal, und für die Filmschaffenden ist es etwas Besonderes, dass dort Adrian ihre Filme präsentiert.
Drei beziehungsweise vier Jahre sind noch nicht lang, wenn man bedenkt, dass Ihr Mann 40 Jahre die Biberacher Filmfestspiele geleitet hat und Sie dort auch noch zwei Jahre Intendantin waren. Fühlen Sie sich in Ravensburg und Weingarten mit Ihrem neuen Filmfestival schon ausreichend wahr- und angenommen?
Die Stadt Ravensburg gibt uns auf jeden Fall das Gefühl, dass wir dort sehr willkommen sind. Die Zusammenarbeit mit dem Kulturamt, den Hotels und natürlich dem Kino klappt prima. Und auch beim Publikum werden wir immer bekannter. Eine Ravensburgerin hat sich im Sommer gemeldet und uns Hilfe bei der Werbung angeboten, so etwas ist einfach schön. Wir haben kein riesiges Marketingbudget und können keine große Werbekampagne starten, aber wenn die Ravensburgerinnen und Ravensburger uns selbst helfen, damit wir in der Stadt bekannter werden, dann ist das das Beste, was passieren kann!
Immerhin sind Sie bereits ausgezeichnet worden. Wie kam es dazu?
Die Pill Mayer Stiftung in Wolfegg vergibt alle zwei Jahr einen Förderpreis für besonderes Engagement im interkulturellen Dialog. In diesem Jahr gehören die Filmtage Oberschwaben zu den Preisträgern, was mich natürlich sehr freut! Der Sinn und Zweck eines Festivals ist es doch, mit anderen Menschen in den Dialog und in den Austausch zu kommen. Dabei möchte ich mit der Filmauswahl wichtige und ab und zu auch ‚unbequeme‘ oder nicht so präsente Themen in den Fokus rücken. Leider wird es nach meinem Empfinden immer schwieriger, Menschen thematisch abzuholen und ihnen auch mal Sichtweisen zu präsentieren, die ihnen fremd sind. Wichtig ist es, dem anderen zuzuhören und mit einer Wertschätzung zu begegnen – egal, welchen kulturellen Hintergrund er hat.
Ihr Konzept entspricht dem in Biberach. Zentral ist dabei das Gespräch des Publikums mit den Filmschaffenden. Was gibt es Neues zu berichten? Welche Highlights gibt es im Programm? Und wer von den Filmschaffenden hat sein Kommen schon zugesagt?
Unser, Adrian Kutters und mein, Konzept ist es seit 45 Jahren, dass die Filmschaffenden ihre Filme dem Publikum direkt präsentieren und diskutieren. Das ist das Kernstück unserer Festivalarbeit. Und die diesjährigen Themen lassen spannende Diskussionen erwarten: Der Film „Im Rausch“ thematisiert den Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft. Der Produzent Reik Möller und der Redakteur Pit Rampelt sind schon angemeldet. Der Dokumentarfilm „my body, my soul“ portraitiert drei junge Menschen, die sich für eine Geschlechtsumwandlung entschieden haben, hier erwarten wir die Regisseurin und die Kamerafrau. Der Kurzfilm „The Prison“ beschreibt das Schicksal vieler Frauen während der Unruhen in Syrien, die Filmemacherin kommt aus Ulm zu uns. Ein besonderes Highlight wird sicherlich der Besuch von Schauspieler Walter Sittler zu seinem Film „Tödliche Schatten“ am Festivalsonntag. Wie immer fällt es mir schwer, einzelne Filme aus dem Programm hervorzuheben. Sie sind einfach alle sehenswert! Die aktuelle Liste der anwesenden Filmschaffenden finden Sie auf unserer Website www.filmtage-oberschwaben.de
Ganz allgemein: Hat sich die Filmbranche von Corona schon erholt?
Ja, Corona spielt keine Rolle mehr. Wobei ich auch zu Pandemiezeiten erstaunt war, wie viel doch produziert wurde und unter welchen Bedingungen. Kreativität lässt sich eben nicht aufhalten. Insgesamt gesehen entwickelt sich auch die Kinobranche dahin, dass die Menschen einen ‚Eventcharakter‘ erwarten. Sie wollen mehr als nur einen Film erleben. Deshalb sind Festivals so beliebt und wichtig!
Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich sehr auf die diesjährige Schülerjury. Es ist großartig, dass wir auch im vierten Festivaljahr eine extra Jury für den Kinder- und Jugendbereich haben. Das verdanke ich den vielen treuen und auch neuen Unterstützern, die an unser Festival glauben und mit uns hoffentlich auch die nächsten Jahre gestalten.
Autor: Roland Reck